# taz.de -- US-Brennstoffe in ukrainischen AKWs: Umstieg mit Risiko | |
> Kiew setzt auf US-Material, um unabhängiger von Russland zu sein. Der | |
> Einsatz in Kraftwerken sowjetischer Bauart ist gefährlich, sagen | |
> Fachleute. | |
Bild: Anfang Dezember gab es einen Zwischenfall im Atomkraftwerk Saporoschja. | |
BERLIN taz | Ein Mercedes fährt auch nicht mit Ersatzteilen von BMW: So in | |
etwa lautet die Kritik sowohl von Fachleuten aus der Atomwirtschaft als | |
auch von Umweltschützern an der Entscheidung der ukrainischen Regierung, | |
die 15 Atomreaktoren im Land mit US-amerikanischen Brennstäben auszurüsten. | |
Denn die Atomkraftwerke und die Brennstäbe sind sowjetischer Bauart und | |
dementsprechend aufeinander abgestimmt. | |
Kiew will auf US-amerikanische Brennstäbe umrüsten, um unabhängiger von | |
russischen Brennstäben und Atom-Know-how zu sein – nicht zuletzt wegen der | |
Krimkrise. Immerhin erzeugt die Ukraine 47 Prozent ihres Stroms mit | |
Nuklearenergie. | |
„Für ein gefährliches Spiel“ hält etwa die ukrainische Journalistin und | |
Atomkraftgegnerin Alla Jaroschinskaja den Einsatz US-amerikanischer | |
Brennstäbe in den AKWs der Ukraine. Auch beim mysteriösen Vorfall im AKW | |
Saporoschja könnten die Brennstäbe des US-Herstellers Westinghouse eine | |
Rolle gespielt haben, vermutet Jaroschinskaja, die 1992 für ihre | |
Veröffentlichungen zu Tschernobyl mit dem Alternativen Nobelpreis | |
ausgezeichnet wurde. Am 3. Dezember hatte Premierminister Arseni Jazenjuk | |
von einem „Atomunfall“ in Europas größtem Atomkraftwerk gesprochen – und | |
damit Sorgen in ganz Europa hervorgerufen. Erst Stunden später schob | |
Energieminister Wolodimir Demtschischin nach: „Es gibt keine Probleme mit | |
den Reaktoren.“ | |
Der US-Konzern Westinghouse bemüht sich schon seit Jahren, von den | |
Vorbehalten osteuropäischer Länder gegenüber dem russischen Staatskonzern | |
Rosatom zu profitieren. Die Amerikaner haben deshalb eigens Brennstäbe für | |
Kraftwerke sowjetischer Bauart entwickelt. „Problemlos“, sagt | |
Jaroschinskaja, „war diese Zusammenarbeit jedoch nie.“ Erst 2012 hatte sich | |
die Ukraine nach Problemen mit dem Material im AKW Südukraine entschlossen, | |
die US-Brennstäbe vorerst nicht mehr einzusetzen. | |
Jetzt werden die Brennstoffe bereits wieder in AKWs ausgetestet. Dabei | |
haben auch Ingenieure Vorbehalte gegenüber den US-Brennstäben, so wie Boris | |
Kostjukowskij vom Büro für komplexe Analysen und Prognosen: Die Tests mit | |
dem US-Material, zitiert ihn das Internetportal Odessamedia.net, seien | |
„gefährlich“, da der Brennstoff nicht zertifiziert sei. Man habe sich für | |
die Westinghouse-Produkte „allein aus politischen Gründen entschieden“. | |
## Engpässe bei Gas, Kohle und Strom | |
Doch die Umrüstung läuft weiter. Bis 2017 will Premierminister Jazenjuk den | |
Umstieg auf US-amerikanische Brennstäbe vollzogen haben. Vor allem seit der | |
Annexion der Krim setzt Kiew wieder auf Westinghouse. | |
Einhellig ist die Ablehnung der US-Brennstäbe nicht. Pawlo Chasan, | |
ukrainisches Vorstandsmitglied der Umweltschutzorganisation Friends of the | |
Earth Europe, setzt sich dafür ein, die atomare Zusammenarbeit mit Russland | |
so rasch wie möglich zu beenden. Er hält die US-Produkte für das geringere | |
Übel. Er verstehe nicht, wie man mit dem Konzern eines Staates | |
zusammenarbeiten könne, der Krieg gegen die Ukraine führe. „Ich habe die | |
Befürchtung, dass Putin Terroristen den Befehl geben könnte, einen Anschlag | |
auf ein ukrainisches Atomkraftwerk zu verüben“, sagt Chasan. | |
Die Ukrainer fürchten indes im laufenden Winter Engpässe bei Gas, Kohle und | |
Strom. In den ersten elf Monaten des Jahres 2014 hatte die Ukraine 19 | |
Prozent weniger Kohle gefördert als im Vergleichszeitraum des vergangenen | |
Jahres. Viele Bürger haben sich zur Sicherheit mit Durchlauferhitzern und | |
Elektroöfen eingedeckt, die den Strombedarf an den kalten Tagen weiter in | |
die Höhe treiben dürften. So könnte erneut ein „Vorfall“ wie im AKW | |
Saporoschja drohen – Experten vermuten nämlich, dass sich Reaktorblock 3 | |
automatisch abschaltete, weil der Strombedarf zu hoch war. | |
Ein weiterer Umstand verschärft die Lage: Wegen der geringen Niederschläge | |
im vergangenen Winter und Frühjahr liefern die Wasserkraftwerke derzeit | |
über ein Drittel weniger Energie als zu Normalzeiten. | |
17 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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