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# taz.de -- Sozialdemokraten und Freihandel: SPD meutert gegen Ceta
> Der Parteilinke Miersch empfiehlt, gegen das EU-Abkommen mit Kanada zu
> stimmen. Damit bringt er Obergenosse Gabriel in die Bredouille.
Bild: Anti-Freihandelsdemonstration vor der Berliner SPD-Zentrale
Berlin taz | Die SPD zerlegt sich weiter wegen Ceta. Einen Monat vor dem
SPD-Parteikonvent, der über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und
Kanada entscheiden soll, bekommen die Gegner des Abkommens weiter
Rückenwind. Der Sprecher der parlamentarischen SPD-Linken und Jurist
Matthias Miersch kommt nach Lektüre des 500 Seiten dicken Vertrags zu dem
Fazit, dass Ceta „die von Parteitag und Parteikonvent gezogenen roten
Linien in zentralen Punkten“ nicht einhalte. „Aus meiner Sicht kann kein
sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments diesem Abkommen in der
vorliegenden Fassung zustimmen“, schreibt Miersch.
Damit wird wahrscheinlicher, dass der kleine Parteitag am 19. September in
Wolfsburg Ceta abschmettert. Dabei gilt es als Blaupause für den noch
umstritteneren Vertrag mit den USA, TTIP. Von Ceta hängt womöglich auch die
politische Zukunft von Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
ab. Wenn die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September und
Berlin am 18. September für die SPD schiefgehen und dann Ceta gegen
Gabriels erklärten Willen in Wolfsburg floppt, ist sein Anspruch auf die
Kanzlerkandidatur kaum noch durchzusetzen.
„Wir führen Politik ad absurdum, wenn sachliche Kritik sofort mit der Frage
verknüpft wird, Gabriel ja oder nein“, sagt Miersch zur taz. Und übt in
seiner Analyse Fundamentalopposition an entscheidenden Teilen des
Abkommens.
Beispiel Investitionsschutz. Auf Drängen Gabriels und der EU-Kommission
hatte sich die neue kanadische Regierung unter Premier Justin Trudeau dazu
bereit erklärt, den bereits fertigen Text neu zu verhandeln. Aus den von
vielen als intransparent empfundenen privaten Schiedsgerichten, vor denen
Konzerne Staaten verklagen können, wenn deren Entscheidungen Gewinne
schmälern, wurde so ein öffentlicher Schiedsgerichtshof mit
Berufungsmöglichkeit.
## Investitionsschutz umstritten
Dennoch empfiehlt Miersch, den Investitionsschutz „gänzlich“ aus Ceta „zu
streichen“. Dass ausländische Konzerne laut Vertrag eine „gerechte und
billige Behandlung“ genießen sollen, könnten diese dazu nutzen, das
Gesetzgebungsrecht von Staaten einzuschränken. Bernd Lange, auch in der SPD
und Chef des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, war in seiner
Ceta-Analyse zu einer gegenteiligen Einschätzung gekommen. Der Gerichtshof
sei ein „großer Fortschritt“.
Auch in der Frage der gesetzgeberischen Kooperation zwischen der EU und
Kanada kommen die SPD-Granden zu unterschiedlichen Urteilen. Ceta schaffe
eine Vielzahl von Sondergremien, „deren Zusammensetzung höchst fraglich“
sei, kritisiert Miersch. Vor allem im „gemischten Ceta-Ausschuss“ sieht er
„eindeutig eine Einschränkung des Gesetzgebungsrechts der Parlamente“. Dem
Gremium, das über künftige Handels- und Investitionsregelungen beraten
soll, erhalte „judikative und legislative Befugnisse“. Lange hingegen
betont, es tage nur „auf freiwilliger Basis und ohne bindende Wirkung auf
parlamentarische Entscheidungen“.
Neben Mierschs Unterbezirk Hannover haben sich inzwischen auch die
SPD-Landesverbände Bayern und Bremen sowie die Jusos gegen Ceta
positioniert, auch an der Parteibasis ist das Abkommen unbeliebt. „Trotz
der Verbesserungen – wir wollen was anderes“, sagt Juso-Chefin Johanna
Uekermann. Sie begrüßt das Miersch-Papier, will damit aber auch nicht den
Parteichef demontiert sehen: „Ceta ist eine Sachfrage. Personalfragen muss
man davon lösen.“ In der Partei erinnern sich viele noch mit Horror an den
hitzigen SPD-Konvent 2015, als es um die Vorratsdatenspeicherung ging.
Lange sagt, er wolle Ceta in Wolfsburg nicht „mit Hurra-Patriotismus
durchwinken“. In der SPD gilt als möglich, dass das Abkommen mit Auflagen
empfohlen wird. Dann müsste Gabriel auf neue Verhandlungen mit Kanada
drängen.
17 Aug 2016
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
Sigmar Gabriel
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Freihandel
CETA
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