# taz.de -- Neues Volksbegehren in Berlin: Klemmbretter raus, Zeit läuft! | |
> Eine Initiative will die Landesverfassung ändern und Volksentscheide | |
> verbindlicher machen. Dafür braucht sie in nur vier Wochen 50.000 | |
> Unterschriften. | |
Bild: Jetzt wird wieder für ein Volksbegehren gesammelt | |
„Wir haben verdammt wenig Zeit. Aber wir schaffen das.“ Mit dieser | |
Botschaft schickt die Initiative „Volksentscheid retten!“ ihre | |
UnterstützerInnen auf Unterschriftenjagd. Rund 100 Freiwillige sind am | |
Donnerstagabend zum Kampagnenstart in den Heimathafen Neukölln gekommen und | |
haben sich mit Listen, Klemmbrettern und Kulis eingedeckt. Innerhalb der | |
nächsten vier Wochen müssen 50.000 BerlinerInnen ihnen ihre Unterschrift | |
geben – sonst ist der Versuch, Volksentscheide verbindlicher zu machen, | |
bereits im Ansatz gescheitert. | |
Der Bürgerinitiative geht es um nicht weniger als eine Änderung der | |
Landesverfassung. Denn dort ist zwar festgelegt, dass Gesetzgebung per | |
Volksentscheid möglich ist – allerdings können so entstandene Gesetze vom | |
Parlament wieder geändert werden, ohne die Bevölkerung erneut zu fragen. | |
Zu einer solchen Änderung ist es im Januar gekommen. Da stimmte das | |
Abgeordnetenhaus für eine Änderung des Gesetzes zur Bewahrung des | |
Tempelhofer Felds, sodass auf dem ehemaligen Flughafengelände Unterkünfte | |
für Geflüchtete gebaut werden können. Erst im Mai 2014 hatten die | |
BerlinerInnen per Volksentscheid beschlossen, dass auf dem Flugfeld nicht | |
gebaut werden darf. | |
## Angriff auf die Demokratie | |
Dass die Mehrheit der Abgeordneten diesen Beschluss zurückgenommen hat, ist | |
aus Sicht der Initiative „Volksentscheid retten!“ ein Angriff auf die | |
Demokratie. „Es entsteht der Eindruck, dass Volksentscheide nicht ernst | |
genommen werden“, sagt die Moderatorin der Veranstaltung im Heimathafen, | |
Esther Witt, zur Begrüßung. | |
Der Gesetzesvorschlag der Initiative sieht vor: Will die Politik künftig | |
ein Gesetz ändern, das per Volksentscheid verabschiedet wurde, muss sie | |
vier Monate abwarten. In dieser Zeit können BürgerInnen mit 50.000 | |
Unterschriften erzwingen, dass über die Änderung per Volksentscheid | |
abgestimmt wird. Zusätzlich will die Initiative erwirken, dass | |
Volksentscheide grundsätzlich zusammen mit Wahlterminen stattfinden. Zudem | |
sollen die Zustimmungsquoren abgesenkt werden: Künftig müssten nur noch 20 | |
statt bisher 25 Prozent der Stimmberechtigten „Ja“ ankreuzen, damit ein | |
Volksentscheid erfolgreich ist. | |
Um das Volksbegehren anzustoßen, bleibt der Initiative jedoch wenig Zeit. | |
Damit genügend BürgerInnen abstimmen, soll der Volksentscheid zusammen mit | |
der Bundestagswahl 2017 stattfinden. Um diesen Zeitplan einzuhalten müssen | |
die Unterschriften für den Erstantrag bis Ende Mai vorliegen. Da es um die | |
Verfassung geht, braucht es 50.000 Unterschriften. Zum Vergleich: Beim | |
Volksbegehren zum Tempelhofer Feld waren 20.000 nötig, damals hatte man zum | |
Sammeln immerhin sechs Wochen Zeit. | |
Jede und jeder von den 100 Freiwilligen muss also im Schnitt 500 gültige | |
Unterschriften erjagen. Dafür sind vier Wochen wenig. Mitorganisatorin | |
Margarete Heidmüller ist dennoch optimistisch: „Das Thema Volksentscheid | |
ist präsenter als vor drei Jahren“, findet sie. „Das Tempelhofer Feld hat | |
gezeigt, dass Volksentscheide etwas verändern können. Das macht es | |
leichter, die Leute für unsere Sache zu gewinnen.“ | |
## Nur die erste Hürde | |
Aber auch wenn die SammlerInnen 50.000 gültige Unterschriften bis Ende Mai | |
abgeben, ist damit nicht automatisch ein Volksentscheid angesetzt, sondern | |
zunächst nur das Volksbegehren genehmigt. Die Initiative müsste in einem | |
Jahr erneut Unterschriften sammeln. Und zwar eine halbe Million. Dafür | |
hätte sie vier Monate Zeit. | |
29 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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