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# taz.de -- Kommunikation über Nato in der Ägäis: Schlupflöcher für Profis
> Nato- und Bundeswehr-Schiffe, die in der Ägäis Flüchtlinge aufgreifen,
> bringen diese in die Türkei, sagt die Bundesregierung. Ist das wirklich
> so?
Bild: Um diese Kreuzer geht es.
Lügen ist für Anfänger. Lügner kann keiner leiden; wer in der Hauptstadt
etwas werden will, sollte auf Lügen verzichten. Profis in Parlamenten und
Ministerien haben für den Umgang mit unbequemen Wahrheiten ohnehin eine
bessere Strategie. Wie die funktioniert, hat der Pressestab des
Verteidigungsministeriums in den vergangenen Wochen vorgeführt. Nennen wir
die Lektion mal: Verwirrungen und Schlupflöcher für Fortgeschrittene.
Es geht um den Einsatz gegen Flüchtlinge und Schlepper in der Ägäis.
Schiffe der Nato und der Bundeswehr kreuzen seit Kurzem zwischen der
türkischen Küste und den griechischen Inseln. Ihre Aufgabe: die Routen von
Flüchtlingsbooten beobachten und Informationen weiterleiten – an die
türkische und griechische Küstenwache oder an Frontex.
Nur wenn die Nato-Schiffe dabei ein absaufendes Schlauchboot treffen,
müssen sie die Insassen retten. Normalerweise sind aber die Küstenwachen
und Frontex dafür zuständig, die Flüchtlinge zu stoppen und an Bord zu
nehmen. Eigentlich einfach – wäre nicht die Frage, was dann geschieht.
„Es ist fest verabredet mit der Türkei, dass die Flüchtlinge zurück in die
Türkei gebracht werden“, so Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im
Februar. So sende man Flüchtlingen das Signal: Es lohne sich nicht,
Schlepper zu bezahlen.
## Verheerend für die Botschaft der Ministerin
Das Problem ist nur: Ganz so fest war die Verabredung mit der Türkei
zunächst gar nicht. Zumindest nicht, was Flüchtlinge betrifft, die erst in
griechischen Gewässern an Bord genommen werden. Von ihnen wurde bis heute
kein Einziger auf direktem Weg zurück in die Türkei gebracht. Das ist
natürlich prima für die Flüchtlinge und für die Schleuser zumindest nicht
geschäftsschädigend, für die Botschaft der Verteidigungsministerin aber
verheerend. An dieser Stelle kommen die Kniffe der Profis ins Spiel.
Kniff 1: grundsätzlich. „Im Grundsatz (...) besteht die grundsätzliche
Bereitschaft, die die Türkei erklärt hat, dass Personen, die sich von der
Türkei auf das Wasser begeben und dort von den jeweiligen Küstenwachen
angehalten werden (...), von der Türkei wieder zurückgenommen werden.“ Das
sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums Ende Februar in der
Bundespressekonferenz. „Grundsätzlich“ ist in dem Fall ein Joker. Es kann
für alles stehen, zum Beispiel: Grundsätzlich nimmt die Türkei alle
Flüchtlinge zurück, ausgenommen nur solche mit einem Kopf und zwei Augen.
Noch subtiler funktioniert Kniff 2: wenn/dann. „Wenn es von griechischem
Hoheitsgebiet zu Rückführungen kommt, dann wird das durch die griechische
Küstenwache oder durch Frontex vollzogen“, sagte der Sprecher wenige Tage
später. Klingt verbindlich. Ob es zu solchen Rückführungen kommt, hat der
Sprecher damit aber nicht gesagt. Dafür sei er ohnehin der falsche
Ansprechpartner, man solle bei Frontex nachfragen.
Die Antwort von Frontex ist klarer: „Alle Personen, die auf griechischen
Gewässern gerettet werden, werden an die griechische Küste gebracht“,
schreibt die Grenzagentur auf Nachfrage. In der Türkei habe sie noch nie
einen Flüchtling abgeladen. Ähnliches gilt für die griechische Küstenwache.
Und was ist nun mit den Nato-Schiffen? Diese Woche verkündete der Sprecher
des Verteidigungsministeriums einen Durchbruch. „Wenn Sie Menschen in
griechischen Gebieten retten, dürfen Sie diese Menschen in die Türkei
bringen?“, fragte ein Journalist in der Bundespressekonferenz. „Sie haben
gut zugehört“, sagte der Sprecher. Ganz ohne Grundsatz und Wenn/dann.
Damit wäre die Lektion beendet, hätte sich Stunden später nicht noch der
Nato-Chef Jens Stoltenberg gemeldet: Die Rückführung müsse in
„Übereinstimmung mit internationalem Recht vonstattengehen. Darüber
diskutieren die Türkei und die EU noch.“ Ach so? Bringen die Nato-Schiffe
also doch noch niemanden in die Türkei?
Und damit kommen wir zum letzten Trick, diesmal direkt aus Brüssel. „Die
Entscheidung, wo gerettete Personen von Bord gehen, ist Angelegenheit der
jeweiligen an der Mission teilnehmenden Nation“, antwortet die
Natopressestelle. Kniff 3: Wir können nichts sagen. Zuständig sind die
anderen.
10 Mar 2016
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Verteidigungsministerium
Ursula von der Leyen
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Nato
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