# taz.de -- CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther: Ausdauersportler im Spagat | |
> Die CDU in Schleswig-Holstein verschleißt Vorsitzende wie sonst nur der | |
> HSV seine Trainer. Der neue Mann heißt Daniel Günther und hat sich viel | |
> vorgenommen. | |
Bild: Will die CDU modernisieren: Daniel Günther auf dem Landesparteitag in Ne… | |
Kiel taz | Nun soll es also Daniel Günther richten. Der 43-Jährige wurde am | |
Samstag auf einem Parteitag von 81 Prozent der Stimmberechtigten zum | |
Vorsitzenden und Spitzenkandidaten der schleswig-holsteinischen CDU für die | |
Landtagswahl im Mai nächsten Jahres gewählt. 44 der 257 Delegierten | |
stimmten gegen ihn, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab. Da Günther auch | |
schon Vorsitzender der CDU-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag | |
ist, vereint er nun alle Spitzenämter der Partei auf sich – wie zuletzt | |
Christian von Boetticher. | |
Der war im August 2011 über seine Affäre mit einer 16-Jährigen gestolpert | |
und war damit der erste einer Kette von vier Landesvorsitzenden, die es | |
nach der Manier von HSV-Trainern allerhöchstens zwei Jahre im Amt hielt. | |
„Ich trete an, um die Partei lange zu führen“, sagt hingegen Daniel Günth… | |
im Gespräch mit der taz.nord. „Ich will der CDU Schleswig-Holstein endlich | |
wieder Kontinuität geben. Mein langfristiges Ziel ist die Modernisierung | |
der Partei aus der Regierung heraus im Lauf der nächsten | |
Legislaturperiode.“ | |
## Ziel: die Partei modernisieren | |
Dafür hofft Günther, nach eigenen Angaben „gläubiger Katholik“, sogar ei… | |
Spagat zu bewältigen, bei dem man sich leicht eine Zerrung zuziehen kann: | |
„Unsere Linie muss sein, konservativ in der Sicherheitspolitik zu bleiben | |
und in der Gesellschaftspolitik modern zu sein.“ | |
Mit diesem Kurs will der Politologe die Probleme der CDU im höchsten Norden | |
lösen. Die sind lange bekannt, denn es sind seit Jahren dieselben, aber | |
beseitigen konnte sie noch niemand: Die CDU, die auf dem Land so stark ist, | |
dass sie fast alle Wahlkreise direkt gewinnt, schwächelt enorm in den | |
Städten. Weil die Partei mehr Direktmandate erringt, als ihr aufgrund des | |
Zweitstimmen-Ergebnisses zustehen würden, kommt bei Landtagswahlen die | |
Liste nicht zum Zuge. Damit haben Frauen, die gute Listenplätze, aber keine | |
Wahlkreise haben, schlechte Karten, ebenso Männer aus städtischen | |
Wahlkreisen, weil die traditionell an die SPD gehen. | |
Dass der jugendlich wirkende 43-Jährige der Richtige sein soll, um die | |
Männerpartei CDU zu neuen Ufern zu führen, wird auch außerhalb seiner | |
Fraktion bezweifelt. „Ein Leichtgewicht“ sei er, raunen böse Zungen im | |
Landeshaus. Ein als besonders spottlustig berüchtigter Abgeordneter nennt | |
Günther „den ewigen Abiturienten“. Der nimmt das gelassen. Er sehe eben | |
jünger aus als er sei, schmunzelt er. Aber an seinem Durchhaltevermögen | |
zweifelt der Hobbyläufer nicht: „Ich bin Ausdauersportler.“ | |
Und so versucht Günther sich nun, ein halbes Jahr vor der Wahl, am Erbe des | |
Peter Harry Carstensen, der von 2005 bis 2012 als Ministerpräsident und | |
Parteichef die CDU im nördlichsten Bundesland prägte. Der trinkfeste | |
Agraringenieur von der Insel Nordstrand, der keinem Volksfest fernblieb und | |
nie um einen lockeren Spruch verlegen war, verkörperte als letzter | |
prominenter Christdemokrat die Verbundenheit der Partei mit der heimischen | |
Scholle: Bauern und Jäger, Konservative und Gottesfürchtige fanden in dem | |
weißblonden Hünen den Recken, der sie vor zu viel Neumoderne bewahrte. Doch | |
seit Carstensen 2012 mit 65 Jahren in den politischen Ruhestand trat, wird | |
seine Partei vom permanenten Unruhestand durchgeschüttelt. | |
## CDU ohne Frauen „nicht attraktiv“ | |
Günther spricht deshalb von einer „eklatanten Schwäche“ in den Städten u… | |
gibt zu, dass die Frauenförderung lange verpasst worden sei: „Wir müssen | |
Frauen gezielt ansprechen – das ist eine Führungsaufgabe.“ Selbst über die | |
Quote, bei der CDU seit Jahren ein [1][Streitthema zwischen Frauen-Union | |
und Vorstand], könne nachgedacht werden. „Ich lehne die Frauenquote nicht | |
ab“, sagt Günther: „Eine CDU, die nicht mit Frauen antritt, ist auf Dauer | |
nicht attraktiv.“ | |
Blöd nur, dass auch der Landesvorsitzende die Kreisverbände nicht dazu | |
zwingen kann, Frauen aufzustellen. Aber Günther hofft auf die Einsicht: | |
„Auch der ländliche Raum hat nichts gegen gute Frauen.“ In mehreren | |
ländlichen Kreisen sind Frauen erfolgreiche Vorsitzende, und generell sei | |
die Landes-CDU in solchen Fragen offen. | |
„Die CDU Schleswig-Holstein darf konservativ sein, aber ohne modernen | |
Verbraucherschutz und Offenheit für alle Lebensweisen geht es gar nicht“, | |
sagt Günther. Er, der mit einer Ärztin verheiratet und Vater einer | |
zehnmonatigen Tochter ist, hat sich für die Ehe von gleichgeschlechtlichen | |
Paaren ausgesprochen und dafür auf Bundesebene Kritik geerntet – aber Lob | |
aus der Landespartei. | |
Und Themen wie Naturschutz beurteilen in Zeiten des Klimawandels selbst | |
Bauernverbände nicht mehr ideologisch. Für den designierten Parteichef ist | |
klar: „Wir müssen uns für die Gruppen mit einem urbanen Lebensstil öffnen, | |
sonst treiben wir sie in die Hände der Grünen.“ | |
## Der Traum von „Jamaika“ | |
Dass Daniel Günther mit den Grünen kann, ist bekannt. „Jamaika wäre mir | |
schon lieb“, sagt er auf die Frage nach möglichen Regierungspartnern. Noch | |
schöner als der Dreierbund mit Liberalen und Grünen wäre für die CDU jedoch | |
eine Zweierkoalition mit der FDP – wenig überraschend, weil dann über | |
Themen wie Ausbau der Autobahn A20 oder die Fehmarnbelt-Querung nicht lange | |
gestritten werden müsste. | |
Ein Hauptfaktor im Wahlkampf wird die AfD sein. Auch wenn der | |
AfD-Landesverband bisher nur durch Streit aufgefallen ist – gerade die CDU | |
muss sich mit der Konkurrenz von rechts befassen. Aber selbst mit einem | |
strikten konservativen Kurs könne die CDU die AfD nicht verhindern, glaubt | |
Günther. „Das geht nur mit Problemlösungen.“ | |
Durch rechte Parolen oder populistische Kampagnen werde die CDU nicht | |
versuchen, Stimmen aus dem AfD-Lager zu erobern, verspricht Günther: „Wer | |
die AfD wählt, weil er was gegen Homosexuelle hat, dem können wir keine | |
Heimat bieten. Wer konsequentes Vorgehen gegen Bandenkriminalität will, dem | |
dagegen schon.“ | |
## Fraktion auf Krawall gebürstet | |
Dass passt allerdings nicht ganz zum Verhalten der CDU-Landtagsfraktion, | |
die gerade unter Daniel Günther seit zwei Jahren auf scharfen Angriff auch | |
bei kleinen Themen gebürstet ist: Mal ging es um [2][Schweinefleisch in | |
Kitas], mal um den [3][Zwang für Landesminister, im Land zu leben]. Glück | |
für die Opposition war, dass Albigs MinisterInnenriege häufig | |
Angriffsflächen bot. | |
Die ehemalige Bildungsministerin Wara Wende hatte sich einen | |
Rückkehrvertrag für ihre Uni schreiben lassen, die Justizministerin Anke | |
Spoorendonk nach einer Geiselnahme im Lübecker Gefängnis unkritisch ihre | |
Leute in Schutz genommen und Sozialministerin Kristin Alheit geriet über | |
den Friesenhof-Skandal ins Stolpern. Fehler und Schwächen zu benennen, | |
Themen zu platzieren sei okay, findet Günther. „Populistisch wird es, wenn | |
man Leute diffamiert.“ | |
21 Nov 2016 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
Sven-Michael Veit | |
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