| # taz.de -- Kino aus Lateinamerika auf der Berlinale: Eingeschworene Gemeinscha… | |
| > In Argentinien leben Nachfahren von Wolgadeutschen. Dort spielt | |
| > Maximiliano Schonfelds Film. Joaquín del Paso erzählt von einer Fabrik in | |
| > Mexiko. | |
| Bild: Die Abgeschiedenheit eines Tales in Argentinien: Still aus „La helada n… | |
| Casual Friday bei „Maquinaria Panamericana“ (Panamerikanische Mechanik), | |
| einem familiär geführten Betrieb für schwere Baumaschinen. Vis à vis liegt | |
| der Flughafen von Mexiko-Stadt. Scherzend begrüßt der junge Wachmann am Tor | |
| die eintreffenden Mitarbeiter. Bald ist Weihnachten und in einer Ecke | |
| blinkt schon die Lichterkette. | |
| Nach seinem Studium an der polnischen Filmhochschule in Łódź kehrte der | |
| Regisseur Joaquín del Paso nach Mexiko zurück, um auf einem | |
| Industriegelände, dem Reparaturbetrieb der Familie ähnlich, sein | |
| Spielfilmdebüt „Maquinaria Panamericana“ zu inszenieren. Tatsächlich sind | |
| viele Schauspieler dieser überraschenden Produktion langjährige Angestellte | |
| aus der Firma seines Vaters. | |
| Im betagten Ambiente aus gemütlich eingerichteten Büronischen, aufgetürmten | |
| Aktenbergen und ölgetränkten, schummrigen Werkshallen bewegen sich die | |
| Mitarbeiter als eingespieltes Team zwischen Kaffeeplausch und | |
| Geburtstagsumtrunk – Effizienz sieht sicher anders aus. Als sie an jenem | |
| Morgen jedoch den hoch geschätzten Firmeninhaber Don Alejandro tot in | |
| dessen Werkswohnung auffinden, reagiert die Belegschaft mit Panik, | |
| Verzweiflung und Ratlosigkeit. | |
| Angeführt vom schwadronierenden Geschäftsführer verbarrikadiert man sich | |
| schon bald im Firmengebäude, um die zwangsläufig drohenden Veränderungen | |
| abzuwehren. Begleitet von surreal anmutenden Aktionen verwandelt sich der | |
| bis dahin heiter verspielte Arbeitsalltag schlagartig in blindwütig | |
| rücksichtslosen Überlebenseifer. Nichts ist mehr wie es war. Und eine nun | |
| überflüssig gewordene Pinata wird über den Hof davongetragen. | |
| Der Regisseur Joaquín del Paso findet verblüffend einfache und | |
| ungewöhnliche Bilder für sein vielschichtiges Gesellschaftsporträt, das mal | |
| humorvoll, mal schonungslos bitter ausfällt. An diesem einen Tag wechselt | |
| die Geschichte immer wieder überraschend ihren Verlauf und folgt den | |
| verschiedenen Protagonisten, bis am Samstagmorgen plötzlich die Tochter des | |
| Verstorbenen von außen über die Grundstücksmauer fällt. | |
| ## Die Rätsel einer Landschaft | |
| Von einem ganz anderen Mikrokosmos handelt der argentinische Spielfilm „La | |
| helada negra“ (Der schwarze Frost) von Maximiliano Schonfeld. Der 1982 in | |
| Entre Rios geborene Regisseur erzählt eine märchenhaft anmutende, | |
| rätselhaft bleibende Geschichte einer Landschaft und ihrer Bewohner. Dabei | |
| gelingt es ihm, die Weltabgewandtheit dieser anachronistischen Gemeinschaft | |
| im Nordosten Argentiniens (fast) ohne Folklore als Fiktion darzustellen. | |
| Auf dem Bauernhof der Brüder Lell im Valle de Maria taucht wie aus dem | |
| Nichts eines morgens Alejandra, eine junge Frau mit schwarzen Locken und | |
| dunklen Augen auf. In dieser ländlichen Region der Provinz Entre Rios leben | |
| die Nachfahren der nach Argentinien ausgewanderten Wolgadeutschen in einer | |
| scheinbar eigenen Welt. | |
| Mit großer Selbstverständlichkeit nimmt die mysteriöse Fremde ihren Platz | |
| in diesem geschlossenen System ein. Mit ihrem Wissen gelingt es den Frost | |
| zu besiegen oder beim Hunderennen zu gewinnen. Den isoliert lebenden | |
| Menschen im Valle de Maria erscheinen ihre Fähigkeiten bald wie ein Wunder. | |
| Überzeugend souverän wird die Rolle Alejandras von Ailín Salas | |
| interpretiert, die bereits auf der Berlinale 2009 in „El niño pez“ der | |
| argentinischen Autorin und Filmemacherin Lucia Puenzo zu sehen war. Die | |
| wolgadeutschen Siedler werden von Laien aus der Region dargestellt. So auch | |
| der ungelenke Lucas (Lucas Schell), der auf der Schwelle zum Erwachsensein | |
| Alejandra fasziniert auf Schritt und Tritt begleitet. Anders als seine | |
| Umgebung versteht die Fremde seine „Craziness“ und nimmt deshalb Einfluss, | |
| bevor sie den Hof wieder verlässt. | |
| 17 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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