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# taz.de -- Berlinale-Ausstellung: Forum Expanded: Abgrundtiefe Lufträume
> Die Akademie der Künste zeigt hochpolitische Arbeiten, bei denen Film und
> zeitgenössisches Kunstschaffen miteinander paktieren.
Bild: Abseits des roten Teppichs geht es bei der Berlinale hochpolitisch zu. Im…
Die Motti wechseln, in der Sache aber bleibt sich das Forum Expanded (FE)
treu und schaut wie immer genau und interessiert nach, wie Film und
zeitgenössisches Kunstschaffen miteinander paktieren. Und je länger man
diese Recherche über die Jahre hinweg begleitet, desto höher schätzt man
sie wert.
Auch wenn das von Stefanie Schulte-Strathaus verantwortete
Berlinale-Programm nicht mit einem so glanzvollen Statement aufwarten kann
wie die Staatlichen Museen zu Berlin, die im Hamburger Bahnhof Julian
Rosefeldts „Manifesto“ zeigen – in dieser zwölfteiligen Video-Installati…
spricht Cate Blanchett in der Rolle als Nachrichtensprecherin,
Choreografin, Lehrerin et cetera über 50 Künstlermanifeste von 1848 bis
2004.
„Traversing the Phantasma“, die Leitidee des diesjährigen Forum Expanded,
zu der Helmut Draxlers am Sonntagnachmittag eine elegante Keynote Lecture
gab, könnte auch über Rosefeldts Versuchsanordnung stehen.
Die Akademie der Künste, wo das FE seit letztem Jahr zu Hause ist, ist
dieses Mal der Ort, an dem Kino und Kunst politisch argumentieren.
Beispielhaft für das Ausstellungskonzept fährt Natascha Sadr Haghighian in
ihrer Installation „Pssst Leopard 2A7+“ einen Panzer auf.
## Dem Panzer zuhören
Die aufeinandergestapelten und mit Lego-Bauplatten verkleideten
Holzpaletten in den Maßen 3,76 x 7,72 Meter sind allerdings eher die
ironische Version eines der bestverkäuflichsten Militärexporte
Deutschlands.
Leiht man sich bei der Aufsicht einen Kopfhörer und besteigt den Panzer,
kann das Gerät dort in einen von sechzig Anschlüssen gestöpselt werden, die
mit je einem anderen Sounddokument unterlegt sind, das so die verschiedenen
Kontexte in Bewusstsein ruft, in denen man dem Panzer begegnet.
So hört man etwa, wie sich die irakischstämmige Architektin Zaha Hadid
empört, als sie in einem BBC-Interview auf die Arbeiter angesprochen wird,
die auf der Baustelle des von ihr entworfenen Al-Wakrah-Stadions in Katar
zu Tode kamen.
In das Emirat, in dem wohl 2022 die Fußballweltmeisterschaft stattfinden
wird, wurden Ende 2015 die ersten von 62 Leopardpanzern ausgeliefert, die
der Wüstenstaat gekauft hat. Warum heißt in Deutschland überhaupt ein
Panzer Leopard und ein Kettenfahrzeug Wiesel? Das versucht der Autor und
Medienwissenschaftler Sami Khatib im Gespräch zu rekonstruieren, denn ganz
genau weiß man es nicht.
## Von Kalkbrenner zu Kant
Immer wieder entsteht also in den Soundstücken, etwa wenn Paul Kalkbrenner
deutschen Techno und französischen Pop mixt, ein Raum, in dem sich Realität
und Phantasie, Reflexion und Artikulation auf vertrackte Weise in die Quere
kommen.
Kalkbrenners Track zum Beispiel rührt aus dem Umstand her, dass die Firma
Krauss-Maffei Wegmann (KMW), die den Leopard herstellt, kürzlich mit dem
französischen Rüstungskonzern Nexter Systems zu KANT – Akronym aus K(MW)
And Nexter Together – fusionierte.
Von Kant, dem Königsberger Philosophen, sind dann auch Ausschnitte aus
seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ zu hören. Nirgendwo lässt sich im
Moment, so scheint es, besser über Flucht- und Migrationsursachen
nachdenken, als auf Natascha Sadr Haghighians Plattform.
Wie es um die Menschen bestellt ist, die in ihrem Leben so schwerwiegende
Umbrüche wie politische Systemwechsel, Krieg und Vertreibung durchlitten,
erfährt man dann in Kader Attias vierteiliger Videoarbeit „Les oxymores de
la raison/Reason’s Oxymorons“.
## Heiler und Griots
Der französische Künstler mit algerischen Wurzeln interviewte für diese
Arbeit westliche Philosophen, Ethnologen, Historiker, Psychiater oder
Psychoanalytiker auf der einen Seite und traditionelle Heiler und Griots
aus nichtwestlichen Kulturen, um zu erfahren, wie sie jeweils psychische
Störungen wahrnehmen und benennen – und so zu therapieren versuchen. Auch
diese Arbeit ist eine großartige Einladung zum kritischen Zuhören und
Mitdenken.
Insofern dieses Jahr, anders als 2015, die eigene mediale Verfasstheit in
Form und Inhalt weder experimentell noch selbstreferenziell zum Thema wird,
dominiert jetzt ein einfacher, dokumentarischer Filmgestus die Ausstellung
und das Filmprogramm des Forum Expanded.
Mark Lewis allerdings gelingt es in seinem 90-Minuten-Film, mit seiner
schwebenden Kamera, den Louvre in Paris, Mies van der Rohes Dominion Centre
in Toronto und die Straßen von São Paulo so zu durchqueren, dass es
scheint, als öffneten sich ihm massive Steinwände und als führten sichere
Wege über abgrundtiefe Lufträume. Schwindelerregend, phantastisch,
vielleicht phantasmisch.
21 Feb 2016
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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