# taz.de -- Kommentar Würzburg-Attentat: Angst vor dem Generalverdacht | |
> Unser Autor ist selbst Flüchtling aus Afghanistan. Über seinen Schock | |
> angesichts des islamistischen Attentats von Würzburg. | |
Bild: Flüchtlinge aus Afghanistan und Umgebung – wegen Würzburg unter Gener… | |
Es war schrecklich für mich zu hören, dass ein Flüchtling, wie auch ich | |
einer bin, in dem Land, das ihm Schutz und Hilfe gewährt hat, zum | |
Attentäter wurde. Ein Jugendlicher, der hierher gekommen ist und behauptet | |
hat, vor Krieg und Terror zu fliehen, ist jetzt selbst zum Terroristen | |
geworden. Es ist für mich unvorstellbar, dass ein junger Mensch, der | |
wahrscheinlich aus meinem Land Afghanistan [1][oder aus dem Nachbarland | |
Pakistan stammt], versucht hat, gewaltsam anderen Menschen das Leben zu | |
nehmen. | |
Aber leider ist es passiert. Ein Flüchtling aus meiner Heimatregion ist in | |
der Nähe von Würzburg mit Axt und Messer auf Reisende in einem Zug | |
losgegangen und hat brutal vier Menschen schwer verletzt. | |
Als ich von der Tat gehört habe, war ich schockiert und es hat mich | |
zutiefst getroffen. Es ist schändlich und man findet keine Worte. Aber | |
gleichzeitig bin ich auch besorgt. Welche Konsequenzen wird das für | |
afghanische Flüchtlinge in Deutschland haben? Ich habe Angst, dass wir | |
jetzt unter Generalverdacht gestellt werden. | |
Nicht nur ich, sondern alle Afghanen fürchten sich jetzt davor, in einen | |
Topf geworfen und als Terroristen angesehen zu werden. Müssen wir nun mit | |
noch mehr Benachteiligungen und Restriktionen rechnen? Werden wir jetzt | |
ausgegrenzt von der Gesellschaft und diskriminiert? Wenn wir nicht dazu | |
gehören dürfen, wäre das sowohl für Afghanen als auch für die Deutschen | |
eine gefährliche Entwicklung. | |
Wir wissen nicht, warum und wann sich der junge Attentäter Riaz A. | |
radikalisiert und entschieden hat, sich der Terrormiliz IS anzuschließen. | |
Seine furchtbaren Angriffe sind durch nichts zu rechtfertigen. Anders als | |
die allermeisten minderjährigen Flüchtlinge, die in Massenunterkünften | |
leben müssen, hatte er Glück. Er ist von einer Pflegefamilie aufgenommen | |
worden. Aber seine Bluttat ist der Terrorakt eines Einzeltäters. | |
Wir dürfen daraus nicht den falschen Schluss ziehen, dass es keinen | |
Unterschied macht, wo und wie ein minderjähriger Flüchtling lebt. | |
Integration kann nicht gelingen, wenn Parallelgesellschaft aufgebaut | |
werden. Das weiß jeder. Dennoch bekommen afghanische Asylbewerber – anders | |
als etwa Syrer – inzwischen keine Deutschkurse mehr. | |
So eine Isolation ist ein Problem gerade für minderjährige Flüchtlinge. | |
Denn in jungen Jahren wird die Persönlichkeit geformt – wird entschieden, | |
ob aus einem Menschen ein Radikaler wird. | |
Ich weiß, dass Deutschland nicht alle Menschen aufnehmen kann, die Schutz | |
brauchen. Andere Länder, die ebenfalls sicher sind, müssen auch helfen. | |
Denn sonst könnte in Deutschland der gesellschaftliche Frieden gefährdet | |
sein. Ich verstehe auch, dass viele in der deutschen Gesellschaft jetzt | |
Angst vor Terror haben. Auch wir Afghanen fürchten uns davor. Uns kann ein | |
Anschlag genauso treffen. | |
20 Jul 2016 | |
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## AUTOREN | |
Mortaza Rahimi | |
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