# taz.de -- Architektin Zaha Hadid verstorben: Frau, Araberin, Architektin | |
> Zaha Hadid ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Ihre mutige Ästhetik | |
> bleibt eine ungeheure Bereicherung für die Architektur. | |
Bild: Ihre Entwürfe galten lange als unbaubar: die verstorbene Architektin Zah… | |
Zersplittert, wie die Momentaufnahme einer Explosion. Spitze, dreieckige | |
Betonscheiben drängen aus einer scheinbaren Mitte heraus. Nur von feinen | |
Trägern gehalten, bilden sie ein fragiles, architektonisches Fragment, mehr | |
Skulptur als Gebäude. Als „unbaubar“ galten die spektakulären Entwürfe d… | |
Zaha Hadid über lange Jahre hinweg. Bis zum 13. Mai 1993, als Rolf | |
Fehlbaum, der Chef der Firma Vitra, den Mut besaß, nach einem der | |
suprematistisch anmutenden Entwürfe auf dem Werksgelände in Weil am Rhein | |
ein Feuerwehrhaus zu bauen. Seit dem 31. März 2016 wird der Bau wohl die | |
Rolle eines Denkmals einnehmen, denn Zaha Hadid ist an dem Tag in einem | |
Krankenhaus in Miami an einem Herzinfarkt gestorben. | |
„Ich bin eine Frau. Ich bin Araberin. Und ich bin Architektin.“ Mit diesen | |
strammen Sätzen beginnt Zaha Hadid [1][ein Interview, das von dem | |
Online-Magazine uncube] noch kurz vor ihrem 65. Geburtstag veröffentlicht | |
wurde. Hadid war eine Kämpferin. Als „voller Mut, Überzeugung und | |
Hartnäckigkeit“ beschreibt auch ihr Freund und Stararchitekt Norman Foster | |
die Irakerin. Zaha Hadid wurde in Bagdad geboren, 1950, als die | |
arabisch-persische Welt von Diktatoren regiert wurde, aber gleichsam eine | |
kosmopolitische Oberschicht von Kabul bis Kairo lebte. | |
Das Haus ihrer Kindheit soll in einem reduziert-modernen Stil, dem Bauhaus | |
ähnlich, gewesen sein. Ihr Vater war Finanzminister und Mitbegründer der | |
Iraqi Democratic Party. Den freien Spirit ihres Elternhauses trug Zaha | |
Hadid später weiter. Sie studierte Mathematik und Architektur in Beirut und | |
London, arbeitete mit Rem Koolhaas und gründete 1980 ebenfalls in London | |
ihr Büro. | |
Seit ihrem Debüt in Weil am Rhein galt Hadid als eine der wichtigsten | |
Vordenkerinnen des architektonischen Dekonstruktivismus. Schon ikonisch | |
sind ihre Bauten in Deutschland, das Phaeno-Science-Center in Wolfsburg | |
oder die BMW-Werke in Leipzig (2005). Als erste Frau überhaupt bekam Hadid | |
2004 den Pritzker-Preis verliehen, den „Nobelpreis für Architektur“. | |
## Immer mehr ins Fließende | |
Ihr Museum für moderne Kunst in Rom (2009) zeigt, wie sich ihre zackigen | |
Linien, versetzten Fluchten und angewinkelten Stelen im Laufe ihrer | |
Karriere immer mehr ins Fließende, sich Wölbende und Blähende wandelten. | |
Der energische Dekonstruktivismus ihrer Anfangsjahre wurde zu einer | |
massigen Organik. Mit Pilzen verglich man ihren zweiten Beitrag für den | |
Londoner Serpentine-Pavillon (2007), dessen drei Sonnendächer wie | |
Austernschirme aus einem kräftigen Stiel ragen. | |
Noch vor ein paar Monaten präsentierten Hadid und ihr Büropartner Patrik | |
Schumacher auf der Design Miami 2015 den computergenerierten „Dining | |
Pavilion“, dessen Wände und Dach aus einer matt-metallenen Zellstruktur wie | |
gigantomane Chloroplasten anmuten. Biomorph und technoid zugleich waren | |
Hadids letzte Entwürfe, die vor allem in ihrer Kühnheit die Handschrift der | |
irakischen Architektin beweisen. | |
Dennoch, so eigenwillig, risikoreich und ästhetisch bereichernd ihre Bauten | |
sind, Hadid verfiel, wie so viele Architektengrößen, auch ihrer eigenen | |
Marke. Scheinbar wahllos verteilte sie ihre elegant gegossenen | |
Betonskulpturen und Signature Buildings auf dem Globus, mit denen sich | |
Städte und Regierungen auch aufpolieren konnten. Das Heydar Aliyef Center | |
in Baku (2012) mit seinen fließenden, geschmeidigen Formen wie die | |
Vanillecreme eines Viennatta-Eises gehört zu solchen Projekten. | |
## Eine unabdingbare Bereicherung | |
Eine beeindruckende Architektur, strahlend weiß ist das wohl „flüssigste | |
Gebäude“ Hadids in Aserbaidschans Hauptstadt, ohne gerade Linien und Ecken, | |
hinter dessen Paneel-Fassade eine Konstruktion mit 90 Kilometern Stahl | |
stecken soll. Im Zentrum des Baus ein 75 Meter hoher Blob, von dem parallel | |
laufende Wellen abfließen. Bei so viel sahniger Geschmeidigkeit täuscht die | |
Architektur auch darüber hinweg, dass das Kulturzentrum dem 2003 | |
verstorbenen Despoten Gaidar Alijew gewidmet ist, dem Korruption, | |
Menschenrechtsverletzungen und Volkshetze gegen die Armenier vorgeworfen | |
werden. | |
Eine Hadid’sche Architektur, nur der Form wegen, in der Kontext, Ökonomie | |
und Soziales nur noch keine Rolle spielen, das ist der Vorwurf, der ihr | |
später gemacht wurde. In Tokio wurde Zaha Hadid diese Art, Architektur zu | |
machen, schließlich zum Verhängnis. Ihr Entwurf für ein Stadion wurde wegen | |
zu hoher Kosten (und Extravaganz?) abgesägt. Dennoch, die mutige Ästhetik | |
einer Zaha Hadid ist eine wichtige und unabdingbare Bereicherung für die | |
Architektur. | |
1 Apr 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.uncubemagazine.com/sixcms/detail.php?id=15927105&articleid=a… | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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