| # taz.de -- Schleswig-Holstein und Schweinefleisch: Im Plenum ist die Sau los | |
| > Schleswig-Holsteins Landtag diskutiert CDU-Vorschlag, in Kantinen Schwein | |
| > anzubieten. Eine Debatte über „Esskulturimperialismus“ und | |
| > „Wurst-Case-Szenarien“. | |
| Bild: Lecker grunz! Alle sollen grunzen! | |
| HAMBURG taz | Selten hat ein Thema die schleswig-holsteinischen | |
| Landtagsabgeordneten so erregt wie der CDU-Antrag für | |
| Schweinefleisch-Angebote in öffentlichen Kantinen. Gejohle, Gelächter, | |
| Kalauer und Wortspiele prägten die Debatte am Mittwochnachmittag. Die CDU | |
| sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, Stimmung gegen Flüchtlinge zu | |
| machen. Am Ende verwarfen alle anderen Fraktionen den CDU-Vorstoß. | |
| Schweine-Metaphern konnten sich bloß die Grünen verkneifen. | |
| Die CDU wollte mit ihrem Antrag erreichen, dass sich die Landesregierung | |
| dafür einsetzt, „Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot | |
| sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen“ zu erhalten. | |
| Der Minderheitenschutz dürfe nicht dazu führen, dass eine Mehrheit aus | |
| falsch verstandener Rücksicht in ihrer Entscheidung überstimmt werde. | |
| Der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat entschied sich dafür, dem Vorschlag | |
| mit Ironie und Satire zu begegnen. Der CDU-Antrag zeige, dass die Lage | |
| offenbar ernst sei und der Kulturkampf zwischen Orient und Okzident einen | |
| neuen Höhepunkt erreicht habe. „Heute kommen die muslimischen Flüchtlinge | |
| bekanntlich zu keinem anderen Zweck nach Mitteleuropa, als uns, Seite an | |
| Seite mit Vegetariern, Veganern und Rheumatikern, das Schweinefleisch madig | |
| zu machen“, ätzte er. | |
| Oliver Kumbartzky von der FDP fand, der Antrag habe sich für die Union „im | |
| Schweinsgalopp zum Wurst-Case-Szenario“ entwickelt. Kumbartzky malte sich | |
| aus, was aus dem unbestimmt formulierten Antrag folgen könnte – von einer | |
| Empfehlung (“Guten Appetit, Ihre Landesregierung“) über eine | |
| Schweineverordnung für Kitas bis hin zur Aufnahme des „Grundrechts auf | |
| Schweinefleisch“ in die Verfassung. | |
| Angelika Beer von den Piraten sprach sich „gegen den Esskulturimperialismus | |
| aus“. Es müsse nicht jede Sau durchs Plenum getrieben werden. | |
| Und der SSW, die Partei, die sich besonders um die Anliegen der dänischen | |
| Minderheit kümmert, warf der CDU vor, sie bediene sich der suggestiven | |
| Argumente von Parteien, „die als wenig stubenrein gelten“. Fraktionschef | |
| Lars Harms schimpfte: „Ohne Grund Ressentiments gegen Gruppen zu schüren, | |
| ist das Werk von Schweinepriestern.“ | |
| CDU-Fraktionschef Daniel Günther verteidigte den Antrag mit dem Hinweis, | |
| dass ein immer größerer Teil der Wählerschaft sich abwende, „weil diese | |
| Menschen nicht sehen, dass wir uns um die alltäglichen Probleme der | |
| Integration kümmern“. Es werde schon nach Geschlechtern getrennter | |
| Schwimmunterricht gefordert; in Norderstedt werde darüber diskutiert, im | |
| Schwimmbad getrennt zu rutschen und bei einer Tafel im Land habe sich ein | |
| afghanischer Asylbewerber über einen zu tiefen Ausschnitt einer | |
| Mitarbeiterin beklagt, die daraufhin von der Essensausgabe verbannt worden | |
| sei. | |
| „Wer über praktische Herausforderungen der Integration redet, muss über | |
| Sprache, Bildung, Wohnung, Arbeit sprechen“, konterte SPD-Mann Habersaat. | |
| Und Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben fand: „Viel wichtiger als die | |
| Frage nach dem Schwein ist doch: Woher kommen die Zutaten? Bereiten die | |
| Kinder das selber vor? Wird gemeinsam gegessen?“ | |
| Außerdem gebe es wichtigere Debatten, wie die über das Kopftuch im | |
| Staatsdienst oder über muslimische Feiertage. Der CDU-Antrag sei | |
| brandgefährlich, denn er spalte in „unsere“ Kultur und „deren“ Kultur, | |
| sagte von Kalben: „Lassen Sie uns ernsthaft diskutieren: Über Identitäten | |
| und wie wir zusammenkommen.“ | |
| 10 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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