| # taz.de -- Atomkraft in der Ukraine: Uran aus dem Westen | |
| > Der Brennstoff für die ukrainischen Atomkraftwerke kommt nicht mehr aus | |
| > Russland. Technisch ein Problem, so Experten. | |
| Bild: Wird das Uran im Urenco-Werk in Gronau angereichert? | |
| Kiew/Berlin taz | Die britisch-niederländisch-deutsche Uranfirma | |
| Urenco liefert demnächst angereichertes Uran für die ukrainischen | |
| Atomkraftwerke. Das haben das Unternehmen und der staatliche | |
| AKW-Betreiber der Ukraine, Energoatom, Ende vergangener Woche in | |
| einem Vertrag vereinbart. Das angereicherte Uran werde zunächst | |
| nach Schweden geliefert, wo es in einer Fabrik des | |
| japanisch-amerikanischen Konzerns Westinghouse in Brennstäbe | |
| eingearbeitet werde, sagte Energoatom-Chef Jurij Nedaschkowskij | |
| der Zeitung Ekonomicheskaja Prawda. | |
| Der auf drei Jahre befristete Vertrag mit Urenco sehe zwei | |
| Lieferungen angereicherten Urans pro Jahr vor. Zwei weitere | |
| Lieferungen seien zusätzlich möglich. Jede enthalte Uran für 42 | |
| Brennstäbe. | |
| Urenco erklärte auf taz-Anfrage, man werde später festlegen, | |
| welche der weltweit vier Anreicherungsanlagen des Konzerns den | |
| Auftrag erledigt. Das Uran könnte also auch im Urenco-Werk im | |
| westfälischen Gronau angereichert werden. | |
| Die deutsche Bundesregierung sitzt im für Urenco zuständigen | |
| „Joint Committee“. In diesem Ausschuss entscheidet sie gemeinsam | |
| mit Vertretern der niederländischen, französischen, US- und | |
| britischen Regierungen über die strategische Ausrichtung des | |
| Konzerns. „An einzelnen kommerziellen (Liefer-)Abkommen des | |
| Unternehmens mit Drittstaaten ist die Bundesregierung aber nicht | |
| beteiligt“, schreibt das Wirtschaftsministerium in Berlin auf | |
| Anfrage – man werde über das Joint Committee lediglich | |
| unterrichtet. | |
| Matthias Eickhoff, Sprecher des „Aktionsbündnisses Münsterland | |
| gegen Atomanlagen“, verurteilte den Deal. „Anstatt auf eine echte | |
| Energiewende zu setzen, lässt man die Ukraine im 20. Jahrhundert | |
| zurück. Während der Sarkophag um Tschernobyl noch immer nicht fertig | |
| ist, wird dort weiter auf Atomenergie gesetzt“, teilte Eickhoff der | |
| taz mit. „Natürlich müssen wir die Ukraine unterstützen, aber doch | |
| nicht mit angereichertem Uran.“ | |
| Der jetzt unterzeichnete Vertrag mit Urenco passt zur neuen | |
| ukrainischen Atompolitik. Derzeit ist die Atomwirtschaft des | |
| Staates zu mehr als 90 Prozent abhängig von Russland. Mithilfe | |
| westlicher Partner soll der russische Anteil an der ukrainischen | |
| Atomwirtschaft zurückgedrängt werden. Dabei setzt man auf einen | |
| kontinuierlich wachsenden Anteil von Westinghouse-Brennstäben. | |
| Doch der gleichzeitige Einsatz von Westinghouse- und russischen | |
| Brennstäben ist umstritten. 2012 habe es im AKW „Süd“ Probleme beim | |
| Zusammenspiel der Kassetten der unterschiedlichen Hersteller | |
| gegeben, räumte Energoatom Chef Jurij Nedaschkowskij Mitte Juli im | |
| ukrainischen Fernsehsender 112.ua ein. Doch diese Probleme hätten | |
| die Ingenieure in den Griff bekommen. | |
| Die aus dem 200 Kilometer südlich von Tschernobyl gelegenen | |
| Schitomir stammende Journalistin Alla Jaroschinskaja, die 1992 | |
| für ihre Veröffentlichungen zum AKW-Unfall in Tschernobyl den | |
| Alternativen Nobelpreis erhalten hatte, sagte der taz: „Ich weiß | |
| von Ingenieuren aus der Atomindustrie, dass der amerikanische | |
| Brennstoff nicht für russische Reaktoren geeignet ist, weil die | |
| Zirkonium-Röhren, in denen die Brennstofftabletten eingelagert | |
| werden, nicht ein Qualitätsniveau haben, das man als sicher | |
| bezeichnen könnte.“ | |
| Diese Röhren, in denen sich die Brennstofftabletten befinden, | |
| würden thermisch und anderweitig behandelt. „Und das Geheimnis | |
| dieser Behandlung scheinen die Amerikaner nicht zu kennen.“ Dies | |
| sei der Grund, so Jaroschinskaja, warum Tschechen und Ukrainer vor | |
| einigen Jahren Probleme beim Einsatz von | |
| Westinghouse-Brennstäben gehabt hätten. | |
| Gleichzeitig setzt die Ukraine, die keine neuen Atomkraftwerke bauen | |
| will, auf eine Laufzeitverlängerung der teilweise seit mehr als 30 | |
| Jahren laufenden sowjetischen Reaktoren. Die hierfür | |
| erforderliche Modernisierung wird zu einem großen Teil von | |
| europäischen Institutionen mit Krediten ermöglicht. „Dass die | |
| Ukraine trotz Tschernobyl weiter auf Atom setzt und ihr nukleares | |
| Modernisierungsprogramm auch von der Europäischen Bank für | |
| Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt wird, ist Wahnsinn“, sagte | |
| die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl der taz. | |
| Wichtiger sei es, die Ukraine bei einer Energiewende zu | |
| unterstützen. | |
| 23 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
| Ingo Arzt | |
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