| # taz.de -- PK von Obama und Castro auf Kuba: „Zeige mir die Liste“ | |
| > Obama stellte Fragen zu politischen Häftlingen und Menschenrechten. Die | |
| > PK wurde von den Kubanern sehr unterschiedlich beurteilt. | |
| Bild: Obama (l.) und Castro | |
| Havanna ap | Diese TV-Bilder sind die Kubaner nicht gewohnt: Ihr Präsident | |
| Raúl Castro lässt sich live von amerikanischen Journalisten mit Fragen zur | |
| Lage der Menschenrechte und politischen Häftlinge löchern. Und scheint | |
| dabei mitunter sichtlich unter Druck zu geraten. | |
| Diese Szenen spielten sich in einem Land ab, in dem das öffentliche | |
| Infragestellen der Autorität Castros und seines Bruders und Vorgängers | |
| Fidel für die allermeisten undenkbar wäre. In einem Land, in dem die zahmen | |
| Staatsmedien fast stets auf Parteilinie gebracht werden. | |
| Kein Wunder, dass die Pressekonferenz von Castro und US-Präsident Barack | |
| Obama zum TV-Spektakel geriet. „Da wird echt Geschichte geschrieben, ich | |
| hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal sehe“, sagt Marlene Pino, eine | |
| 47-jährige Ingenieurin. „Es ist schwierig, das zu verdauen, was hier | |
| passiert.“ Für Straßenverkäufer Ricardo Herrera ist das Ganze gar „wie in | |
| einem Film, der aber auf dem echten Leben basiert.“ | |
| Besonders in Erinnerung dürfte jener Moment bleiben, in dem Castro im | |
| Palast der Revolution andeutet, dass Havanna in Sachen Menschenrechte nicht | |
| immer perfekt sei. Aber dies sei ja kein Land. Wichtig sei, dass alle sich | |
| um Besserung bemühten, sagte Castro. Dann ging der Staatschef in den | |
| Verteidigungsmodus über: Im Übrigen unterstütze seine Regierung wichtige | |
| menschenrechtliche Themen: Bereitstellung universaler, freier Bildung und | |
| Gesundheitsversorgung. | |
| Die Worte machen in einem Café in Vedado, einem Viertel im Zentrum von | |
| Havanna, mächtig Eindruck. Einheimische und Touristen verfolgen Castros und | |
| Obamas Einlassungen fast schon ehrfürchtig. Eine Frau hält geschockt die | |
| Hand vor den Mund. | |
| ## Vorsichtig in der Öffentlichkeit | |
| „Es ist sehr bedeutsam, das von unserem Präsidenten zu hören, dass er | |
| einräumt, dass nicht alle Menschenrechte in Kuba respektiert werden“, sagt | |
| Raúl Rios. „Wir leben in historischen Zeiten, die Vereinigten Staaten und | |
| Kuba. Das hätte sich früher niemand vorstellen können. Ich denke, das | |
| markiert ein Vorher und Nachher“, fügt der 47-jährige Fahrer hinzu. | |
| Dass sich Präsident Castro einer Pressekonferenz stellt, ist in der Tat | |
| extrem selten. Hin und wieder nimmt der 84-Jährige aber spontan Fragen von | |
| Reportern entgegen, wenn ihm danach ist. Anders als sein älterer Bruder | |
| Fidel, der für stundenlange Monologe berüchtigt war, gilt Raúl Castro | |
| jedoch als ein Redner, der in der Öffentlichkeit eher vorsichtig auftritt. | |
| Zwar unterstehen fast alle Medien in Kuba der Kontrolle von Regierung und | |
| kommunistischer Partei, doch finden sich auch eine Handvoll von | |
| unabhängigen Online-Portalen. Etwas kritischer eingestellte wie die | |
| Webseite „14ymdeio“ der Dissidentin und Bloggerin Yoani Sánchez sind auf | |
| der Insel allerdings blockiert. | |
| ## Plagen des Alltagslebens | |
| Für viele Inselbewohner scheinen aber vor allem Plagen des Alltagslebens im | |
| Vordergrund zu stehen: Korruption, Güterengpässe, niedrige Gehälter etwa. | |
| Mit erklärten politischen Gegnern des Systems solidarisieren sich aus Sicht | |
| von Beobachtern eher wenige Kubaner. | |
| Vielleicht ist auch daher das Echo zu einem Wortgefecht zwischen Castro und | |
| dem kubanisch-amerikanischen CNN-Reporter Jim Acosta bei der | |
| Pressekonferenz eher zwiegespalten. Der Journalist wollte von dem | |
| Staatschef wissen, was mit den politischen Gefangenen sei. Darauf | |
| entgegnete Castro: „Wenn dieses Treffen vorbei ist, können Sie mir einen | |
| Liste mit politischen Gefangenen geben, und wenn wir diese politischen | |
| Gefangenen haben, werden sie noch vor Ende des Abends freigelassen.“ | |
| Kuba steht in der Kritik, weil dort vorübergehend immer wieder | |
| Demonstranten verhaftet werden. Die Praxis der Verhängung langer | |
| Haftstrafen für Verstöße, die laut Menschenrechtsorganisationen politischer | |
| Natur sind, hat die Führung in Havanna indes drastisch heruntergefahren. | |
| Die Gruppe Amnesty International wusste in ihrem jüngsten Bericht von | |
| keinem politischen Gefangenen in Kuba zu berichten. | |
| ## Gewöhnliche Kriminelle? | |
| Allerdings melden Nichtregierungsorganisationen vor Ort, dass eine Liste | |
| mit 80 Häftlingen vorliege, elf weitere seien unter Hausarrest. Kubanische | |
| Behördenvertreter betrachten die meisten von ihnen indes als gewöhnliche | |
| Kriminelle. | |
| Das scheint auch der 81-jährige Oscar Rodriguez so zu sehen. „Der | |
| Journalist fragte ihn (Castro) über einige politische Gefangene aus, die | |
| keine sind. Daher war die Antwort des Präsidenten sehr gut, sehr | |
| angemessen: ‚Zeige mir die Liste‘“, sagt der alte Mann. „Die Fragen sol… | |
| nicht so aggressiv sein.“ | |
| Der 41-jährige Künstler Alexander Galvez war nicht sonderlich von Castros | |
| Gebaren bei der Pressekonferenz beeindruckt. Der Präsident fummelte an den | |
| Kopfhörern herum und beendete die Runde dann abrupt mit den Worten: „Ich | |
| denke, das ist genug.“ Seine Antworten hätten aber einiges zu wünschen | |
| übrig gelassen, sagte Galvez. „Raul wirkte auf mich echt nervös. Ich fand | |
| ihn auch etwas zugeknöpft.“ | |
| 22 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Rodriguez Andrea | |
| Peter Orsi | |
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