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# taz.de -- 19-Jähriger will ins Abgeordnetenhaus: „Wir sind jung und fresh …
> Der 19-jährige Berliner Erik Koszuta möchte mit seiner „Partei der
> Wähler“ ins Abgeordnetenhaus einziehen. Er ist optimistisch: „Ich glaube,
> alles ist möglich“.​
Bild: „Politik ist keine Hexerei“: Erik Koszuta, Vorsitzender PdW, in Fried…
taz: Herr Koszuta, Sie sind ein unverbesserlicher Optimist.
Erik Koszuta: Warum?
Sie wollen im September mit einer unbekannten Partei ins Abgeordnetenhaus
einziehen.
Wir müssen mal gucken, wie weit wir kommen. Schritt eins ist es ja,
überhaupt an der Wahl teilzunehmen, dafür brauchen wir 2.200
Unterschriften. Und Abgeordnetenhaus ist natürlich ein wahnsinnig
sportliches Ziel. Aber wir wollen es einfach ausprobieren. Das ist ja das
Motto, dass alles geht.
Ist diese Vorstellung nicht naiv?
Naja, die Piraten sind auch irgendwann hochgeschossen, jetzt gibt's die AfD
– gut, damit haben wir nichts zu tun. Aber was ich meine ist, dass es neue
Parteien gibt, die funktionieren können.
Falls das klappt, sitzen Sie dann als 19-Jähriger mit ihren ebenfalls
jungen Parteifreunden zwischen den alten Politiker-Hasen. Ein ungewohntes
Bild.
Ich fände das wirklich super geil, wenn dann die „Partei der Wähler“ wie
jede Fraktion Stellung zu einem Antrag nimmt und dann steht da ein
19-Jähriger. Da wäre doch mal die Breite der Gesellschaft im
Abgeordnetenhaus vertreten. Ich glaube, das würde die Politik richtig
umkrempeln.
Hat die Politik es denn nötig, umgekrempelt zu werden?
Was mich stört, ist, dass Politik zu etwas Elitärem wird. Bei meinem
Praktikum bei den Piraten im Abgeordnetenhaus habe ich auch die Arbeit der
anderen Parteien mitbekommen und fand das schon fast ekelhaft, mit welcher
Selbstgefälligkeit die Abgeordneten im Plenarsaal sitzen. Das ist ein
totales Gehabe von Macho-Typen. Da dachte ich mir: „Es ist überhaupt nicht
angebracht, sich so geil zu fühlen und sich aufzuspielen als Mensch der
ersten Klasse“. Ich will mit der „Partei der Wähler“ zeigen, dass Politik
auch funktioniert, wenn wir ganz normal und ehrlich miteinander sind.
Stundenlange Debatten mit selbstgefälligen Abgeordneten führen – ich
persönlich stelle mir das ziemlich langweilig vor.
Nee, die PdW hat sich ja aus Menschen entwickelt, die Lust haben, etwas zu
gestalten und Abgeordnete zu sein. Wenn es so weit kommt, dann wird uns das
große Freude machen, Politik mit zu gestalten.
Mit 19 Jahren haben junge Menschen viele Pläne: Nach der Schule erst mal
Work and Travel in Australien; ein freiwilliges soziales Jahr, danach
vielleicht studieren. Sie hingegen wollen in die Politik.
Das ist das Endergebnis von dem, was mich so umtreibt. Ich bin bis zur
zehnten Klasse Montessori-Schüler gewesen. Dort habe ich eine sehr freie
Lernkultur erlebt und viele eigene Projekte gemacht. Als das geregelte
Abitur anfing, war die Freiheit der Montessori-Schule vorbei. Das hat mich
so eingeschränkt in diesem frei sein und der Eigenständigkeit. Da war für
mich nicht mehr viel Lebensqualität. Deshalb habe ich mich gegen das Abitur
entschieden und eine Moderationsausbildung an der deutschen Pop-Akademie
gemacht.
Und Ihre Freiheit wollen Sie jetzt in der Politik ausleben?
Ich bin sehr dankbar für mein Leben und dafür wie ich es führe. Mein Ziel
ist es, dass es jedem möglich ist, morgens aufzustehen und zu sagen: „Ich
gestalte heute meinen Tag so, wie ich möchte“. Und das ist halt auch immer
Politik. Im Kleinen frei zu sein heißt, im Großen Vorschriften und Gesetze
dafür zu schaffen.
Am 9. November 2014 haben Sie mit sechs weiteren Gründungsmitgliedern die
„Partei der Wähler“ ins Leben gerufen und Sie sind auch zum
Bundesvorsitzenden gewählt worden.
Die Ausgangssituation war eigentlich, das demokratische Recht, das wir
haben, auszunutzen. Ich saß mit ein paar Kumpels am Lagerfeuer und wir
haben gesponnen: „Wie wäre das eigentlich, eine Partei zu gründen?“. Kann
man in Deutschland ja machen. Und aus diesem anfänglichen Gag haben wir
beschlossen, das zu tun. Da wir noch frei in unserer Ausrichtung waren,
haben wir uns „Partei der Wähler“ genannt. Den ersten Parteitag haben wir
in unserer Wohnung gemacht. Als immer mehr Menschen kamen haben wir im
Sommer Open Air Parteitage veranstaltet. Es gab wahnsinnig viel Redebedarf,
das hat mich schon überrascht.
Und aus dem Redebedarf entwickelte sich dann ein Parteiprogramm, das Sie
„Plan zur Weltverbesserung“ nennen. Darin fordern Sie unter anderem die
Abschaffung von Schulnoten, kostenloses WLAN auf öffentlichen Plätzen und
Volksentscheide auf Bundesebene. Außerdem will die PdW den CO2-Ausstoß
verringern, indem die Energieversorgung bis 2035 zu 100 Prozent aus
erneuerbaren Energien kommen soll. Sind diese Ziele umsetzbar?
Ich glaube, alles ist möglich. Man muss es einfach machen. Das ist das
Herrliche an der Demokratie, dass man über Gesetze abstimmen und sie dann
umsetzen kann. Die Atomkraft wurde damals auch gefördert und genauso können
wir das meiner Meinung nach bei erneuerbaren Energien auch machen. Wenn wir
das wollen und zu 100 Prozent unterstützen, dann ist eine Industrie wie wir
sie haben, in der Lage dazu, das in 20 Jahren umzusetzen. Man muss nur „ja“
zu erneuerbaren Energien und „nein“ zu fossilen Brennstoffen sagen. Das ist
unser Ziel. Und wir haben den Anspruch, das so schnell wie möglich
umzusetzen, denn wir leben jetzt.
Klingt nach einer grünen Partei.
Wir sind sehr linksliberal, würde ich sagen. Wir sind absolut für die
Stärkung des Individuums und die Absicherung durch Mietpreisbremse zum
Beispiel, sodass wir alle leben können. Es geht uns ganz stark um die
individuelle Freiheit.
Dazu gehört Ihrer Meinung nach auch ein Grundeinkommen. Ist das
finanzierbar?
Ja, absolut. Deutschland ist ein reiches Land und ich denke, es ist Zeit,
dass wir jedem ein Grundeinkommen geben und die Gesellschaft damit komplett
umkrempeln.
Inwiefern?
Die Menschen sind ja nicht mehr abhängig von ihrer Arbeit. Wenn für jeden
gesorgt ist, wird die Hierarchie zwischen Angestelltem und Chef
aufgebrochen und jeder kann entscheiden, was er machen will. Dadurch sind
alle auf Augenhöhe und das Miteinander wird gestärkt. Jetzt könnte man
glauben, dass dann alle Menschen in die vermeintlich tollen Jobs drängen,
aber das denke ich nicht. Meiner Meinung nach sind wir alle so
unterschiedlich und breit gefächert. Und die Jobs wie Toilettenputzer, die
keiner machen will, würden entsprechend höher entlohnt. Letzten Endes wird
also die Arbeit belohnt, die wirklich wichtig für die Gesellschaft ist. Für
uns ist das der nächste Schritt. Ich glaube, die Politik hat Angst davor,
weil man dadurch natürlich mündige und starke Bürger schafft, die nicht
mehr abhängig sondern souverän und eigenständig sind.
Und die sollen dann nach der Vorstellung der PdW auch durch Volksentscheide
auf Bundesebene direkt an der Demokratie beteiligt werden.
Genau. Es dauert zwar umso länger und wird umso komplizierter, je mehr
Menschen mitreden. Aber das ist Demokratie. Das muss so sein meiner Meinung
nach. Man schafft letztendlich einen Konsens mit dem die Menschen zufrieden
sind. Leider geht es im Abgeordnetenhaus ganz oft ums persönliche
Profilieren und nicht um Inhalte. Das würde ja auffliegen, wenn die
Menschen frei in ihrer Entscheidung wären und mitreden würden.
Der Weg bis zur Umsetzung der Ziele ist aber noch weit. Die Partei der
Wähler muss erst zur Wahl zugelassen werden. Dafür braucht sie 2.200
Unterschriften. Und als allererstes muss eine so junge Partei ja auch an
Bekanntheit gewinnen.
Genau, wir machen jetzt Wahlkampf auf den Straßen.
Mit welcher Strategie?
Wir haben jetzt auch Bezirkswahlvorschläge für Treptow-Köpenick, Mitte
sowie Friedrichshain-Kreuzberg aufgestellt und bei den Bezirksämtern
eingereicht. Dort haben wir bis Juni Zeit, 185 Unterschriften (pro Bezirk)
– Anm. d. Red. – zu sammeln, um an den Wahlen der BVV teilzunehmen. Dazu
stellen wir uns auf die Straßen und Plätze und werben für uns.
Fürs Abgeordnetenhaus brauchen Sie allerdings 2.200 Unterschriften von
Wahlberechtigten, das ist noch mal eine ganz andere Nummer.
Im Moment bewegen wir uns da noch im hunderter Bereich. Ich bin aber ganz
optimistisch, weil wir alle jung und fresh drauf sind. 2.200 sind eine
Menge Unterschriften aber wir sind ja auch drei Millionen in Berlin.
Wären Sie Mitglied einer bereits bestehenden Partei geworden, hätte Sie es
jetzt wahrscheinlich einfacher.
Ich hatte Lust, etwas eigenes zu machen. Es ging uns schon darum, das aus
uns heraus zu machen und bei null anzufangen. Dadurch können wir auch
selbst bestimmen. Man muss ja auch lernen, wie Demokratie und Gesetzgebung
funktionieren. Das war auch die Challenge für uns. Wir sind noch lange
keine perfekte Partei, aber mittlerweile haben wir eine Struktur, die
arbeitsfähig ist. Das ist alles keine Hexerei.
Die PdW hat gerade einmal 100 Mitglieder, die zwischen 19 und 24 Jahre alt
sind. Wird eine so junge Partei denn von den etablierten Parteien ernst
genommen?
Ne, ganz viel wirst du natürlich belächelt.
Da muss also noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Ja, wir können damit überzeugen, indem wir zeigen, dass wir das ernst
meinen und eine echte Partei sind. Letztendlich ist es unser Ziel, dass die
Wähler uns vertrauen. Wenn man dann wirklich mal in die politische
Verantwortung kommt, kann man zeigen, was man drauf hat.
Was können die etablierten Politiker von Ihrer jungen Partei lernen?
Alles ist möglich, das können die von uns lernen.
Und andersherum?
Ich weiß gar nicht, was ich von denen lernen kann. Ich glaube, ich will
mich auch gar nicht so an den Etablierten orientieren, weil das halt das
Etablierte ist, was man kennt. Wir wollen eigentlich bei uns bleiben.
Falls es nicht klappt mit dem Einzug ins Abgeordnetenhaus, arbeiten Sie
weiter als Organisator und Moderator des monatlichen Podiums „Open Talk“?
Ich werde auf jeden Fall weiter als Moderator arbeiten, egal wie die Wahl
ausgeht. Wir setzen aber auch alles daran, in die BVV zu kommen – vor allem
in Friedrichshain-Kreuzberg, wo unser Herz schlägt. Dort können wir dann
schon mal anfangen, politisch mit zu mischen, falls es fürs
Abgeordnetenhaus nicht reicht.
13 Apr 2016
## AUTOREN
Fabienne von der Eltz
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Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Abgeordnetenhauswahlen 2016
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