# taz.de -- Sicherheitskooperation in Europa: Getrennte Datentöpfe | |
> Mit dem Austausch von Informationen hapert es in der EU. Nach den | |
> Anschlägen von Brüssel fordert de Maizière einen EU-Datenpool. | |
Bild: Belgische Sicherheitskräfte bei der Fahndung in Brüssel | |
BERLIN taz | Ein paar Büroräume in dem großen, grauen Klotz des | |
Europol-Hauptquartiers in Den Haag: Seit Januar sitzt hier das Europäische | |
Antiterrorzentrum, einberufen nach den Paris-Attentaten im November, bei | |
denen es 130 Todesopfer gab. Der „Mittelpunkt aller Informationen im Kampf | |
gegen den Terrorismus in der EU“ solle das Zentrum werden, hatte | |
Europol-Chef Rob Wainwright erklärt. | |
Das Problem nur: So groß ist das Zentrum gar nicht. Gerade mal 39 | |
Mitarbeiter zählt die Behörde. Sie sollen die derzeit rund 5.000 | |
islamistischen Terrorverdächtigen aus der gesamten EU im Blick behalten. | |
Ein heilloses Unterfangen. | |
Nach [1][den Brüsseler Anschlägen] aber ruht die Hoffnung der EU-Länder | |
wieder auf Projekten wie dem Antiterrorzentrum. Reihenweise forderten | |
Regierungschefs eine bessere Kooperation ihrer Sicherheitsbehörden. Am | |
Donnerstag wollen sich die EU-Innenminister zu einem Antiterrorgipfel | |
treffen. | |
„Wir müssen die Informationen austauschen, die da sind“, forderte auch | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die „getrennten Datentöpfe“ | |
seien ein Problem. Justizminister Heiko Maas (SPD) stimmte ein: „Wenn wir | |
uns besser schützen wollen, brauchen wir eine gute Zusammenarbeit der | |
Sicherheitsbehörden in Europa.“ | |
Nach den Brüsseler Anschlägen zeigte sich: Der nun verdächtigte Najim | |
Laachraoui ist wohl unbehelligt durch Europa gereist, obwohl schon länger | |
nach im gefahndet wurde. Vergangenen September soll Laachraoui auf seinem | |
Weg von Ungarn nach Belgien auch Deutschland passiert haben, möglicherweise | |
gemeinsam mit dem mutmaßlichen Paris-Attentäter Salah Abdeslam. Einen Monat | |
später soll Abdeslam nach Ulm gefahren sein, um dort drei Kontaktleute | |
abzuholen, die bis heute verschwunden sind. | |
## Keine gemeinsame Basis | |
De Maizière fordert nun einen EU-Datenpool, in dem alle in den Schengenraum | |
Einreisenden registriert werden. Derzeit würden zwar Visa ausgestellt, ob | |
eine Person aber tatsächlich einreist oder nicht, werde nicht erfasst. | |
Schon vor Wochen hatte der Innenminister zudem eine Verknüpfung von | |
europäischen Datenbanken gefordert und die Erhebung von Fluggastdaten. Das | |
Vorhaben, betonte er nun, dürfe auch nicht am Datenschutz scheitern. | |
„Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten hat die Sicherheit Vorrang.“ | |
Bisher laufen in der EU mehrere Datensysteme nebeneinander: das Schengener | |
Informationssystem für Grenzbeamte (SIS) etwa, die Fingerabdruckdatei | |
Eurodac und das Visa-Informationssystem. Eine gemeinsame Datei, die alle | |
Terrorverdächtigen erfasst, gibt es nicht. Im SIS sind nur knapp 2.000 der | |
5.000 Terrorverdächtigen gespeichert. Das liegt daran, dass den EU-Ländern | |
bereits eine gemeinsame Definition fehlt, wer als Gefährder gilt, wie die | |
Bundesregierung jüngst einräumte. Dies zu ändern, werde auch „angesichts | |
der unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht ohne Weiteres zu erzielen | |
sein“. | |
Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamtes, sagte, dass in Deutschland alle | |
Polizeien auf ein Datensystem zugreifen könnten. „Eine solche | |
Informationsdrehscheibe gibt es auf europäischer Ebene nicht.“ So | |
beteiligten sich etwa an der zentralen Fingerabdruckdatei gerade mal die | |
Hälfte der 28 EU-Länder. „Hier müssen wir schneller und besser werden.“ | |
Auch die Geheimdienste dringen auf eine stärkere Kooperation. Seit Jahren | |
sind diese informell als „Counter Terrorism Group“ zusammengeschlossen. | |
Demnächst wollen sie eine Plattform einrichten, auf der Erkenntnisse über | |
ausländische Kämpfer zusammenlaufen sollen. Nach dem Schwenk der | |
Terroristen auf internationale Netzwerke müssten auch die Geheimdienste | |
„zukünftig noch enger zusammenarbeiten“, erklärte Verfassungsschutzchef | |
Hans-Georg Maaßen. | |
## „Massive Unterschiede“ | |
Doch der schwedische Sicherheitsexperte Björn Fägersten verweist auf die | |
Hürden. Die Geheimdienste hätten in den Ländern ganz unterschiedliche | |
Kompetenzen. Es gebe große Unterschiede, ob und wie mit Polizeibehörden | |
kooperiert werden darf. Auch fürchteten die Dienste das Auffliegen ihrer | |
Quellen, wenn sie Informationen weitergeben – und hielten sich im | |
Zweifelsfall lieber bedeckt. | |
Der Terrorexperte Guido Steinberg sprach von „massiven Unterschieden“ | |
zwischen den Sicherheitsbehörden der Länder, mit starken Diensten etwa in | |
Frankreich oder England und „völlig überforderten“ wie in Belgien. Er sei | |
„schockiert“, was trotz aller Diskussionen bis heute „nicht ausgetauscht�… | |
werde, sagte Steinberg der ARD. | |
Am Ende bleibt oft doch der nationale Weg. So beschloss die Bundesregierung | |
am Mittwoch ein neues Sicherheitspaket. Bis 2020 sollen 630 Millionen Euro | |
für Schutzausrüstung, Technik, Waffen oder Fahrzeuge ausgegeben werden. De | |
Maizière will zudem noch über eine „deutliche personelle Stärkung“ der | |
Sicherheitsbehörden mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) | |
nachverhandeln. | |
23 Mar 2016 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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