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# taz.de -- Übers „Allahu akbar“-Rufen: Schrei nach Liebe
> Wenn, wie in München, jemand „Allahu akbar“ ruft, denken alle gleich an
> Terror. Dabei könnte man den Spruch vom schlechten Image befreien.
Bild: Täglich grüßt der „Allahu akbar“-Wecker
Ob der „Barfuß-Killer“ von Grafing wirklich [1][„Allahu akbar“ gerufen
hat], bevor er losstach oder nicht viel mehr die hawaiianische Variante
„Aloha akbar“, ist immer noch unklar. Ob der Mann bloß ein verwirrter Irrer
und Ungläubiger ist oder Anhänger einer diffusen Religion von IS bis NSU,
auch.
Die polizeiliche Verwirrtheitsvermutung gilt in Deutschland bisher in der
Regel für Nazi-Messerstecher. Allein deshalb sollte man vorsichtig sein.
Nur weil es heißt, der junge Mann sei schon mal in der Psychiatrie gewesen,
heißt das noch lange nicht, dass er nicht auch schon mal bei den Nazis
gewesen ist.
Vielleicht aber haben wir es bei dem Mörder von Grafing tatsächlich nur mit
einem Irren zu tun, dessen Allahu-akbar-Ruf nur ein Hilferuf, ein Schrei
nach Liebe und Aufmerksamkeit war. Denn der Allahu-akbar-Ruf ist der letzte
Schrei unter denjenigen, die einfach nur auf sich aufmerksam machen wollen.
Es herrscht große Verwirrung, seit die Terroristen den normalsterblichen
Muslimen ihren Slogan abgeknöpft haben. Empört und beleidigt sind nun
Letztere darüber, dass nun alle, die Allahu akbar sagen, unter
Terrorverdacht stehen. Linke können das gut verstehen. Auch die sind immer
noch beleidigt und empört, dass Che Guevara als Werbeträger für Biotee
„Mountain Harmony“, der Pyramiden-Beutel für 3,80 Euro das Stück,
instrumentalisiert wurde.
Aber es ist nun mal so, dass Allahu akbar und Che Guevara nicht Allahu
akbar™ oder Che Guevara™ heißt. Allahu akbar ist nicht als Waren- oder
Dienstleistungsmarke registriert, auch wenn sich diverse islamische Staaten
und islamistische Gangs und auch normalsterbliche Gläubige das gern
wünschen. Jeder in Deutschland darf Allahu akbar oder Aloha akbar sagen,
ohne damit rechnen zu müssen, wegen Markenrechtsverletzung vor Gericht
gestellt zu werden.
## Der Moschee-Wecker rief „Allahu akbar“
Eine Zeit lang wurde ich in Kreuzberg mit dem Ruf „Allahu akbar“ geweckt.
Er kam aus einem Moschee-Wecker. Den hatte ich geschenkt bekommen, weil ich
immer verschlief und man hoffte, ich würde dem Ruf des Muezzin nicht
ignorieren können. [2][Der Wecker wurde Teil der Hate Poetry], einer Show,
in der Journalisten mit komischen Nachnamen rassistische Liebesbriefe
vorlesen. Ich ließ die Plastikmoschee „Allahu akbar“ ins Mikrofon singen
und erzählte, wie der Wecker paradoxerweise Gegenstand eines Textes über
die Islamisierung Kreuzbergs in einem linken Szeneblatt wurde.
Anstatt über die Paranoia der Linken zu lachen, gab es unter den linken
Zuschauern Empörung, weil ich als „Weiße“ die Muslime beleidigt hätte. N…
argumentierte ich, dass dieser Plastikwecker als solcher die Beleidigung
ist. Nichts gegen einen ordentlichen Muezzin-Gesang aus einer ordentlichen
Moschee. Aber dieser scheppernde, gieksende, krächzende Ton, der aus dem
Gerät kommt, ist doch keines Propheten würdig. Derartige Erklärungen halfen
nichts. Die Beleidigten blieben beleidigt.
Lektion: Es führt kein anderer Weg aus dieser Misere, als ständig und
überall Allahu akbar zu rufen. Nur der inflationäre Gebrauch von Wörtern
wie Revolution hat schließlich auch dazu geführt, dass irgendwann niemand
mehr Revolution machen wollte, weil keiner mehr genau wusste, was das
eigentlich sein soll.
Und so muss man auch mit Allahu akbar verfahren. Wenn in U-Bahnen, Banken
und Supermärkten ständig der Handyklingelton „Allahu akbar“ zu hören wä…
würde niemand mehr gleich an Terroristen denken. Und niemand würde sich
dazu gezwungen fühlen, sich sofort nach einem Teppich und nach Mekka
umzuschauen, um das Gebet zu verrichten.
Wenn der Bademeister im Schwimmbad seine Ansagen mit Allahu akbar beenden
würde, das Martinshorn der Polizei durch Allahu akbar ersetzt würde, es
würde kein psychisch Verwirrter und kein Terrorist mehr auf die Idee
kommen, die Trademark für sich zu beanspruchen, und kein Gläubiger könnte
sich daran stören, dass jeder Zivilist nun statt „voll krass“ oder
„Achtung, Achtung“ lieber „Gott ist groß“ ruft.
11 May 2016
## LINKS
[1] /Messerangriff-in-Muenchen/!5302582/
[2] /!5096977/
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Messerattacke
Moschee
Israelische Araber
Würzburg
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Flüchtlinge
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Lügen
München
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