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# taz.de -- Kolumne Rollt bei mir: Zauberwort „Inklusion“
> Wer das Wort „Inklusion“ ausspricht, möchte etwas zurück. Aber unsere
> Kolumnistin hat keine Zeit, sich bei jedem zu bedanken, der Gutes tut.
Bild: „Nur weil ich im Rollstuhl sitze, muss ich ja nicht an jeder Schlange v…
Inklusionstagungen sind so eine Sache für sich. Gut, dass es sie gibt,
keine Frage. Zuweilen aber auch eine Mischung aus Grüner-Parteitag in den
70er-Jahren ‚Wir stricken uns eine friedliche Welt‘-mäßig. Da kommen Leut…
die sagen „Es ist an der Zeit, dass Wir/die Politik/die anderen/
Irgendjemand mal was tut“ und auch solche, die absolute
Inklusions-Spitzenausüber sind.
Sie haben jeden Knigge verinnerlicht. Sie wissen genau, was ich als
nächstes tun werde, sie reichen mir eine Kaffeetasse, bevor ich überhaupt
ausspreche, dass ich Lust auf Kaffee hätte. Außerdem zeichnen sie sich
dadurch aus, dass sie andere Teilnehmer*innen regelrecht anmotzen und
belehren, dass ich ja einen Kaffee möchte und sie so frech waren sich
vorzudrängeln. Aber nur weil ich im Rollstuhl sitze, muss ich ja nicht an
jeder Schlage vorbei gewunken werden. Das ist keine Inklusion, es ist mir
einfach nur peinlich, wenn andere für mich sprechen.
Dann gibt es diejenigen, die viel Lob erwarten. Viel Lob für ihr Engagement
und ihr gelebtes Inklusionsverständnis. Mit Leib und Seele, jawohl! Dabei
vergessen sie, dass Inklusion ein sehr langer Prozess ist, an dem alle
Menschen, egal welchen Geschlechts, Hautfarbe, Religion oder eben
Behinderung, beteiligt werden. Denn das Ziel ist das Zusammenleben und die
Teilhabe an der Gesellschaft ausnahmslos aller Menschen, egal wie
verschieden sie sein mögen.
## Geben, nicht erwarten
Zurück zu denen, die Lob erwarten. Eine Erwartungshaltung einzunehmen ist
in jeder Situation bescheuert, man kann eigentlich nur enttäuscht werden.
Denn andere Menschen mit Behinderung und ich haben gar nicht die Zeit, sich
bei jedem zu bedanken, der etwas Gutes tut. Übrigens ist das auch nicht
unsere Aufgabe. Jeder macht es freiwillig. Das Credo lautet doch in jeder
zwischenmenschlichen Beziehung: geben und nicht erwarten, dass man etwas
zurück bekommt, sonst wird man enttäuscht.
Dann gibt es diejenigen, meistens aus den Tiefen der Verwaltung der Städten
und Gemeinden, die im Jahr 2016 auch mal „das mit der Inklusion“ angehen
müssen. Die Anordnung kam von oben. Sie schreiben fleißig mit: man braucht
für eine barrierefreie Internetpräsenz Untertitel, Audiodeskription,
Gebärdensprache und die Gestaltung der Seite muss so erfolgen, dass sie vom
Screenreader für blinde Menschen vorlesbar ist. Sie sagen zu mir: ‚Wir
haben uns ganz genau vorbereitet auf das Sommerfest. Ein Fest für alle.
Rampen und Gebärdensprachdolmetscher sind da.‘
Aber wenn ich sie dann auf das Popkonzert auf dem Rathausplatz anspreche,
dann heißt es „also alles kann man natürlich auch nicht zugänglich machen.…
Behinderte Menschen hätten sich gefälligst anzumelden, damit man das planen
könne. Andere kommen wiederum zu mir und sagen: „Vielen Dank für den Input,
so habe ich das Ganze noch nicht betrachtet und werde es in Zukunft
beherzigen.“ Solche Reaktionen sind die schönsten.
Den Vogel schoss dann wiederum eine Teilnehmerin auf einer Tagung ab. Sie
fragte in den Raum: Wer ist denn von den Anwesenden alles behindert? Ich
wäre ja gerne aufgestanden, aber es war in meinem Rollstuhl gerade so
gemütlich.
6 Jul 2016
## AUTOREN
Judyta Smykowski
## TAGS
Inklusion
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