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# taz.de -- Kolumne Cannes Cannes: Geld ist ein Monster
> Jodie Fosters Post-Finanzkrisen-Thriller baut auf einer hübschen Prämisse
> auf. Am Buffet stürzen sich die Gäste dichtgedrängt auf die besten
> Nudeln.
Bild: Ist in dem Film „Money Monsters“ zu sehen: Jodie Foster
Cannes taz | Ein Familientreffen in Bukarest, wenige Tage nach dem Attentat
auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Man diskutiert kontrovers über die
Plausibilität von Exekutionen mit Kalaschnikows aus nächster Nähe ohne
Verlust von Hirnmasse. Von dort ist man bald angelangt bei den Attentaten
von 9/11 und den Verschwörungstheorien, die sich darum ranken. Oder man
streitet, ob der Fortbestand des Kaisertums vielleicht besser gewesen wäre
als der Kommunismus.
„Sieranevada“ vom rumänischen Regisseur Cristi Puiu dürfte einer der
fordernderen Film des Wettbewerbs sein. Drei Stunden lang folgt man auf
engstem Raum den Bewegungen dieser Familie, die sich zu einem Totengedenken
eingefunden hat in der Wohnung der Mutter von Lary, der um Moderation und
Contenance bemühten Hauptfigur. Andererseits ist das mit der Hauptfigur so
eine Sache: Man verliert leicht den Überblick bei den vielen Verwandten und
Freunden in dieser Wohnung, die alle ständig reden und von einem Raum in
den nächsten wechseln, fast ohne Pause dicht verfolgt von der Kamera, die
unablässig von einem Familienmitglied zum nächsten schwenkt.
Nur wenige Schnitte punktieren die klaustrophobische Enge, die einem beim
Zuschauen manchmal den Atem nimmt, so, wie die Spannungen untereinander
konstant auf kleinerer bis großer Flamme weiterkochen, einige davon mit
Tendenz zur Eruption. Geschickt lässt Puiu die Dinge sich allmählich
beruhigen, irgendwann wird sogar das langersehnte Essen begonnen.
Eine andere Form von Enge konnte man anschließend bei der Willkommenssoiree
des Festivals zu spüren bekommen, wo sich die Gäste beherzt auf das Buffet
mit Käse, Pâté und Pasta stürzten.
## Auf zur „Decadent Party“?
Im Freien war das Gedränge kaum weniger stark. Im Gegensatz zu den
unauffällig gekleideten Schauspielern im Film, gab es elegante bis
eigenwillige Abendgarderobe zu bewundern. Die zahllosen Mikrobegegnungen,
die sich beim Versuch, von A nach B zu gelangen, ergeben, führten zu einer
Einladung: Ein mittelalter Mann mit mittellangen Locken, dem ich eigentlich
bloß den Vortritt gelassen hatte, wollte wissen, ob ich interessiert sei an
der „wildesten Party“ des ganzen Festivals, der „Decadent Party“ – de…
ist wohl wörtlich zu verstehen. Mal sehen.
Zuvor aber mehr Einblicke in schwierige Familienverhältnisse: Im
französischen Wettbewerbsfilm „Rester vertical“ (Senkrecht bleiben) von
Alain Guiraudie trifft Léo (Damien Bonnard), ein Filmemacher mit einer
Schwäche für Wölfe und Männer, auf die in den Bergen lebende Schäferin
Marie (India Hair) und bekommt mit ihr alsbald ein Kind. Als Léo sich am
Familienleben uninteressiert zeigt, verlässt ihn Marie mit ihren beiden
anderen Söhnen und überlässt das Baby dem Vater. Auf diesen beginnen
unterdessen die älteren Bauern des Dorfs aufmerksam zu werden.
Im Vergleich zum dichten Mikrokosmos von „Sieranevada“ bietet „Rester
vertical“ seinen Figuren viel Luft, karge Gebirgszüge inklusive. Ihren
Verstrickungen entkommen die Personen jedoch ebenso wenig, und auch das
Drehbuch entkommt nicht immer seinen eigenen. Dagegen baut Jodie Fosters
Post-Finanzkrisen-Thriller „Money Monster“ um Fernsehmoderator Lee Gates
(gut aufgelegt: George Clooney) auf einer hübschen Prämisse auf: Was, wenn
ein Zuschauer einer Finanz-Show mit Anlegertipps zum Spekulationsverlierer
wird und plötzlich mit einer Knarre im Studio auftaucht?
Leider verliert sich der gut angelegte Echtzeit-Plot in
Geiseldrama-Routine.
13 May 2016
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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