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# taz.de -- Kommentar Nord-CDU und Fleischpflicht: Kein Schwein gehabt
> Niemand will Schweinefleisch verbieten. Niemand fordert eine Pflicht. Die
> Nord-CDU blamiert sich mit einem rechtspopulistischen Vorstoß.
Bild: Die CDU tut sich wieder durch besonderes Mettgefühl hervor
Nein, die CDU in Schleswig-Holstein hat nicht im Ernst eine
„Schweinefleisch-Pflicht“ für Kantinen in Schulen, Kitas und Behörden
gefordert. Und selbstverständlich will sie Muslime, Juden und Vegetarier
nicht dazu zwingen, Schweinefleisch zu essen. Es wäre in der Tat arg
verkürzt, das so hinzustellen. Vielmehr will die Nord-CDU den Kantinen im
Land lediglich „empfehlen“, Schweinefleisch auf dem Speiseplan zu belassen,
hat sie jetzt klargestellt. Denn dass mehrere öffentliche Einrichtungen in
Schleswig-Holstein – unter anderem aus Rücksicht auf Muslime und Vegetarier
– inzwischen auf Schweinefleisch verzichten, hält sie für „falsch
verstandene Toleranz“.
Den Spott und die Häme, die über sie herein gebrochen sind, hat sich die
Nord-CDU mit ihrem Vorstoß gleichwohl redlich verdient. Und es ist ja auch
kein Zufall, dass es bislang vor allem rechtspopulistische Parteien waren
und sind, die in anderen europäischen Ländern eine Lanze fürs Schwein
brechen – in Frankreich etwa der Front National, in Dänemark die
einflussreiche „Volkspartei“.
Auch die Rede von der „falschen Toleranz“ ist ein klassischer Topos
rechtspopulistischer Agitation. Dahinter steht ein reales Problem –
nämlich, wie man in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft den
divergierenden Bedürfnissen unterschiedlicher Gruppen Rechnung trägt. Da
kann es dann passieren, dass Schweinefleisch-Fans in die Defensive geraten.
Tatsächlich gibt es mancherorts in Großstädten die Tendenz, das Schwein von
der Speisekarte zu streichen, weil es Veganern, Muslimen und vielen anderen
einfach nicht schmeckt.
Wer aber das Recht auf Schweinefleisch auf der Speisekarte zur deutschen
Tradition erklärt, die es um jeden Preis zu erhalten gelte, hängt nicht nur
einem statischen Kulturbegriff an, der jeden Kulturwandel – wie den Trend
zum Fleischverzicht – per se ausschließt, sondern redet einem Kulturkampf
das Wort. Man kann die antimuslimische und antiliberale Stoßrichtung der
Forderung (“Die sollen sich gefälligst anpassen“) leicht überhören, wenn
man sich davon nicht betroffen fühlt. Das ändert aber nichts daran, dass es
gerade der antimuslimische Unterton ist, welcher die Forderung für
bestimmte Kreise so attraktiv macht. Denn sie suggeriert, dass sich freche
Muslime hier Sonderrechte heraus nehmen, um eine schleichende Islamisierung
der Gesellschaft zu betreiben.
Dabei hat der Trend weg vom Schwein nur bedingt mit Muslimen zu tun. Und
wenn Kitas und Kantinen es von ihrem Speiseplan streichen, dann tun sie das
meist aus rein pragmatischen Gründen. Ideologisch ist es vielmehr, darauf
zu beharren, dass es immer Schweinefleisch geben muss, auch wenn es keiner
essen mag. Und darauf läuft die Forderung der Nord-CDU letztlich hinaus.
Doch auch Muslime, Juden und Vegetarier sind in diesem Land Steuerzahler
und Bürger und dürfen deshalb selbstverständlich mitbestimmen, was in
öffentlichen Einrichtungen auf den Tisch kommt.
Die Nord-CDU hat der AfD damit aber eine Steilvorlage und ein Stichwort
geliefert. Wir werden deshalb noch erleben, wie Rechtspopulisten auch
hierzulande für das Recht auf Schweineschnitzel agitieren werden - selbst
wenn sie privat Vegetarier sind. Es geht nämlich ums kulinarische
Abendland, das wieder mal gerettet werden muss.
2 Mar 2016
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Vegetarismus
Rechtspopulismus
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