Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Obama in Kuba: Ein offenes Geheimnis
> Die USA könnten einiges tun, um einen Wandel in Kuba zu befördern: zum
> Beispiel das Embargo aufheben. Doch viele andere Probleme löst das nicht.
Bild: Die Deko wird schon mal rausgehängt
Jetzt hat er also begonnen, jener historische [1][erste Besuch eines
US-Präsidenten in Kuba seit 88 Jahren]. Annäherung, Entspannungspolitik,
Öffnung, Überwindung jahrzehntelanger Eiszeit – das sind die Schlagworte,
seit Barack Obama und Raúl Castro am 17. Dezember 2014, dem 17D, wie der
Tag auf Kuba genannt wird, die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen
verkündeten.
Und nur Stunden vor Obamas Ankunft in Havanna wurden rund 50
Oppositionelle, im Kern die Damas de Blanco und weitere Unterstützer, bei
ihrem Marsch in Kubas Hauptstadt festgenommen und abtransportiert. Auf den
ersten Blick passt das nicht zusammen. Auf den zweiten kann es nicht
überraschen.
Seit dem 17D hat die kubanische Regierung immer und immer wieder betont, an
den Positionen des kubanischen Sozialismus werde sich absolut nichts
ändern, man verhandele mit den USA auf Augenhöhe und verbitte sich jede
Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Noch vor zehn Tagen erschien in
der Granma, dem offiziellen Parteiorgan, ein gut zwei Seiten langes
Editorial zum Obama-Besuch. Inhalt: Kuba begrüßt den Kurswechsel der USA,
empfindet das als großen Sieg des widerständigen kubanischen Volkes und
seiner Revolution – und stellt Forderungen.
Darunter: Die USA mögen aufhören mit dem Versuch, eine interne Opposition
in Kuba zu schaffen. Das Signal dieses überaus schwülstig und langweilig
geschriebenen Textes – der zu allem Überfluss auch noch komplett in den
Abendnachrichten des kubanischen Fernsehens verlesen wurde – war ans eigene
Volk gerichtet: Glaubt bloß nicht, dass sich hier gerade 1989/90
wiederholt!
## Nutzen wird das nichts
Die Damas de Blanco marschieren jeden Sonntag, und jeden Sonntag werden sie
festgenommen, mit oder ohne Obama. Sie diesmal einfach demonstrieren zu
lassen, wäre aus der Sicht des Staates genau das falsche Signal gewesen.
Mögen sich Spielräume für privates Wirtschaften eröffnen, mögen US-Firmen
sich im Tourismussektor engagieren dürfen – politisch behält die
Kommunistische Partei alles unter Kontrolle. Eine öffentliche Debatte unter
Kubanern über kubanische Politik findet nicht statt.
Obama hat am Dienstag die Gelegenheit, bei seiner auch im kubanischen
Fernsehen live übertragenen Rede aus dem Gran Teatro in Havanna auf die
Frage der Menschenrechte in Kuba einzugehen. Im Anschluss trifft er sich –
von den kubanischen offiziellen Medien verschwiegen – mit VertreterInnen
von Zivilgesellschaft und Dissidenz. Nutzen wird das alles nichts –
allenfalls stärkt es das staatliche Narrativ, dass die Menschenrechte und
abweichende Meinungen eine Kreation des Imperialismus seien, eine andere
Spielart des Krieges gegen die Revolution.
## Chancen auf Wandel
Stimmt also die Position der US-amerikanischen Rechten, Obama lockere den
Umgang mit Kuba, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erhalten? Nur
oberflächlich. Denn je weiter sich die USA öffnen, desto schwieriger wird
es für die kubanische Regierung, die Schuld an den eigenen Problemen stets
dem großen Nachbarn im Norden in die Schuhe zu schieben.
Nichts vergrößert die Chancen auf einen Wandel in Kuba mehr als die
vollständige Aufhebung des Embargos, die Rückgabe Guantánamos und der
Verzicht auf Entschädigungen für die Enteignungen nach der Revolution.
Würde das alles geschehen – die kubanische Regierung stünde nackt da,
reduziert auf ihr eigenes Unvermögen, die notwendigen Reformen selbst zu
initiieren, von deren Notwendigkeit in Kuba eigentlich jeder weiß.
Aber politisch ist das in den USA schwer durchzusetzen, und so wird der
verhängnisvolle Weg weitergehen, auf dem sich Kuba derzeit befindet. Die
Schere zwischen arm und reich wird größer, ein Steuersystem, was den neuen
Realitäten gerecht würde, gibt es nicht, die Bürokratie funktioniert nicht
als Regulativ im Sinne einer ausgleichenden Sozialpolitik unter sich
verändernden Umständen, sondern schlicht als Hindernis.
## Vage Hoffnung
Man wird keinen Kubaner treffen, der die wichtigsten Errungenschaften der
Revolution, kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung, nicht unbedingt
erhalten möchte. Aber sie gehen nicht in einer unspezifischen Zukunft
verloren, sondern gerade in diesem Moment. Ärzte wollen nicht mehr als
Ärzte arbeiten, weil sie zu wenig verdienen und seit ein paar Monaten
wieder von Auslandsreisen ausgeschlossen sind.
Junge Akademiker verlassen in Scharen das Land, weil sie sich im Ausland
beruflich verwirklichen können – in kubanischen Staatsbetrieben hingegen zu
einem Monatsgehalt arbeiten sollen, das dem Tagesverdienst eines privaten
Zimmervermieters entspricht. Aus dem gleichen Grund haben Kubas Schulen
immer mehr Schwierigkeiten, LehrerInnen zu finden, die nach ihrem
Uni-Abschluss länger als die vorgeschriebenen zwei bis drei Jahre des
Sozialdienstes im Schuldienst bleiben wollen.
All das hat mit dem US-Embargo herzlich wenig zu tun. Und der Obama-Besuch
wird daran nichts rütteln. Er kann nur versuchen, ein starkes Symbol zu
setzen für Veränderung, in der vagen Hoffnung, dass die dann nicht bei der
Ankunft tausender US-Touristen auf der Insel stehen bleibt.
21 Mar 2016
## LINKS
[1] /Obama-bei-den-Sozialisten/!5288136/
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
Kuba
Barack Obama
USA
Kubataz
Kubataz
Kuba
Kuba
Barack Obama
Baseball
Kuba
USA
Kuba
Guantanamo
Papst Franziskus
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politische Kultur in Kuba: Markt- und anderes Geschrei
Wo immer sich Dissidenten zeigen, werden Leute zusammengerufen, um sich zu
empören. Vor allem wir Studenten müssen hin.
US-kubanische Beziehungen: Die Herausforderung
Vermutlich zu Recht setzt die US-Regierung auf die jungen Leute in Kuba.
Denn für diese ist der Kapitalismus durchaus attraktiv.
Debatte Kuba nach Obama-Besuch: Noch immer gelähmt
Statt die Veränderungen zu gestalten, verharrt die Regierung in Schweigen.
Vom anstehenden KP-Parteitag erfährt die Bevölkerung fast nichts.
Fidel Castro lästert über Obama-Besuch: „Honigsüße Worte“
Kubas Ex-Staatschef Fidel Castro spottet in einem Brief über den
US-Präsidenten. Das Land brauche „keine Geschenke“ und Obama solle mal
„nachdenken“.
US-Präsident Obama auf Kuba: Den Kalten Krieg begraben
In Havanna fordert Barack Obama die Kubaner auf, für eine freie
Gesellschaft einzutreten. Die Konfrontation gehöre der Vergangenheit an.
Kolumne American Pie: Baseball-Diplomatie auf Kuba
Wie US-Präsident Barack Obama auf Kuba mit Hilfe des Baseballs das
Verhältnis der beiden Länder entspannen will.
PK von Obama und Castro auf Kuba: „Zeige mir die Liste“
Obama stellte Fragen zu politischen Häftlingen und Menschenrechten. Die PK
wurde von den Kubanern sehr unterschiedlich beurteilt.
Obama bei den Sozialisten: „¿Que bolá Cuba?“
Ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den USA und Kuba hat
begonnen. Präsident Barack Obama ist auf der Karibikinsel eingetroffen.
Vor Obama-Besuch in Kuba: 200 Oppositionelle festgenommen
Barack Obama besucht Kuba als erster amtierender US-Präsident nach 88
Jahren. 200 Oppositionelle wurden einen Tag vorher in Kuba festgenommen.
Ende von Guantanamo: Obamas letzter Anlauf
US-Präsident Obama unternimmt noch einen Versuch zur Schließung des
umstrittenen Gefangenenlagers Guantanamo. Er könnte jedoch im Kongress
scheitern.
Papst Franziskus traf Patriarch Kyrill: „Wir sind Brüder, endlich“
Zum ersten Mal redet ein Papst mit einem Oberhaupt der russisch-orthodoxen
Kirche. Auf Havannas Flughafen unterzeichneten beide eine gemeinsame
Erklärung.
Xenophobie in Osteuropa: „Sie sehen sich als Verlierer“
Osteuropäer sind enttäuscht von der EU und sehen sich häufig als Opfer der
Geschichte, sagt Juliana Roth, Professorin für Interkulturelle
Kommunikation.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.