# taz.de -- Cum-Ex-Skandal: Milliarden Euro aus der Grauzone | |
> Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zu fragwürdigen | |
> Aktiendeals eingerichtet. Reiche haben damit Millionen ergaunert. | |
Bild: Hält die Cum-ex-Geschäfte für einen klaren Fall von Betrug: NRW-Finanz… | |
Berlin taz | Bis zu 12 Milliarden Euro soll der Schaden zulasten der | |
deutschen Steuerzahler betragen. „Damit hätten wir zehn Jahre lang 24.000 | |
Lehrer zusätzlich beschäftigen können“, sagte Gerhard Schick, | |
finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Auf seine Initiative | |
setzte das Parlament am Freitag einen Untersuchungsausschuss ein, um eine | |
spezielle Form von Steuergestaltung aufzuklären. | |
Mit den Grünen stimmten die Linken. Beide Fraktionen nahmen damit ihr | |
Minderheitenrecht wahr. Die Opposition wirft sowohl Ex-Bundesfinanzminister | |
Peer Steinbrück (SPD) als auch dem amtierenden Ressortchef Wolfgang | |
Schäuble (CDU) Fehlverhalten vor. „Die verschiedenen staatlichen Stellen | |
waren nicht in der Lage, die Betrügereien rechtzeitig zu stoppen“, so | |
Schick. | |
Sein Linksfraktion-Kollege Richard Pitterle sagte: „Der | |
Untersuchungsausschuss soll aufklären, warum das fragwürdige | |
Geschäftsmodell zehn Jahre möglich war.“ Die große Koalition enthielt sich, | |
unterstützte aber die kommende Aufklärungsarbeit, wie CDU-Parlamentarier | |
Christian Hirte betonte. | |
## Eine Aktie, mehrere Besitzer | |
Es geht um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Der Begriff bezieht sich auf Aktien | |
mit (cum) und ohne (ex) Dividenden-Anspruch. Das Prinzip: Besitzer der | |
Aktien zahlten einmal Kapitalertragssteuer für die erhaltene | |
Gewinnausschüttung, das Finanzamt erstattete die Steuer aber mehrfach. | |
Unter dem Strich entstanden große Verluste für den Staat und die | |
Steuerzahler. | |
Möglich wurden diese für reiche Investoren lukrativen Geschäfte, indem | |
Aktien im Umkreis des Termins der Dividenden-Zahlung schnell hin- und | |
herverkauft wurden. Rechtlich waren dadurch zum gleichen Zeitpunkt mehrere | |
Leute im Besitz derselben Aktie. Banken verteilten jeweils mehrere | |
Bescheinigungen über angeblich gezahlte Steuer, obwohl diese nur einmal | |
entrichtet worden war. Mit Hilfe der Steuerbescheinigungen konnten die | |
Investoren ihre Steuerzahlung an anderer Stelle verringern oder erhielten | |
eine Erstattung. Der finanzielle Vorteil betrug mitunter einige Millionen | |
Euro. | |
Diese Geschäfte liefen wohl etwa seit 1999. Als die Praxis auffiel, | |
herrschten bei Finanzämtern und Ministerien unterschiedliche Einschätzungen | |
darüber vor, ob es sich um legale oder illegale Modelle handelte. Erst 2012 | |
schloss die große Koalition die Gesetzeslücke für inländische Geschäfte. | |
Nun sollen sie über das Ausland weiterlaufen. | |
## Keine lässliche Sünde, sondern Betrug | |
Rund 100 Finanzdienstleister und Geldhäuser aus dem In- und Ausland stehen | |
mittlerweile im Verdacht, Cum-Ex-Geschäfte betrieben zu haben. Im | |
Zusammenhang damit fielen bisher unter anderem die Namen der Deutschen | |
Bank, HypoVereinsbank und der DZ Bank, dem Spitzeninstitut der | |
Genossenschaftsinstitute. Auch die öffentlichen Häuser HSH Nordbank und | |
Landesbank Baden-Württemberg wurden genannt. Wegen Problemen mit dem Modell | |
schloss die Finanzaufsicht unlängst die Frankfurter Maple Bank, den | |
deutschen Ableger eines kanadischen Instituts. | |
Mittlerweile ermitteln Behörden in mehreren Bundesländern. Aktiv sind vor | |
allem die Staatsanwaltschaften in Köln, Frankfurt und München. | |
Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht den | |
Tatbestand des Betruges erfüllt: „Banken und Investoren, die sich einmal | |
gezahlte Steuern trickreich mehrfach vom Staat erstatten lassen, begehen | |
keine lässliche Sünde, sondern unternehmen einen systematischen Raubzug in | |
Milliardenhöhe bei öffentlichen Kassen.“ Zum ersten Mal tagt der | |
Untersuchungsausschuss in der kommenden Woche. | |
19 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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