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# taz.de -- Abschiebung von Lesbos in die Türkei: Uninformiert abtransportiert
> Griechenland bringt die ersten Flüchtlinge in die Türkei. Pro Tag sollen
> 200 Menschen folgen. Beratungsstellen für die Betroffenen fehlen.
Bild: Früh am Morgen abgeholt: Flüchtlinge werden auf ein Abschiebeschiff geb…
Lesbos taz | „EU, schäme dich!“, rufen die Dutzenden ProtestlerInnen, die
sich am Montagmorgen um kurz nach acht Uhr am Hafen von Lesbos versammelt
haben. Immer wieder ertönt der Sprechchor. Vor allem Volunteers der NGOs
und private HelferInnen, die die Flüchtlinge seit Wochen unterstützen,
protestieren hier gegen den Start der Abschiebungen in die Türkei. Es kamen
viel weniger DemonstrantInnen als erwartet.
Die erste Abschiebung der Flüchtlinge aus dem Registrierungshotspot, der
seit dem EU-Türkei-Deal zum geschlossenen Lager wurde, ist am Montagmorgen
– zwei Stunden früher als ursprünglich angekündigt – durchgeführt worde…
Das Abkommen: Alle Flüchtlinge, die seit dem 20. März in Griechenland
angekommen sind, sollen zurück in die Türkei geschickt werden. Für jeden
illegal eingereisten und dann Abgeschobenen soll die EU einen Syrer aus der
Türkei aufnehmen, der dann auf legalem Weg einreist – bis zu einer
bisherigen Obergrenze von 72.000 Menschen.
Kurz vor sechs Uhr Ortszeit verlassen die ersten Busse das
Registrierungscamp Moria, um die Menschen zum Hafen zu bringen. Sie werden
von zahlreichen Sicherheitskräften begleitet und unter Blaulicht
abtransportiert. Die Sicherheitskräfte tragen Mundschutz. Das alles sei
eine normale Handhabung, so Frontex-Sprecherin Ewa Moncure. Niemand habe
sich gegen den Abtransport gewehrt. Alles sei ruhig vonstatten gegangen.
Die Menschen gingen auf die Boote, auf die jeder von einem
Frontex-Mitarbeiter begleitet wurde. „Die Maßnahmen waren notwendig, um
Sicherheit zu gewährleisten“, so Moncure. „Niemand wurde mit Gewalt
gezwungen.“
136 Menschen – hauptsächlich aus Pakistan und Afghanistan – wurden am
Montagmorgen mit zwei Schiffen in die Türkei gebracht. Es handle sich um
Migranten, die keine Asylanträge gestellt haben, so berichtet die
griechische Küstenwache. Doch auch zwei syrische Flüchtlinge seien an Bord
gewesen, so Giorgos Kyritsis, Koordinator für Einwanderungspolitik der
griechischen Regierung. Sie wollten zu ihren Familien, die sich nur bis in
die Türkei flüchten konnten. Auch von der Nachbarinsel Chios wurden 66
Menschen abtransportiert. Wie genau die abgeschobenen Menschen über ihr
Recht, einen Asylantrag zu stellen, informiert wurden, ist unklar,
berichten MitarbeiterInnen unterschiedlicher Hilfsorganisationen. Pro Tag
sollen nun etwa 200 Menschen abgeschoben werden.
Der Flüchtlingsstrom reißt trotz des EU-Türkei-Abkommens, dessen offizielle
Funktion die Eindämmung der gefährlichen illegalen Überfahrten in die EU
ist, nicht ganz ab. Über 4.000 Flüchtlinge kamen seit dem Beschluss des
Abkommens auf den Inseln in der Ostägäis an. Am Montagmorgen erreichten 339
Menschen die griechischen Inseln – 173 von ihnen kamen bis 7.30 Ortszeit
auf Lesbos an. Die Kapazitäten vor Ort sind längst erschöpft: Etwa 3.000
Menschen harren im Camp Moria aus, das eigentlich für 1.500 Menschen
bestimmt ist. Nach der Rückführung der ersten Migranten aus Griechenland in
die Türkei stellen Flüchtlinge auf Lesbos nun massenhaft Asylanträge, um
ihre Abschiebung hinauszuzögern, sagte am Montagmorgen Zacharoula
Tsirigoti, Chefin der für Migration zuständigen Abteilung der Polizei.
## Gehalten wie Gefangene
Doch immer noch wissen viele nichts von ihrem Recht, Asyl zu beantragen,
sagt David Fuertes, der am Montagmorgen ebenfalls unter den ProtestlerInnen
am Hafen steht. Der 38-jährige ist seit Januar auf Lesbos als freier Helfer
tätig. „Das, was heute geschehen ist und was ich hier täglich mitbekomme,
ist eine humanitäre Katastrophe“, sagt der Spanier.
Die Flüchtlinge werden im Camp wie Strafgefangene hinter hohen Zäunen mit
Stacheldraht gehalten und dann in ein vermeintlich sicheres Land
deportiert. Ihnen wird ihr Flüchtlingsstatus aberkannt, nur weil die EU
darüber urteilt, welche Nationalität diesen Status bekommen darf und welche
nicht. Die individuelle Situation der Flüchtlinge werde nicht geprüft.
Fuertes berichtet, er habe im Camp Moria einen griechischen Anwalt
getroffen, der dort zwei Menschen aus Pakistan beriet. „Diesen wurde
nämlich zuvor erzählt, dass sie nicht das Recht hätten, Asyl zu
beantragen“, so Fuertes. Es herrsche hier Chaos, weil die meisten
Freiwiliigen der NGOs hier nicht genau über die Rechte der Flüchtlinge
Bescheid wüssten. Selbst das UNHCR sage nur, man müsse abwarten, wie sich
die Rechtslage entwickelt. Auch sie haben keine fundierten Informationen
für die Flüchtlinge. „Aber die Menschen sitzen dort schon seit Tagen und
Wochen und warten“, sagt Fuertes.
## „Willkommen“ in der Türkei
„Bei der Essenausgabe werde ich stets über die rechtliche Lage ausgefragt
und kann nicht antworten.“ Zu komplex ist die Situation. Mehr Anwälte, die
vor Ort beratend tätig sind, wären nötig. Nun sind einige Menschen, die
nicht die Chance auf Information hatten, einfach abtransportiert worden.
Und die Deportationen werden weitergehen.
Später am Tag kommen die Abgeschobenen aus Griechenland in der türkischen
Hafenstadt Dikili an. Ein Dutzend Menschen erwartet sie bei der Ankunft mit
einem Transparent: „Willkommen Flüchtlinge, die Türkei ist euer Zuhause.“
4 Apr 2016
## AUTOREN
Theodora Mavropoulos
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