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# taz.de -- Gesetzentwurf zu Hartz-IV-Regelungen: Weniger Geld für Alleinerzie…
> Sozialgeld soll unter getrennten Elternteilen gesplittet werden, pro Tag
> bis zu 10,20 Euro weniger. Experten halten das für nicht alltagstauglich.
Bild: Der neue Hartz IV-Gesetzentwurf benachteiligt vor allem Alleinerziehende
Berlin taz | Antje Asmus vom Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter
setzt ihre ganze Hoffnung auf die Öffentlichkeit. Proteste, Einwürfe, Veto.
Gegen einen Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), der
Hartz-IV-Regelungen ändern und am heutigen Montag im zuständigen
Bundestagsausschuss zur Expertenanhörung auf der Tagesordnung steht.
In dem Änderungsantrag zum Sozialgesetzbuch II geht es auch um
Alleinerziehende sowie getrennt lebende Eltern. Diese würden durch das
Nahles-Papier benachteiligt, kritisiert Asmus. Künftig könnte das
Sozialgeld für ein Kind nicht mehr die Person vollständig erhalten, bei der
sich das Kind vorwiegend aufhält, sondern auf beide Elternteile verteilt
werden. Gesplittet nach den Tagen, die das Kind tatsächlich entweder bei
der Mutter oder beim Vater verbringt. So jedenfalls steht es in den
Formulierungshilfen für die Gesetzesänderung, die selbst in der Koalition
heftig umstritten sind und daher nur mit spitzen Fingern angefasst werden.
Für Hartz-IV-Mütter – in neun von zehn Fällen ist der alleinerziehende
Elternteil die Mutter – wäre das eine mitunter schmerzhafte Einbuße an
Sozialgeld. Auch dann, wenn der Vater ein Arbeitseinkommen hat und selbst
gar nicht auf Hartz IV angewiesen ist.
Der Vorstoß hat unter Fachleuten und Lobbygruppen Empörung ausgelöst, die
Bundesarbeitsgemeinschaft der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hat
einen offenen Brief an Nahles geschrieben. „Ein absurdes Verfahren, das die
Alltagspraxis für alle Beteiligten erschweren wird“, heißt es in dem
Schreiben: „Es gibt kein Einsparpotenzial bei alleinerziehenden
Hartz-IV-Familien, denn sie gehören ohnehin schon zur ärmsten Gruppe
unserer Gesellschaft.“
## 39 Prozent der Alleinerziehenden bekommen Hartz IV
In Euro bedeuten die vorgesehenen Änderungen: Pro Tag, den ein 6- bis
14-jähriges Kind nicht bei der Mutter verbringt, wird der Kleinfamilie das
Sozialgeld um je 9 Euro gekürzt. Bei 14- bis 18-Jährigen wären es täglich
10,20 Euro weniger. „Das ist Verwaltung des Mangels“, kritisiert Asmus. 39
Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern beziehen Hartz IV.
Nun mögen die Kosten beispielsweise für Essen geringer sein, wenn das Kind
nicht da ist. Doch grundsätzliche Ausgaben für Miete, Strom, Heizung,
Telefon bleiben unverändert. Solche Kosten hat der andere Elternteil
natürlich auch. Es muss zwei Kinderzimmer geben, zwei Betten, Kleidung in
beiden Haushalten, Spielzeug, Schulmaterial. Das allerdings ist bei den
Hartz-IV-Sätzen bislang nicht ausreichend berücksichtigt.
„Solange für Kinder getrennt lebender Eltern im Sozialgeldbezug kein
Umgangskinder-Mehrbedarf anerkannt wird, kommt es regelmäßig zu einer
Bedarfsunterdeckung“, kritisiert der VAMV. Unbürokratisch formuliert: Der
Hartz-IV-Satz für getrennt lebende Eltern muss höher sein.
Der Juristinnenbund erkennt ein weiteres Problem: Die bei vielen getrennten
Paaren ohnehin schon angespannte Kommunikation könnte noch schwieriger
werden. Zudem werde das gemeinsame Sorgerecht gegen finanzielle Interessen
ausgespielt. Es sei zu befürchten, dass selbst jene Mütter, die sich jetzt
unvoreingenommen das Sorgerecht mit dem Expartner teilen, das jetzt nicht
mehr machen – aus Angst, noch weniger Geld zu haben.
## Gesetz schürt Streit zwischen Elternteilen
Das missfällt auch Väterverbänden. Die Männer befürchten, ihre Kinder nicht
mehr so häufig sehen zu können. „Was wir brauchen, ist eine Erfassung der
Lebensrealität von Familien“, sagte Markus Witt vom Verein Väteraufbruch
für Kinder.
Massive Kritik am Nahles-Papier kommt erwartungsgemäß von der Opposition.
Mit der Gesetzesänderung „gefährdet die Bundesregierung weiterhin das
Existenzminimum von Kindern alleinerziehender Eltern“, beklagt Franziska
Brantner, familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Zudem
schüre das Gesetz „Streit zwischen den Elternteilen“. Alleinerziehende
würden es sich unter diesen Umständen zweimal überlegen, ob sie den Umgang
mit dem Vater ausweiten.
„Warum belasten Sie Alleinerziehende, die zu 40 Prozent voll oder ergänzend
auf Hartz IV angewiesen sind, mit diesem Gesetz so enorm?“, fragt Matthias
Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Das
Änderungsgesetz, das eigentlich die Hartz-IV-Bürokratie verringern soll,
soll am 1. August in Kraft treten.
30 May 2016
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Hartz IV
Alleinerziehende
Gesetzentwurf
Sozialpolitik
Andrea Nahles
Andrea Nahles
Kinderarmut
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Väterrecht
Kinderbetreuung
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