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# taz.de -- Terror in Bangladesch: Anschlag der Elite auf die Elite
> Der islamistische Terror in Bangladesch hat die gut beschützte Elite
> erreicht. Diese ist verstört: Die Täter stammen offenbar aus ihrem
> Milieu.
Bild: Gedenken an die Opfer des Anschlags in Dhaka
Berlin taz | Auf der einen Fotoreihe lachen sie alle. Es sind freundliche
Gesichter, die direkt in die Kamera schauen: fünf der sieben Attentäter von
Dhaka, in schwarzem Gewand, auf dem Kopf ein rotes Palituch und in der Hand
eine Maschinenpistole. Hinter ihnen hängt eine IS-Flagge. So sollen die
dschihadistischen Täter aus Bangladesch in Erinnerung bleiben – wenn es
nach dem Willen der IS-Propaganda ginge.
Vier der so abgebildeten sind tot und sie haben viele Leben auf dem
Gewissen. Am Samstagmorgen beendete das bengalische Militär eine
zehnstündige Geiselnahme in einem Restaurant in der Hauptstadt Dhaka. Die
Nacht hat 28 Menschen das Leben gekostet. Unter den 20 getöteten Geiseln
sind zwei Bangladescher, aber vor allem Ausländer: Neun Italiener, sieben
Japaner, eine Inderin und eine US-Amerikanerin. Zwei Polizisten starben,
die bereits zu Beginn des Abends erfolglos versuchten das Restaurant zu
stürmen. Und sechs Dschihadisten wurden erschossen. Einer sei gefasst
worden, berichteten die Sicherheitskräfte bei einer Pressekonferenz am
Samstag.
[1][Am Freitagabend hatten die jungen Männer das spanische Restaurant]
Holey Artisan Bakeryim Diplomatenviertel Gulshan mit Schwertern,
Maschinenpistolen und Bomben gestürmt. „Gott ist der Größte“, riefen sie
dabei auf Arabisch. Zeugen berichteten, dass sie Bangladeschern im
Restauran zusicherten, ihnen würde nichts geschehen: „Wir sind hier, um
Nichtmuslime zu töten und diejenigen, die die muslimische Welt zerstören“.
Die Täter hätten die Geiseln aufgefordert, den Koran zu rezitieren, hieß
es. Wer dies nicht konnte, sei gefoltert worden. Eine Geisel erzählte, wie
die anderen zur Hinrichtung abgeführt wurden. Laut Armee wurden sie mit
Hiebwaffen ermordet, nicht erschossen.
Nachdem die Täter den ersten Angriff der Polizei erfolgreich abgewehrt
hatten, zogen sich die Sicherheitskräfte zurück. Es wurden
Sondereinsatzkommandos und paramilitärische Soldaten angefordert,
schließlich wurde eine Elitetruppe der Armee eingeflogen, die am Morgen das
Gebäude mit gepanzerten Wagen angriff. Sie befreiten dreizehn Geiseln,
darunter zehn Bangladescher, zwei Sri Lankaner und einen Japaner, die
restlichen Geiseln seien schon lange zuvor tot gewesen.
## Restaurant war einer von wenigen Freiräumen
Seitdem gibt es Fotos, die die Täter anders zeigen: Blutverschmiert und mit
leerem Blick liegen sie auf dem Rasen vor dem Restaurant auf den Aufnahmen
der Forensiker. Sie sind jung, Anfang zwanzig, in Bundfaltenhosen und
T-Shirts gekleidet, die Anzeichen ihrer dschihadistischen Identität, die
Palitücher, Gewänder und Flaggen fehlen. Sie sehen aus wie gewöhnliche
Kriminelle.
Der Terror trifft nun nicht mehr nur die arme ländliche Bevölkerung,
sondern sogar die gut geschützten Villenviertel der Reichen. Zudem stammen
die Täter allem Anschein nach aus ihrem eigenen Milieu. Unbestätigten
Angaben zufolge waren drei ehemalige Schüler von teuren englischsprachigen
Privatschulen, mindestens zwei hatten zudem an einer Universität in
Malaysia studiert, einer ist offenbar der Sohn eines Kommunalpolitikers der
Regierungspartei Awami Liga.
„Das ist der Kumpel meines jüngeren Bruders“, „mit denen habe ich Fußba…
gespielt“, „sie waren ja noch Kinder“ – auf Facebook schildern zahlreic…
Bangladescher ihre Verbindungen zu den Tätern und ihren Schock, dass diese
nun einen der tödlichsten Anschläge in Bangladesch durchgeführt haben.
Es kursiert eine weitere Reihe von Fotos, die die Täter im Kreise ihrer
Familie oder mit ihren Freunden zeigen. Sie lachen, drehen lustige Videos,
einer schreibt: „Jedes Leben ist kostbar“. Wie werden solche Jungen zu
Folterern und Mördern? Auf diese Frage gibt es noch keine Antwort. Mehrere
von ihnen wurden offenbar seit Monaten vermisst. Von einem gibt es eine
Suchanzeige von Anfang des Jahres, der Vater eines anderen postete erst vor
zwei Wochen ein Foto seines Sohnes und schrieb darüber: „Wann kehrst du
zurück?“.
In sozialen Medien erzählen Ausländer wie Bangladescher von ihren Besuchen
in dem Restaurant. Es sei eine der wenigen Freiräume in der Stadt gewesen,
wo Kinder im Freien auf dem Rasen spielen konnten. Es gab europäisches
Gebäck zu kaufen und teuren Kaffee. Ein Kontrapunkt in einer
überbevölkerten Millionenstadt mit schlimmen Smogproblemen und wenig Grün.
## Regierung spielt internationale Verbindungen herunter
Nun hat der Terror sie eingeholt. „Es sieht aus wie ein Kriegsgebiet“,
schrieb ein Anwohner, als die Armeepanzer noch auf dem Rasen standen.
Islamistischer Terror ist in Bangladesch nicht neu, war aber bisher kaum
international vernetzt. Im Unabhängigkeitskrieg 1971 kollaborierten
islamistische Milizen mit der pakistanischen Armee und begingen schwere
Kriegsverbrechen. In den 90er Jahren, als in Indien Hindunationalisten die
Babri-Moschee zerstörten, verübten fundamentalistische Muslime Pogrome an
Hindus. Die Schriftstellerin Taslima Nasrin, die die Pogrome in ihrem Buch
„Lajja“ („Scham“) beschrieb, verurteilten sie zum Tode. Sie floh und le…
seitdem im Exil.
Pogrome gegen Hindus gab es erneut, als 2001 eine Regierung mit Beteiligung
der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami an die Macht kam. Im August 2005
ließ die islamistische Miliz Jamaatul Mujahideen Bangladesh (JMB) im ganzen
Land gleichzeitig 500 Bomben hochgehen. Dabei starben zwei Menschen, 115
wurden verletzt. Danach griff die Regierung hart gegen JMB durch, ihr
Anführer wurde festgenommen, zum Tode verurteilt und gehängt.
Doch seit einem knappen Jahr tritt die Gruppe wieder in Erscheinung und
nennt sich „Islamischer Staat“. Die Geiselnehmer dieses Wochenendes gehören
offenbar dieser Gruppe an. Seit Herbst 2015 hat sie nach eigenen Angaben 28
Menschen ermordet, vor allem „Ungläubige“ (religiöse Minderheiten, vor
allem Hindus) und „Kreuzfahrer“ (Ausländer). Der IS in Syrien und Irak
erkennt sie auch als Ableger an: Erst im April wurde ihr Anführer in der
IS-Propagandazeitschrift Dabiq interviewt.
Die Regierung versucht derzeit, die internationalen Verbindungen der Gruppe
herunterzuspielen. Die Täter seien Einheimische, sagte der Innenminister
Asaduzzaman Khan am Sonntag. „Sie haben keine Verbindungen zum Islamischen
Staat.“ Zugleich berichtet die Tageszeitung The Daily Star unter Verweis
auf hochrangige Polizeistellen, dass es eine neue Generation von
Terroristen gibt: Effizient, hochausgebildet und eng mit internationalen
Terrorgruppen vernetzt. „Wir haben Einblicke in die IS-Gruppe bekommen“,
sagte ein Beamter der Zeitung. „Es wird aber dauern, bis wir sie unter
Kontrolle haben.“
3 Jul 2016
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## AUTOREN
Lalon Sander
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