| # taz.de -- Abgeordnetenhauswahl in Berlin: Aderlass bei den Grünen | |
| > Viele langjährige Mitglieder der Grünen-Fraktion verlassen in diesem Jahr | |
| > noch das Parlament, darunter politische Schwergewichte wie Dirk Behrendt. | |
| Bild: Neue Jobs für die Grünen-Abgeordneten Ramona Pop und Antje Kapek? | |
| Die Grünen-Fraktion steht nach der Abgeordnetenhauswahl vor einem immensen | |
| Aderlass. Unabhängig vom Wahlausgang werden der Fraktion langjährige | |
| Stützen wie der Finanzpolitiker Jochen Esser fehlen. Insgesamt hören | |
| mindestens 8 der derzeit 29 Grünen-Abgeordneten auf. Bei den anderen | |
| Fraktionen sind es zum einen deutlich weniger, vor allem weniger | |
| Leistungsträger. | |
| Auf der Kandidatenliste, die die Grünen Mitte März aufstellen werden, ist | |
| zwar grundsätzlich jeder dritte Platz einem Parlamentsneuling vorbehalten. | |
| Doch die schon jetzt feststehenden Abgänge betreffen die zentralen Bereiche | |
| Haushalt, Justiz, Energie, Gesundheit, Energie und das immer mehr Bedeutung | |
| gewinnende Thema Verwaltung und Personal. Fragt man Fraktionschefin Ramona | |
| Pop, die designierte Nummer 1 der Grünen für die am 18. September geplante | |
| Wahl, so wiegt sie bedenklich den Kopf. | |
| Denn zu denen, die definitiv fehlen werden, könnten weitere kommen: Falls | |
| die Grünen ihr Wahlziel erreichen und ab Herbst mitregieren, sind Pop und | |
| ihre Ko-Chefin Antje Kapek naheliegende Kandidatinnen für Senatsposten – | |
| und würden für die Fraktionsarbeit ausfallen, selbst wenn sie ihr | |
| Abgeordnetenmandat behielten. | |
| Nur ein Teil der Abgänge lässt sich unter Generationswechsel verbuchen. Im | |
| oder nahe dem formalen Rentenalter sind Esser (64), der seit 16 Jahren im | |
| Parlament sitzt, Tierschutzexpertin Claudia Hämmerling (61), die im 21. | |
| Jahr dabei ist, oder Heidi Kosche (66), die eine wichtige Rolle beim | |
| Wasser-Volksentscheid von 2011 spielte. Hämmerling hat in kürzlich | |
| angedeutet, was sie zukünftig beschäftigen wird: Am Rande der Grünen Woche | |
| stellte sie ihr erstes Kinderbuch vor, das sich mit Massentierhaltung | |
| beschäftigt. | |
| ## Noch mal was Neues | |
| Mehrere Jüngere wollen schlicht in ihren früheren Beruf zurück oder noch | |
| einmal etwas Neues ausprobieren. Dazu gehört Verwaltungsexperte Thomas Birk | |
| – der der Fraktion zudem als Chorleiter fehlen wird. Justizexperte Dirk | |
| Behrendt sagt, zehn Jahre Auszeit von seinem eigentlichen Job als Richter | |
| seien machbar, fünfzehn Jahre jedoch zu lang. | |
| Bei Behrendt finden sich zudem noch andere Gründe. Sein Lebensgefährte, der | |
| Landesvorsitzende Daniel Wesener, zieht höchstwahrscheinlich ins Parlament | |
| ein – „und wenn man es vermeiden kann, dann sollte man nicht als Pärchen in | |
| einer Fraktion sitzen“, sagt Behrendt. Das sehe er selbst so, das soll | |
| nicht von anderen an ihn herangetragen worden sein. | |
| Noch ein Grund drängt sich auf, den Behrendt allerdings weder bestätigen | |
| noch dementieren mag: Ein Jahr nach der Abgeordnetenhauswahl steht 2017 die | |
| nächste Bundestagswahl an. Hans-Christian Ströbele, der seit 2002 stets das | |
| Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg gewann, hatte sich schon vor der | |
| Wahl 2013 erst nach längerem Überlegen entschieden, erneut zu kandidieren – | |
| beim nächsten Wahltermin wäre er 78. Behrendt als einer der führenden Köpfe | |
| der Kreuzberger Grünen und des linken Parteiflügels gilt seit Längerem als | |
| möglicher Nachfolger. Er selbst sagte der taz, das sei eine Spekulation, | |
| die für ihn „nicht handlungsleitend“ sei. | |
| ## SPD mit wenigen Abgängen | |
| Bei den anderen Fraktionen hält sich der Wechsel in weit engeren Grenzen. | |
| Bei der 46-köpfigen SPD-Fraktion ist nur von wenigen Abgängen zu hören. Es | |
| überrascht aber, dass der erst 36-jährige eloquente wissenschaftspolitische | |
| Sprecher Lars Oberg nicht mehr antritt. Er habe von Anfang an geplant, das | |
| nur zwei Wahlperioden zu machen, sagte er der taz. Er vertrat zudem die | |
| Ansicht, dass eine zu lange Zeit im Parlament sich nicht durchweg positiv | |
| auf Arbeit und Engagement auswirken. | |
| Ganz anders als Oberg haben das vor allem drei langjährige CDU-Abgeordnete | |
| gesehen, die zusammen auf 90 Jahre Parlamentszugehörigkeit kommen und nach | |
| Fraktionsangaben ab Herbst nicht mehr dabei sein werden: Uwe Lehmann-Brauns | |
| (77) kann auf 34 Jahre im Abgeordnetenhaus zurückschauen, Manuel Heide | |
| (60), der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, kam 1985 ins | |
| Landesparlament, vor fast 31 Jahren. Und sein gleichaltriger Parteifreund | |
| Andreas Gram, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, zog 1991 erstmals ins | |
| Parlament ein. Insgesamt wird bei der CDU-Fraktion gut jeder Fünfte aus der | |
| aktuellen Fraktion im Herbst nicht mehr im Parlament sein. | |
| Auch bei der 19-köpfigen Linksfraktion gehen im Vergleich zu den Grünen mit | |
| drei Leuten wenige – alle führenden Köpfe, Funktionsträger und Exsenatoren | |
| wollen nach Fraktionsangaben dabeibleiben. Andere Pläne hat vor allem die | |
| langjährige frauenpolitische Sprecherin Evrim Sommer: Sie will nach der | |
| Wahl Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg werden. | |
| Größer als bei den Grünen fällt der Aderlass nur bei der 15-köpfigen | |
| Piratenfraktion aus: Sie wird es den jüngsten Umfragen zufolge nach der | |
| Abgeordnetenhauswahl komplett nicht mehr geben. | |
| 25 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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