| # taz.de -- Kolumne Rollt bei mir: Getätschelt von den Plastikzungen | |
| > Einkaufen im Supermarkt: Kein Vergnügen, wenn man mit dem Rollstuhl | |
| > unterwegs ist – denn kaum etwas ist behindertengerecht konstruiert. | |
| Bild: Einkaufswagen schieben? Is nich | |
| Der Supermarkt. Ein Ort, an dem nichts dem Zufall überlassen wird, um den | |
| Kunden zum Kauf zu verführen. All die Markenprodukte ziehen auf Augenhöhe | |
| an ihm vorbei und wollen mitgenommen werden. Aber: Augenhöhe bedeutet nicht | |
| Rollstuhlhöhe. | |
| Und so rolle ich durch die Gänge, während die schick designten Verpackungen | |
| über meinem Kopf an mir vorbeiziehen. Ich sehe dann weiter unten die | |
| schlichteren Zwillinge, welche nicht schick, aber dafür deutlich günstiger | |
| sind. Als RollstuhlfahrerIn bleibt man quasi von der Magie der Werbung | |
| verschont. | |
| Nur heißt es für RollstuhlfahrerInnen: erst mal reinkommen. Bei manchen | |
| Märkten bedeutet das, über den Kopf getätschelt zu werden von den | |
| Plastikzungen. Das sind diese meist orangfarbenen Dinger, unter denen | |
| andere Leute ihren Einkaufswagen durchschieben. Denn das Drehkreuz daneben | |
| ist für den Rollstuhl zu schmal. Eine entwürdigende und schmuddelige | |
| Angelegenheit. | |
| Hat man es reingeschafft, beginnt der Parcours. Zwischen Menschen, die die | |
| bunten Markenprodukte betrachten, und deren Einkaufswagen gilt es, sich | |
| einen Weg zu bahnen. Dann kommen alle zwei Meter die Körbchen mit schön | |
| angerichteter Sonderware, die dem Kunden im Weg stehen sollen, um ihn zum | |
| Kauf zu animieren. Ein zusätzliches Hindernis – die Sachen kaufen? Nicht | |
| mit mir. | |
| ## „Arme Behinderte“ | |
| Als RollstuhlfahrerIn kann man schlecht einen Einkaufswagen vor sich | |
| herschieben oder einen Korb tragen, also wird alles auf dem Schoß oder in | |
| Taschen (die armen Behinderten werden schon nichts klauen) verstaut und das | |
| Ziel, die Kasse, anvisiert. Das richtige Stapeln habe ich in jahrelanger | |
| Übung perfektioniert. | |
| Vor der Kasse gibt es noch die Schlange. Man wird manchmal vorgelassen (die | |
| arme Behinderte mit ihrem ganzen Kram auf dem Schoß) und manchmal auch | |
| angestarrt (die arme Behinderte kauft alleine ein, ach Gottchen). Dann ist | |
| man an der Kasse dran – und steckt fest. | |
| Der Gang an der Kasse vorbei ist für manchen Rollstuhl zu schmal. Der | |
| absolute Horror, man muss die ganze Schlange hinter sich aufscheuchen und | |
| irgendwie rückwärts rauskommen und sich noch mal an einer breiteren Kasse | |
| anstellen – wenn es sie denn gibt. | |
| Bezahlen. Als Mensch mit einer Behinderung fühle ich mich nicht frei, in | |
| Ruhe das Kleingeld abzuzählen, um passend zu zahlen. Ich spüre die Blicke | |
| und male mir die Gedanken aus: Typisch behindert, kann nicht zählen, wie | |
| lange dauert das bloß noch? Mit Karte zu zahlen ist auch schwierig, weil | |
| die Automaten, an denen man seine PIN eingeben muss, meistens nicht | |
| abgesenkt werden können. Mit Mühe und Not verdecke ich das Gerät mit der | |
| einen Hand und tippe mit der anderen ein. | |
| Und wenn man nichts gefunden hat und den Laden verlassen möchte? Sich an | |
| der Schlange vorbeizudrängen ist unmöglich, ohne den Hausfrauenmob | |
| aufzuscheuchen, der akribisch darauf achtet, dass niemand ihnen den Platz | |
| in der Schlange streitig macht. Es gibt nur eine Möglichkeit: Sich mit | |
| Quängelware, also dem Süßzeug an der Kasse, einzudecken. Endlich mal | |
| ausschließlich auf Augenhöhe einkaufen. | |
| 29 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Judyta Smykowski | |
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