# taz.de -- Wissenschaft und Wirtschaft: Professor Doktor Volkswagen | |
> Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn trägt einen Professorentitel der | |
> TU Dresden. Die Anforderungen dafür erfüllt er aber nicht. | |
Bild: Legte als VW-Chef Wert auf seinen Titel: Martin Winterkorn | |
Berlin taz | Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn muss | |
um seinen Professorentitel an der Technischen Universität Dresden bangen. | |
Die TU kündigte gegenüber der taz an, „die entsprechenden Überprüfungen | |
vorzunehmen und notwendige Konsequenzen zu ziehen“, sollte sich bei den | |
derzeit laufenden Ermittlungen eine persönliche Verantwortung Winterkorns | |
für den Abgasskandal herausstellen. Im sächsischen Hochschulgesetz heißt | |
es: „Die Berechtigung zur Titelführung soll entzogen werden, wenn er sich | |
ihrer als nicht würdig erweist.“ | |
Winterkorn wurde 2004, damals war er noch Chef der Konzerntochter Audi, zum | |
Honorarprofessor für „Leichtbauwerkstoffe im Fahrzeugbau“ ernannt. | |
Honorarprofessoren sind nebenberufliche Hochschullehrer, die aber den | |
prestigeträchtigen Titel „Prof.“ ohne einschränkenden Zusatz führen dür… | |
Anders als der relativ häufig verteilte „Dr. h. c.“ ist ein | |
Honorarprofessor-Titel kein reines Schmuckwerk, sondern bedeutet eine echte | |
akademische Aufgabe. Allerdings ist nach taz-Recherchen zweifelhaft, ob | |
Winterkorn den Professorentitel jemals rechtmäßig führen durfte. | |
Seit knapp zehn Jahren hält Winterkorn keine Vorlesungen mehr. Ende 2006 | |
war klar, dass er zum Chef der Konzernmutter VW aufsteigen würde. Aus | |
Zeitgründen seien danach Lehrveranstaltungen nicht mehr möglich gewesen, | |
sagt ein Sprecher der TU. Wer ausscheidet, so heißt es im sächsischen | |
Gesetz, muss als Honorarprofessor fünf Jahre „Dienstzeit“ geleistet haben, | |
um lebenslang den Titel führen zu können. | |
Auf einer Liste der aktiven Honorarprofessoren des Fachbereichs | |
Maschinenwesen fehlt der Name Winterkorns – er ist somit aus dem Dienst | |
ausgeschieden. Zuvor hatte er nur drei Semester lang jeweils eine | |
Blockvorlesung gehalten. Somit erfüllt er nicht die Fünfjahres-Anforderung. | |
## Kein persönlicher Einsatz | |
Obwohl Winterkorn nicht auf der Liste steht, sagt die TU, dass er bis heute | |
Honorarprofessor sei. Die Universität kann aber keine konkreten Beispiele | |
für einen persönlichen wissenschaftlichen Einsatz Winterkorns nach 2006 | |
nennen – der für eine Titelberechtigung nötig wäre. Ein Sprecher nennt nur | |
„Aktionen und Projekte aus Lehre und Forschung“ und verweist auf | |
„studentische Exkursionen“ zu Volkswagen, Kooperationen zwischen Konzern | |
und Uni und von VW geförderte TU-Doktoranden. | |
Fragwürdig sind auch die Umstände, unter denen Winterkorn zum | |
Professorentitel kam. Um in Sachsen Honorarprofessor zu werden, muss man | |
vorher an der jeweiligen Uni gelehrt oder in einer „engen | |
wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeitsbeziehung“ gestanden haben, | |
heißt es im Gesetz. | |
Eine enge Arbeitsbeziehung bestand vor 2004 aber offensichtlich nicht. „Es | |
gab im Rahmen vielfältiger gemeinsamer Forschungsprojekte zwischen der TU | |
Dresden und Audi und VW Kontakte, Gespräche, Planungen und Austausch“, sagt | |
die Pressestelle heute nur. Persönlichen wissenschaftlichen Einsatz | |
Winterkorns konnte die TU nicht nennen. Aus Universitätskreisen heißt es, | |
dass in den 90er Jahren Mathematikstudenten ein Aerodynamikproblem bei der | |
Entwicklung des Sportwagens Audi TT mitgelöst hätten – wenn dies stimmt, | |
hätten aber eher diese Studenten eine Honorarprofessur verdient. | |
## Drittmittel vom Konzern | |
Auffällig ist, dass die Uni die enge Zusammenarbeit mit Volkswagen betont, | |
um die vorgeblichen akademischen Meriten Winterkorns herauszustellen. VW | |
und Audi spielen für die TU Dresden eine bedeutende Rolle. Sie haben | |
regelmäßig Drittmittelaufträge an die Uni vergeben; bereits seit 1990 | |
arbeiten Konzern und Uni bei Forschungsprojekten zusammen. Das eine hat mit | |
dem anderen aber nichts zu tun – das Engagement eines Unternehmens kann | |
nicht mit einer Honorarprofessur für den Chef belohnt werden. | |
Die freigiebige Titelvergabe an Winterkorn dürfte ein klassisches | |
Tauschgeschäft gewesen sein. Einerseits konnte Winterkorn intern seine | |
Autorität als Manager durch den Titel untermauern. Die TU wiederum konnte | |
sich mit einem prominenten Namen schmücken und die wichtige Verbindung zum | |
Konzern stabilisieren. Damals rang die TU noch um ihren Platz unter den | |
deutschen Topuniversitäten. Heute ist sie neben der Berliner Humboldt-Uni | |
die einzige ostdeutsche Exzellenz-Hochschule. | |
Martin Winterkorn war auf Anfrage nicht zu sprechen. Die | |
Volkswagen-Pressestelle ging auf die Recherchen nicht näher ein und teilte | |
in seinem Namen lediglich mit, dass Winterkorn „seit 2004 Honorarprofessor | |
der TU Dresden“ sei. Er habe „2015 aufgrund starker terminlicher Belastung�… | |
die Lehrtätigkeit nicht wahrnehmen können. „Er hat aber vor, in absehbarer | |
Zeit die Vorlesungsreihe wieder aufzunehmen“, sagte ein Sprecher. | |
Außerdem habe Winterkorn von der Technischen Universität in Budapest | |
bereits im Jahr 2003 ebenfalls einen Honorarprofessorentitel verliehen | |
bekommen. Die Uni in Budapest ist aber lockerer, was die formalen | |
Anforderungen angeht. Volkswagen konnte auf Anfrage nicht sagen, auf | |
welchen Titel sich der „Prof. Dr. Winterkorn“ in der Konzernkommunikation | |
eigentlich bezog. In offiziellen Schreiben habe man die diversen Titel | |
Winterkorns pauschal durch den Zusatz „mult.“ abgedeckt, erklärte ein | |
Sprecher. | |
20 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
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