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# taz.de -- Abgeordnetenhauswahl in Berlin: Kein Sturm in Sicht
> In vier Monaten könnten die Berliner einen unbeliebten rot-schwarzen
> Senat abwählen. Doch breite Wechselstimmung sucht man vergebens.
Bild: Seine rot-schwarze Landesregierung ist die unbeliebteste in der Republik:…
Wahl? Wann? Angeblich weiß jeder zweite Berliner nicht, dass er oder sie in
genau vier Monaten, am 18. September, das Abgeordnetenhaus neu wählen kann.
Die Frage könnte aber auch lauten: Wahl – warum? Oder besser: Warum jetzt?
Denn außer dem Ende der fünfjährigen Wahlperiode gibt es nicht viel, was
auf einen Wechsel drängt.
Da ist schlicht keine breite „Herr Müller muss weg“-Bewegung, die einen
Filmtitel über eine gleichnamige missliebige Lehrerin parodieren würde.
Michael Müller ist als Regierungschef mit eineinhalb Jahren noch zu kurz im
Amt, als dass man seiner bereits müde wäre. Ein solches Problem hätte die
SPD bei seinem Vorgänger Klaus Wowereit gehabt: Der wäre bei einer
Wiederwahl bis 2021 auf 20 (!) Jahre im Amt zugesteuert. Da hätte es für
die Opposition nahegelegen, allein über die Person eine Wechselstimmung zu
schüren – so wie es die SPD 1998 gegen den damals 16 Jahre amtierenden
Bundeskanzler Helmut Kohl schaffte.
Dabei müssten theoretisch die Straßen voll sein mit Demos, die einen
Wechsel fordern: Nach einer Umfrage ist der rot-schwarze Senat die
unbeliebteste Landesregierung der Republik. Was allerdings nicht ganz zu
anderen Zahlen passt: Andere Bundesländer haben seit 2011 nicht drei
Milliarden Euro Schulden abgebaut und gleichzeitig Wohltaten wie die
beitragsfreie Kita auch für Reiche unters Volk gebracht, während parallel
dazu die Arbeitslosenquote von 13,3 auf 10,2 Prozent sank, stärker als
anderswo.
Die Bilder von katastrophalen Zuständen bei der Flüchtlingsregistrierung am
Landesamt für Gesundheit und Soziales haben es zwar weit über die Grenzen
hinaus geschafft. Und das Kürzel „Lageso“ ist bundesweit so bekannt und
beliebt geworden wie sonst nur TÜV, GEZ oder Gema. Doch sei es, dass der
Senat gelernt hat, sei es wegen weniger neuen Flüchtlingen – die
chaotischen Szenen sind Vergangenheit.
Wenn es ein drängendes Problem gibt, das Staatsversagen spiegelt und die
Leute zu Protesten treiben müsste, dann ist das die Terminlage in der
Bürgerämtern. Mitte dieser Woche ist die Situation dieselbe wie seit
Monaten unter www.berlin.de: Alle Termine in den nächsten zwei Monaten sind
vergeben – und danach ist es zu spät für einen neuen Reisepass für den
Sommerurlaub.
Der Punkt ist: Dass es funktioniert, wollen laut Partei- und Wahlprogramm
alle, egal ob links oder rechts. Bei der vergangenen Wahl 2011 gab es
immerhin ein zentrales Streitthema: die Verlängerung der Autobahn 100. So
etwas aber ist dieses Mal nicht in Sicht. Was sich vielmehr abzeichnet, ist
ein Wahlkampf, der genaues Hingucken fordert. Denn in den großen Thema sind
sich die großen Parteien – und das soll mal von SPD über CDU und den Grünen
als neuerdings in Umfragen Zweitstärkster bis hin zur Linken gleich vier
umfassen – auf den ersten Blick oft sehr nah.
Beispiel bezahlbarer Wohnraum. Wollen sie alle. Zu hinterfragen ist dann:
Was heißt „bezahlbar“ konkret? Und was ist einem wichtiger: dass es schnell
geht oder etwas langsamer, dafür aber vielleicht schöner? Gleiches gilt
beim oft nur den Christdemokraten zugeordneten Thema Sicherheit: wollen
letztlich auch alle. Zu erinnern ist da bloß an SPD-Fraktionschef Raed
Saleh, der mehr Respekt vor Polizisten forderte.
Was zur Frage nach dem fehlenden Wechselmodus zurückführt. Wen, wenn nicht
die Opposition, sollte ein drängendes Verlangen nach einem
Regierungswechsel umtreiben? Doch solange etwa bei den Grünen ein ganzer
Parteiflügel demonstrativ sitzenbleibt, während der andere die
Spitzenkandidatin Ramona Pop beklatscht, scheint die Not schlicht noch
nicht groß genug, um Innerparteiliches hintenan zu stellen.
So what? Eben nicht: Bei wenig Interesse gehen auch weniger Anhänger der
alteingesessenen Parteien zur Wahl – ganz im Gegensatz zur zumindest
derzeit boomenden AfD. Was also tun? Neue Themen lassen sich nicht
herbeireden, es sei denn, die CDU würde weiter nach rechts schwenken, in
der Hoffnung, an die AfD verlorene Stimmen zurückzuholen. Doch warum sollte
diese Zielgruppe statt des Originals einen AfD-Abklatsch wählen?
Personalisieren wäre ein anderer klassischer Weg. 2011 entschied mutmaßlich
eine hoch emotionale schwarz-weiße Plakatserie von Klaus Wowereit die Wahl
zugunsten der SPD. Mit seinem Nachfolger Müller aber ist das nicht denkbar,
auch wenn er längst nicht so blass ist wie oft behauptet. Und auch die
anderen Spitzenkandidaten gelten schon parteiintern zu wenig als
Heilsbringer, als dass man sie so vermarkten könnte.
Vier Monate bleiben den Parteien nur noch, eine Zuspitzung zu finden.
„Höllenritt Wahlkampf“ heißt passenderweise ein vor einigen Jahren
erschienener guter Hinter-die-Kulissen-Blick. Sein Autor Frank Stauss wird
ihn nach der Abgeordnetenhauswahl aktualisieren können: Seine Agentur
gestaltet die SPD-Kampagne.
17 May 2016
## AUTOREN
Stefan Alberti
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Abgeordnetenhaus
Michael Müller
Berliner Senat
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Grüne Berlin
Frank Henkel
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