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# taz.de -- Bunt gemixtes Kurz Film Festival: Schöne, kleine, neue Welten
> Das 32. Internationale Kurz Film Festival in Hamburg vereint ab kommenden
> Dienstag wieder sehr verschiedene Arbeiten – und davon insgesamt rund 400
Bild: Theatralisch: Carly May Borgstroms „A White Bright Light“ entstand au…
HAMBURG taz | Jeder Film erschafft eine neue kleine Welt, mag sie auch noch
so fadenscheinig und banal sein. Da leuchtet es ein, wenn der Hamburger
Kurzfilm-Veteran Franz Winzentsen in „Heimaturlaub – Aus dem Skizzenbuch
eines Astronauten“ von sich selbst nicht als Filmemacher sondern, eben, als
Astronaut erzählt. Tatsächlich ist sein Film über lange Passagen kaum mehr
als ein Rundgang durch sein Atelier, doch seine dort geschaffenen und
gehorteten Objekte und Gemälde baut Winzentsen geschickt in seine
alternative Lebensgeschichte ein: Kuriositäten wie seine Sammlungen von
alten Waschbrettern und Holzklammern etwa, aus denen er Seebilder und
fremdartige Wesen gestaltete.
Er arbeitet hier kaum noch mit Filmtricks, sondern zeigt lieber eine kleine
Sequenz Puppentheater mit dem Kasperle als Astronauten. Tatsächlich begann
der inzwischen 77 Jahre alte Hamburger seine künstlerische Karriere als
Puppenspieler – auch hier erzählt er, wenn auch verdreht, von sich selbst.
In seinen Bildern schafft er immer seltsame, fremde Welten – oder er setzt
etwas Fremdes in das Bekannte, seinen Astronauten etwa ans Ufer der Elbe.
Wenn seine Weltraumphantasien eher nostalgisch als utopisch wirken,
steigert das nur den Reiz des kleinen, verspielt poetischen Films.
Auf dem 32. Internationalen Kurz Film Festival (IKFF) in Hamburg, das ab
Dienstag rund 400 Filme im Programm hat, läuft Winzentsens Film nun im
[1][Hamburger Wettbewerb] – so wie auch „Christ/el“ von Andreas Grützner.
Auch der erzählt autobiografisch, aber mit ganz anderen Mitteln: Er hat
Super-8-Filme und Tonbandaufnahmen seiner Familie aus den Jahren 1975 bis
’77 so zusammengeschnitten und mit einem Kommentar versehen, dass dadurch
ein kleines Familienporträt entsteht. In diesem Stil haben schon viele
Filmemacher ihre Biografie aufgearbeitet – aber Grützner hat auch die
richtige Form gefunden: Man bekommt einen intensiven Eindruck von einer
Jugend in einer strenggläubigen, fast fundamentalistisch christlichen
Familie. Grützner erzählt von seiner Befreiung aus diesen Zwängen, aber
auch von der Trauer über den Tod seiner Eltern.
Ebenfalls mit Hamburg-Bezug arbeitet „A White Bright Light“ von Carly May
Borgstrom: Da sind allerlei spektakuläre Drehorte in der Stadt und ihrer
Umgebung zu bewundern, in sorgsam und hochdramatischen Bildkompositionen
inszeniert. So sitzt die Protagonistin in einer gefüllten Badewanne im
alten Elbtunnel; gedreht wurde aber auch an Bord eines Schiffswracks auf
der Elbe und im Rotklinker-Planetarium im Stadtpark. Dramaturgisch folgt
der Film der Logik eines Traumes, es geht um die Schuld und verbotene Liebe
zwischen Bruder und Schwester, und das unter Zuhilfenahme von allerlei
mythischen und biblischen Motiven – da wird ein Apfel aus dem Schoß der
Schwester geholt, in den dann eine Hexe beißt. Auch stilistisch tobt sich
Borgstrom ordentlich aus: Es gibt animierte Szenen, Polizisten-Slapstick,
und irgendwann scheint alles bis dahin Gesehene bloß der Fantasie einer
Chinesin entsprungen zu sein.
Wie ein Gegenentwurf dazu wirkt „Maman und das Meer“ von David Wagner, der
auf der Hamburg Media School gelernt hat, in klassischem Erzählstil ohne
Schnörkel oder gar das Bemühen um stilistische Originalität zu inszenieren.
Es geht darin um einen jungen Mann mit Migrationshintergrund, der mit
Drogen handelt – auch da ist Originalität also eher nicht gefragt. Seine
Mutter bedrängt ihn, nur ja keine Plastiktüte wegzuwerfen, weil diese das
Meer verpesten. Als der Protagonist mit einer Plastiktüte ein brutales
Verbrechen begeht, repariert er sie also danach zuhause mit Klebeband – um
Mama nicht zu enttäuschen.
„Hamburg ist für mich meine Heimat!“ Das ist der erste Satz, den die
Protagonistin Karin ins Mikrofon von Regisseur Simon Weize sagt. Nicht in
seine Kamera – zumindest sehen wir sie nicht sprechen. Auch sonst zeigt
sich die alte Frau nur in wenigen Sequenzen. Meist begnügt Weize sich mit
Stimmungsbildern in schwarz-weiß. „Aber an mir ist doch nichts
Interessantes dran.“ Worum geht es? Mit 47 Jahren entschloss sich ein
Fernfahrer zu einer Geschlechtsumwandlung. Jenes frühere Ich nennt Karin
nun ihren „Rechtsvorgänger“ – und als „Geburtstag“ feiert sie das Da…
ihrer entscheidenden Operation. Karin erzählt nichts Spektakuläres, weder
von ihrer Umwandlung noch davon, welche Qualen es ihr bereitet haben mag,
so lange als Mann zu leben. Stattdessen plaudert sie norddeutsch-trocken
über ihr Leben, an dem das Interessante gerade sein könnte, dass es so
normal zu sein scheint.
26 May 2016
## LINKS
[1] http://festival.shortfilm.com/programm/wettbeshywerbe-jurys/hamburger-wettb…
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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