# taz.de -- Bergbau in Spanien: Eine Uranmine hinter der Bar | |
> Raquel Romo will kein Bergwerk hinter ihrer Kneipe. Fernando Rodríguez | |
> will sein Land nicht dafür hergeben. Sie wehren sich. | |
Bild: Raquel Romo führt einen Laden und wollte auch die Bar ihrer Eltern neben… | |
Campo Charro/Salamanca taz | So weit das Auge reicht, nichts als Wiesen, | |
Felsen und alte, knorrige Steineichen. 700 Kühe weiden auf der 1050 Hektar | |
großen Finca Pito mit ihren Kälbern, dazwischen kleinere Gruppen von frei | |
laufenden Säuen mit ihren Ferkeln. „Sie wollen hier eine Uranmine | |
aufmachen“, sagt Fernando Rodríguez. „Sie haben mich gezwungen, 215 Hektar | |
Land zu verkaufen. Jetzt wollen sie weitere 400 Hektar“, sagt er. | |
Wenn der 67-Jährige „sie“ sagt, dann meint er das australische Unternehmen | |
Berkeley Energia Limited. Der Konzern wirbt damit, hier bis Ende 2018 die | |
größte offene Uranmine Europas in Betrieb zu nehmen. 5.400 Hektar soll | |
allein der erste Abschnitt umfassen. Eine neue Straße entsteht, ein | |
Auffangbecken wurde ausgehoben. 2.000 von rund 30.000 Steineichen ließ | |
Berkeley fällen. Die Bäume sind alle zwischen 200 und 600 Jahre alt. | |
Die Gegend gehört zum europäischen Naturschutznetz Natura 2000, hier leben | |
viele seltene Arten wie der Schwarzstorch und die Süsswassersardine Sarda | |
Salmantina, die es nur im kleinen Fluss Yeltes gibt. Eine Studie der | |
Universität Toledo belegt, dass der Fisch durch die Giftstoffe des Bergbaus | |
aussterben kann. | |
Würde Fernando Rodríguez die 400 Hektar verkaufen, wäre sein Land | |
zweigeteilt und er würde die Stallungen und Lagerhallen verlieren. „Selbst | |
wenn wir auf dem Rest weitermachen – wer will schon Fleisch von einer Finca | |
direkt an einer offenen Uranmine?“, sagt der schlanke, hoch aufgewachsene | |
Mann ruhig. Hin und wieder steckt er sich eine Zigarette an, geniest jeden | |
Zug und lässt die Kälbern in der Koppel, nicht aus den Augen, während er | |
seine beiden Schäferhunde streichelt. „Mein Urgroßvater hat einst das Land | |
gekauft. Ich bin hier aufgewachsen.“ Heute bewirtschaftet sein Sohn mit | |
zwei Arbeitern die Finca auf dem Hochland zwischen Retortillo und | |
Villavieja de Yeltes in der westspanischen Provinz Salamanca. | |
Rodríguez hatte bis zu seiner Pensionierung zwei Jobs. Er arbeite in der | |
Stadt in einer Sparkasse und hier draußen als Landwirt. Er trägt einen | |
Stapel von Dokumenten unter dem Arm, säuberlich in Klarsichthüllen | |
geordnet. Es sind Briefe. Einige tragen das Logo von Berkeley andere das | |
des regionalen Industrieministeriums von Castilla y León. Die | |
Regionalregierung will die geplante Mine. Trotz des Widerstandes fast aller | |
Bürgermeister der Gemeinden in der Region. Auch der ehemalige spanische | |
Landwirtschaftsminister und derzeitige EU-Kommissar für Klimaschutz und | |
Energie, Miguel Arias Cañete, befürwortet das Projekt. „Hätte ich die 215 | |
Hektar nicht verkauft, wäre ich wohl zu einem wesentlich schlechteren Preis | |
enteignet worden“, sagt Rodríguez. | |
Er hat den Fall einem der Anwaltsbüro in der Hauptstadt Madrid gegeben, | |
einem der besten, wie er sagt. Nicht nur wegen der 400 Hektar. Berkeley und | |
das regionale Industrieministerium wollen ihn zwingen, Messstationen und | |
Probebohrungen auf seinen Flächen zuzulassen. Im Vertrag, der ihm | |
zugestellt wurde, ist von „ständigem Zugang“ und „Arbeiten, die notwendig | |
werden“ die Rede. „Es ist alles so vage gehalten, dass es einem Freibrief | |
gleichkommt, zu tun, was sie wollen“, schimpft Rodríguez. Er spüre | |
„Ohnmacht gegenüber der Verwaltung.“ | |
## Würden Sie neben einem Bergwerk baden? | |
Im Sommer lebt Fernando Rodríguez auf der Finca. In den anderen Monaten | |
kommt er jeden Tag aus der 45 Minuten entfernten Provinzhauptstadt | |
Salamanca. „In der Stadt ginge ich sonst ein“, sagt er. Stopp in der Bar La | |
Casablanca an der schmalen, entlegenen Landstraße ist ein festes Ritual. In | |
den Gesprächen am Tresen geht es immer um das Gleiche. „Wir leben | |
hauptsächlich von den Gästen des Thermalbades“, sagt Raquel Romo. Die | |
43-jährige Tochter der Wirtsleute betreibt den zur Bar gehörenden Laden. | |
Sie verkauft unter anderem Tassen und T-Shirts, auf denen „Für den besten | |
Enkel“ steht. Die mögen vor allem die vielen älteren Besucher des | |
Thermalbades. | |
Die Badeanstalt Balneario de Retortillo mit der schwefelhaltigen Quelle auf | |
der gegenüberliegenden Straßenseite ist über 110 Jahre alt. Seit die | |
überregionale Presse über die Pläne von Berkeley berichtet, kommen weniger | |
Gäste. „Das Hotel ist nur zur Hälfte ausgebucht“, sagen die Bediensteten … | |
der Rezeption. Auch Raquel Romo sagt, sie verkaufe viel weniger als noch | |
vor ein paar Jahren. Fast täglich riefen langjährige Besucher an. Sie | |
wollen wissen, ob die Mine bereits in Betrieb ist. | |
„Wenn der Uranabbau beginnt, kann das Thermalbad dicht machen, und wir | |
auch“, sagt Romo. Eigentlich wollte sie in wenigen Jahren, wenn ihre Eltern | |
in Rente gehen, neben dem Laden auch die Kneipe übernehmen. Aber wenn | |
Berkeley seine Mine baut, würde die bis auf wenige hundert Meter an die | |
Kneipe heranreichen. | |
Raquel Romo erzählt, wie vor ein paar Monaten ein hoher Angestellter des | |
Bergbauunternehmens in der Bar auftauchte. „Ihr könnt schon mal anbauen“, | |
habe der gesagt. Wenn wir die Mine aufmachen, werdet ihr hier Hunderte von | |
Arbeitern zum Essen haben und Beschäftigte, die hier übernachten wollen.“ | |
## Die Leute vom Bergwerk trinken woanders | |
Das Berkeley-Büro steht nur wenige hundert Meter entfernt, ein paar weißen | |
Container. Doch keiner der Angestellten wohne in den Dörfern ringsum, sagt | |
Raquel Romo. Und die Bar ihrer Eltern, kämen die normalerweise auch nicht. | |
Das Casablanca ist so etwas wie das Hauptquartier der Gegner des Uranabbaus | |
geworden. „Nein zur Mine. Ja zum Leben. Stoppt das Uran“, steht auf einem | |
Schild an der Fassade. Genara Moro kommt nach der Arbeit gerne hier vorbei. | |
Die 51-Jährige hat 2011 die Bürgerinitiative Stop Uranio mitgegründet. | |
Moro fürchtet um ihren Arbeitsplatz und den ihres Mannes. Sie putzt im | |
Thermalbad. Er züchtet Kälber und Schafe. Sie hat aber auch Angst vor dem | |
Staub einer offenen Uranmine, der würde sich Dutzende von Kilometer weit | |
verbreiten. Stop Uranio hat Daten aus anderen Uranregionen gesammelt und | |
ein stillgelegtes Bergwerk in Portugal besucht. Die Krebserkrankungen seien | |
dort sprunghaft angestiegen. Genara Moro und ihr Mann sind beide hier auf | |
dem Dorf aufgewachsen. Lange lebten sie in der Stadt, aber sie wollten | |
zurück aufs Land. Jetzt steht ihre ganze Lebensplanung in Frage. | |
Jesús Cruz steht neben Moro im Casablanca und sortiert Papiere. Auch er hat | |
Stop Uranio mitgegründet und ist heute so etwas wie das | |
Dokumentationszentrum der Initiative. Er betreut den Blog und die | |
Internetpräsenzen von Stop Uranio. Heute hat er einen Auftritt von | |
Francisco Bellón online gestellt, dem Generaldirektor des | |
Berkeley-Konzerns. Bellón gibt nur wenige Interviews. Dabei müsste er wenig | |
Angst davor haben. | |
Die meisten Medien berichten wohlwollend über sein Vorhaben, Berkeley | |
schaltet viele teure Anzeigen. Heute erzählt Bellón im Regionalfernsehen, | |
wie die Zukunft aussehen soll. Nach zehn Jahren Uranabbau werde Berkeley | |
„den Originalzustand wiederherstellen, oder gar die Situation verbessern“, | |
sagt der Mineningenieur. Und: „Wir werden das so hinterlassen, dass die | |
Viehzucht intensiver betrieben werden kann als bisher.“ | |
## Arsen, Nickel und Chrom im Fluss | |
Mit der Gemeindeverwaltung des 30 Kilometer entfernten Ortes Vitigudino hat | |
das Unternehmen einen Abkommen unterzeichnet, dort 20.000 bis 30.000 | |
Steineichen zu pflanzen, als Ausgleich für die alten Bäume, die derzeit | |
abgeholzt werden. | |
Cruz schüttelt nur den Kopf und zückt sein Notizbuch. „Hier habe ich die | |
Zahlen dessen, was die Mine in den Fluss Yeltes einleiten darf“, sagt er. | |
„15 Kilogram Arsen pro Jahr, 120 Kilo Nickel, 300 Kilo Zinn, 50 Kilo | |
Chrom.“ Der Yeltes, der sowohl durch die Finca von Fernando Rodríguez als | |
auch durch das Gelände des Thermalbades fließt, mündet 40 Kilometer weiter | |
in den Duero. Dieser Fluss dient zur Bewässerung des wichtigsten | |
Weinbaugebietes im benachbarten Portugal und versorgt die zweitgrößte Stadt | |
des Landes, Porto, mit Trinkwasser. „Was passiert, wenn es zu einem Unfall | |
kommt“, fragt Jesús Cruz. | |
Eine Sache verstehen er und die anderen Gegner des Uranabbaus überhaupt | |
nicht. „Das staatliche Unternehmen Enusa hat bereits vor Jahren aufgehört, | |
hier zu forschen“, sagt Cruz. Das Uran sei von niedriger Konzentration und | |
deshalb nicht rentabel. 0,02 Prozent hat es laut veröffentlichter Studien. | |
In Kanada gibt es Minen mit bis zu 19 Prozent. | |
Bei Stop Uranio haben sie eine Erklärung für diesen Widerspruch. „Berkeley | |
sind reine Spekulanten“, sagen Jesús Cruz und Genara Moro. Das Unternehmen | |
betreibe keine Minen, so haben sie es recherchiert. Berkeley gehört zum | |
weitverzweigten Imperium rund um das australische Konsortium Polo | |
Resources. Sein Geschäftsmodell ist die Erschließung von Lagerstätten, um | |
sie zu hohem Preis weiter zu verkaufen. Doch dieses Mal scheint das nicht | |
so einfach zu sein. Ein koreanisches und ein russisches Unternehmen haben | |
sich das Projekt angeschaut, aber nicht gekauft. | |
## Ist das alles nur ein Schwindel? | |
Sowohl Polo Resources als auch Berkeley-Konzern eilt ein zweifelhafter Ruf | |
voraus. Mehrere Verantwortliche arbeiteten einst für das Unternehmen | |
UraMin. Die Gesellschaft, die drei Uranlagerstätten in Afrika ihr eigen | |
nannte, wurde 2007 vom französischen Staatskonzern Areva gekauft. Die | |
Lagerstätten waren aber von so schlechter Qualität, dass Areva den | |
Kaufpreis von 1,8 Milliarden Euro und weitere Investitionen komplett | |
verlor. | |
Auch Fernando Rodríguez hat davon gehört. „Vielleicht wird die Mine ja | |
tatsächlich nie eröffnet“, hofft er. „Vielleicht dienen ja all die | |
Aktivitäten, wie der Bau des Auffangbeckens, die Rodungen und auch die | |
Sondierungen, die Berkeley auf meinem Gelände durchführen will, nur dazu, | |
den Investoren vorzumachen, dass es vorwärts geht.“ | |
Ein schwacher Trost. Denn wenn Berkeley irgendwann tatsächlich scheitern | |
sollte, bleibt trotzdem eine zerstörte Landschaft zurück. Rodríguez | |
schließt das Tor zur Finca. „Jetzt, wo sie mir damit drohen, auf meinen | |
Gelände zu wollen, lege ich immer die Kette vor“, sagt er. „Wenn sie sich | |
dennoch Zugang verschaffen sollten, werde ich sie anzeigen.“ | |
18 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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