Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Langfilmdebüt: Vom Ende des Geldes
> Mit einem Schauspielerensemble drehte Daniel Lommatzsch „Am Ende ist man
> tot“: Der Film handelt von finanziellen Nöten, die ihn selbst einholten.
Bild: Beifahrer: Regisseur und Schauspieler Daniel Lommatsch in seinem Film „…
Bremen taz | „Geld ist nicht alles, aber es ist alle.“ Dieser schöne Satz
von Elfriede Jelinek steht nicht nur am Anfang des Films „Am Ende ist man
tot“, er holte diesen vor zweieinhalb Jahren auch selber ein. Vielleicht
ist seine Entstehung sogar interessanter als die Geschichte des Films
selbst: Der Schauspieler Daniel Lommatzsch gehört zum Ensemble des
Hamburger Thalia Theaters. Bei der Regie seines ersten Langfilms bot es
sich an, die Ressourcen des Theaters zu nutzen. Seine Schauspielkollegen,
vor allem aber Intendanten Joachim Lux unterstützten ihn.
Bei den Dreharbeiten ist das mindestens die halbe Miete. Die Geldsorgen des
Regisseurs kamen erst, nachdem die Produktion im Oktober 2013 abgeschlossen
war. Für die Postproduktion gab es weder Studios noch Fachkräfte im
Theater, und so musste diese tatsächlich finanziert werden. Im Dezember
2013 wurde eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Die angestrebten 10.000
Euro kamen zusammen. Dass der Film erst jetzt gezeigt wird, liegt auch
daran, dass alleine der Schnitt sich über ein Jahr hinzog.
Daniel Lommatzsch nennt es „Wildwuchs“ beim gedrehten Material, den er bei
der Montage kappen musste. Dabei ging das ursprüngliche dramaturgische
Konzept des Films den Bach herunter. Anfangs sollte „Am Ende ist man tot“
ein Episodenfilm sein, dessen einzelnen Teil dadurch verbunden sein
sollten, dass der Weg dreier Geldscheine verfolgt werden sollten. Auf diese
narrative Krücke hat Lommatzsch schließlich verzichtet. Statt dessen lässt
er nun Erzählstränge ins Leere laufen. Er will die Erwartungen der
Zuschauer enttäuschen.
Der Haupterzählstrang handelt von einer jungen Frau aus der reichen
Hamburger Fabrikantenfamilie von Kesselstatt, die entführt wird. Ihre drei
Geschwister suchen nach ihr. Die forsche Kommissarin Lindt redet mehr als
sie untersucht. Das Entführertrio hat die Frau in den Kofferraum
eingesperrt.
Andere Episoden drehen sich um abenteuerliche Geschäftsmodelle, seltsame
Kunstprojekte und Anlagebetrug. Was die Episoden verbindet, ist die Macht
des Geldes. Dem Titel zum Trotz steht der Tod nicht im Vordergrund. Als
eine der Hauptfiguren stirbt, erinnert der Film an eine schwarze britische
Komödie. Lommatzsch versteht ihn als „depressive Groteske“ und unterläuft
auch damit die Erwartungen des Publikums.
Der Film ist auch deshalb außergewöhnlich, weil bei ihm zuerst die
Besetzung und erst dann das Drehbuch stand. Von Anfang an ging es
Lommatzsch darum, möglichst viele Kollegen und Kolleginnen aus dem Ensemble
des Thalia Theaters unterzubringen, und so schrieb er ihnen die Rollen auf
den Leib. Seine Filmfiguren wurden also gemäß den Stärken und Eigenheiten
der Darsteller gestaltet. Jeder von ihnen sollte mindestens einen großen
Auftritt bekommen. Dies führt zu einem schauspielerischen Gedränge, das an
eine zu klein geratene Bühne erinnert.
Einige sind nur ein paar Sekunden zu sehen – wie Franziska Hartmann, die
„kostenlose Umarmungen“ auf der Straße anbietet. Andere können in komplex…
Rollen glänzen wie Anna Schäfer als Fabrikantentochter mit Künstlerseele.
Lommatzsch gönnt ihnen viele Nahaufnahmen. Es zeigt sich, dass er auch als
Regisseur immer noch wie ein Schauspieler denkt. Er weiß genau, wen er wie
in Szene setzten kann. Auch wenn sich die Darsteller genau an seine Texte
gehalten haben, kam es zum erwähnten „Wildwuchs“, der auch durch den langen
Schnitt nicht gänzlich getrimmt werden konnte.
Lommatzsch, im Hamburger Stadtteil Othmarschen aufgewachsen, kennt den
neuen und alten Reichtum seit seiner Kindheit. Auch deshalb erzählt er aus
diesem Milieu und der Hamburger Künstlerszene, zu der er selbst gehört. Das
macht die Episoden überzeugend. Lommatzsch traut sich etwas, wenn er in der
Schlusssequenz noch einmal Stil und Ton ändert und sich an einem
Götterdämmerungs-Szenario über den Tod des Geldes versucht.
Der Film ist so gut wie fertig und Lommatzsch reicht ihn auf verschiedenen
Festivals ein. Die Berlinale und das Max Ophüls Festival in Saarbrücken
wollten ihn nicht zeigen. Und so gibt es nun eine Premiere im Thalia
Theater, die offiziell unter dem Namen Preview läuft, weil Festivals gerne
„das Recht der ersten Nacht“ für sich in Anspruch nehmen und die Chancen
des Films weiter sinken würden.
Weil „Am Ende ist man tot“ bisher noch keinen Verleih hat, kann es sich im
Thalia um die einzige Gelegenheit handeln, den Film zu sehen.
19 May 2016
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Schauspiel
Thalia-Theater
taz.gazete
Favelas
Western
Dokumentarfilm
Schwerpunkt Flucht
Fotografie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Knapper Kulturhaushalt in Bremen: Fachjury für freie Freie
Die Kulturdepu entscheidet bald über Mittel für die freie Szene. Die äußert
im Vorfeld geharnischte Kritik. Langfristig gibt es jedoch auch positive
Tendenzen.
Dokumentarfilm-Update: Nachrichten aus den besetzten Favelas
15 Jahre nachdem Monika Treut in „Kriegerin des Lichts“ eine
Menschenrechtlerin porträtierte, kehrt die Hamburger Filmemacherin nach Rio
de Janeiro zurück.
Western in Niedersachsen: Altmetall statt blaue Bohnen
In seinem Spielfilmdebüt „Schrotten!“ erzählt Max Zähle von
Schrotthändlern, die im niedersächsischen Wald einen Zug ausrauben.
Hamburger Eckkneipen im Dokumentarfilm: Zwischen Seoul und St. Pauli
Die Reihe „Dokland Hamburg“ ist fester Bestandteil der dortigen
Dokumentarfilmwoche und widmet sich gerne Lokalpatriotischem.
Integration auf dem Lande: Männer in der Fremde
Was macht es mit eritreischen Flüchtlingen, in einem ostfriesischen Dorf zu
landen – und was umgekehrt? Davon handelt der Film „Gestrandet“ von Lisei
Caspers.
Biographisches: Diskret gefilmt beim Tee
Die in Hamburg lebende Filmemacherin Nathalie David macht Porträts von
Künstlerinnen wie Paula Moderson-Becker und Gertrud Goldschmidt, genannt
Gego.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.