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# taz.de -- Armutsrisiko Kinder: Weiblich, alleinerziehend, arm
> Mit speziellen Programmen soll Alleinerziehenden geholfen werden, einen
> Job zu finden. Das funktioniert aber nur schleppend. Das Armutsrisiko ist
> sogar angestiegen.
Bild: Arme Mütter, arme Kinder: Immer mehr Kinder von Alleinerziehenden leben …
BERLIN taz | Alleinerziehend und arm – immer noch muss man diese zwei
Adjektive zusammen denken, wie am Mittwoch veröffentlichte Zahlen der
Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigen. Während 2011 in Deutschland knapp elf
Prozent aller Privathaushalte Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) bezogen,
waren es unter den Alleinerziehenden-Haushalten immer noch knapp 40
Prozent.
Auf Ursula von der Leyen (CDU) wartet also noch ein gutes Stück Arbeit:
2010 hatte die Bundesarbeitsministerin erklärt, arbeitslose
Alleinerziehende seien „bisher am Rand liegen gelassen“ worden, das werde
sie ändern. Seither sind die Jobcenter angehalten, sich verstärkt um diese
Gruppe zu kümmern.
Betroffen sind vor allem Frauen: 95 Prozent der rund 617.000
Alleinerziehenden, die 2011 auf Hartz IV angewiesen waren, sind weiblich.
Stecken sie in Weiterbildungen oder haben Kinder unter drei Jahren, müssen
die Mütter und wenigen Väter dem Arbeitsmarkt aber nicht zur Verfügung
stehen. So bleiben offiziell 280.021 Arbeitslose übrig, von denen wiederum
90 Prozent Hartz IV bekommen.
Mit drei zeitlich begrenzten Programmen, die unter dem Dach des
Bundesarbeitsministeriums (BMAS) laufen, soll ihnen noch bis Ende 2013
unter die Arme gegriffen werden: Die Initiativen „Netzwerke wirksamer
Hilfen für Alleinerziehende“, „Gute Arbeit für Alleinerziehende“ und
„Beschäftigungschancen für Alleinerziehende“ stellen mithilfe des
Europäischen Sozialfonds (ESF) insgesamt 85 Millionen Euro zur Verfügung,
um bei der Jobsuche zu helfen, Arbeitgeber zu sensibilisieren und lokale
Netzwerke für die Kinderbetreuung zu knüpfen. Das Bundesfamilienministerium
vergibt zudem bis Ende 2014 ESF-Gelder zur Anstellung von Tagesmüttern.
## Arbeitslosenzahlen sinken seit Jahren
Seither ist die Zahl der arbeitslosen Alleinerziehenden zwischen 2010 und
2011 um rund 17.000 Personen gesunken. Allerdings ist das nicht neu: Seit
einigen Jahren bereits, noch vor Projektstart, schrumpft die Zahl
kontinuierlich und in ähnlichen Höhen, zwischen 2007 und 2008 sogar um
26.000 Personen.
Carrie-Chanel Gayer jedoch hat von einem Projekt profitiert: Die 25-Jährige
absolviert seit dem 1. August in Bamberg eine Teilzeitausbildung als
medizinische Fachangestellte. Drei Jahre lang wird sie von acht Uhr morgens
bis 14 Uhr in einer Arztpraxis lernen, an zwei Tagen drückt sie zudem die
Berufsschulbank.
Gayer, Deutsch-US-Amerikanerin, freut sich: „Ich war immer der Problemfall.
Als Alleinerziehende auf Hartz IV, mit einem heute fast vierjährigen Sohn,
bekam ich keinen Job.“
Es waren die typischen Probleme: Arbeitgeber zuckten zurück, wenn sie von
ihrer Familiensituation hörten, ein Bus fährt zwischen ihrem Wohnort, dem
Dörfchen Stegaurach, und Bamberg nur ein paar Mal am Tag – und Gayers
Mutter konnte nicht immer die zu kurzen Kitazeiten für den Enkel Aydenblaze
überbrücken. Das Einzige, was Gayer ab und zu ergatterte, waren
400-Euro-Jobs. „Aber ich muss ein Kind ernähren, so konnte das nicht
weitergehen“, sagt sie.
Schließlich vermittelte sie das Jobcenter Bamberg in das Projekt Amovista.
Das steht für „Aktivieren, Motivieren, Integrieren, Stabilisieren“: Gayer
wurde ein halbes Jahr lang bei Bewerbungstrainings und im Zeitmanagement
unterstützt. Als sie ihren Ausbildungsplatz ergattert hatte, half das
Jobcenter bei der Suche nach einer Tagesmutter.
## Bleibt nur ein 400-Euro-Job
Viele Alleinerziehende sind mit Problemen wie denen Gayers konfrontiert:
„Obwohl sie sogar häufiger einer Erwerbstätigkeit nachgehen als allein
lebende Leistungsberechtigte, ist es für Alleinerziehende besonders
schwierig, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden“, weiß man bei der BA. Das
altbekannte Problem: Es mangelt an flexiblen Arbeitszeiten und
Kinderbetreuungsangeboten. Für viele bleibt da nur ein 400-Euro-Job.
Doch auch mit einem Kitaplatz ist vor allem den Müttern nicht unbedingt
geholfen. Denn etliche, das zeigt die BA-Statistik, haben im Handel, als
Reinigungskraft, in der Gastronomie oder in der Pflege gearbeitet – also
gerade dort, wo man auch spät am Abend, früh am Morgen oder am Wochenende
ranmuss, wenn keine Kita geöffnet hat. Da kann auch die BA nichts tun: Der
Betreuungsausbau ist Sache der Kommunen und er kommt in etlichen
Bundesländern nur schleppend voran.
Für Antje Asmus, Referentin beim Verband alleinerziehender Mütter und
Väter, ist deswegen klar: „Modellprojekte können im Einzelfall helfen und
die Arbeitgeber für das Thema Alleinerziehende sensibilisieren. Aber
letztlich müssen eine gute Betreuung und gute Löhne her.“ Wie virulent das
Problem ist, zeigt die Statistik: So stieg die Armutsgefährdungsquote
Alleinerziehender in Deutschland zwischen 2008 und 2010, neuere Zahlen
liegen nicht vor, von 35,9 auf 43 Prozent.
15 Aug 2012
## AUTOREN
Eva Völpel
## TAGS
Teilzeit
Hartz IV
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