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# taz.de -- Mangelwirtschaft bei der Bundeswehr: „Die Truppe ist es leid“
> Mali, IS, Flüchtlingshilfe: Die Aufgaben der Bundeswehr werden
> vielfältiger. Die Truppe stößt an ihre Grenze. Das erklärt der
> Wehrbeauftragte deutlich.
Bild: Ein Moment der Besinnung und der Einkehr: Weihnachten auf dem Stützpunkt…
Berlin dpa | Es gehört zu den zentralen Aufgaben des Wehrbeauftragten, sich
bei der Bundesregierung zu beschweren. Zu Anfang jedes Jahres weist er in
einem etwa 100-seitigen Bericht auf sämtliche Missstände hin, die ihm bei
seinen Truppenbesuchen aufgefallen sind oder die Soldaten an ihn
herangetragen haben. Er ist so etwas wie der Kummerkasten der Streitkräfte.
Auch „Anwalt der Soldaten“ wird er gerne genannt.
Schon in den vergangenen Jahren ist die Kritik des Wehrbeauftragten am
Zustand der Truppe ziemlich kernig ausgefallen. So weit wie Hans-Peter
Bartels an diesem Dienstag ist aber selbst sein für offene Worte bekannter
Vorgänger Hellmut Königshaus nicht gegangen.
Der [1][Jahresbericht für 2015 (als .pdf)] ist nicht nur eine Mängelliste,
sondern vor allem ein politisches Statement. Der SPD-Politiker Bartels, der
vor neun Monaten noch Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im
Bundestag war, fordert nicht weniger als eine Wende in der
Verteidigungspolitik, eine Reform der vor sechs Jahren vom
CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angestoßenen Reform
der Streitkräfte.
„Die Truppe ist es leid“, sagt Bartels. Die Schrumpfkur der letzten 25
Jahre müsse ein Ende haben. Ohne mehr Geld und mehr Soldaten könne die
Bundeswehr ihre immer vielfältiger werdenden Aufgaben nicht mehr erfüllen.
## Drei große Baustellen
– Seit 1990 ist die Bundeswehr von fast 600.000 auf 177.000 Soldaten
geschrumpft. Heute hat sie aber so viele unterschiedliche Aufgaben wie nie
zuvor in ihrer 60-jährigen Geschichte. Das passt nicht zusammen.
– Bei der Ausrüstung herrscht nach Ansicht des Wehrbeauftragten eine
„planmäßige Mangelverwaltung, die alle Bereiche betrifft – vom Kampfstief…
bis zum Kampfhubschrauber. Das gefährde Ausbildung, Einsätze und Übungen.
– Die Kasernen sind marode. 2014 wurde festgestellt, dass nur die Hälfte
der 3.000 Unterkunftsgebäude in einem guten oder mittleren Zustand sind.
Jedes zehnte war unbewohnbar. Ein hunderte Millionen Euro schweres
Sanierungsprogramm reicht laut Bartels nicht aus und wird zu langsam
umgesetzt.
## Aufstockung der Truppe
Die harsche Kritik richtet sich zwar an die Bundesregierung, aber nicht in
erster Linie an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Der
CDU-Politikerin spielen die harschen Worte sogar in die Hände. Sie lässt
gerade prüfen, ob es zusätzlichen Personalbedarf gibt. Das Ergebnis soll
spätestens im Frühjahr vorliegen. Es gilt aber jetzt schon als sicher, dass
von der Leyen dem Kabinett eine Aufstockung der Truppe vorschlagen wird.
Auch für eine Erhöhung des Verteidigungsetats setzt von der Leyen sich ein.
Einen kleinen Erfolg hat sie bereits erzielt. Innerhalb der nächsten vier
Jahre steigt der Etat von 33 auf 35 Milliarden Euro. Der Anteil am
Bruttoinlandsprodukt sinkt nach Angaben des Wehrbeauftragten aber von 1,16
auf 1,07 Prozent. Das von Deutschland mitbeschlossene Nato-Ziel liegt bei
zwei Prozent. Auch das dürfte für von der Leyen eine Argumentationshilfe
sein. Bartels ist in diesem Sinne eher ihr Verbündeter als ihr Gegner.
Ob die Bundeswehr tatsächlich mehr Geld und Personal benötigt, ist aber
umstritten. Wegen des Abzugs aus Afghanistan sank die Zahl der im Ausland
eingesetzten Soldaten im vergangenen Jahr auf 2.500 Soldaten, den
niedrigsten Stand seit den 90er Jahren. In diesem Jahr könnte die Zahl
wieder auf 5.000 steigen. Das sind dann aber immer noch nicht einmal halb
so viele wie zu Hochzeiten, als die Bundeswehr auf dem Balkan und in
Afghanistan gleichzeitig sehr stark engagiert war. 2002 nahmen 10.400
deutsche Soldaten an Auslandseinsätzen teil.
## 7.500 Soldaten gleichzeitig im Einsatz
Die größte Belastung waren für die Bundeswehr in den letzten Monaten aber
nicht die Auslandseinsätze, sondern die Flüchtlingshilfe im Inland. Dafür
waren bis zu 7.500 Soldaten gleichzeitig im Einsatz. Das ist aber ein
Ausnahmefall: Bis Mitte des Jahres soll die Unterstützung der zuständigen
Behörden beendet werden.
Die Nato-Verpflichtungen Deutschlands sind im Zuge der Ukraine-Krise zwar
etwas gewachsen. An der schnellen Eingreiftruppe des Bündnisses oder an der
Luftraumüberwachung des Baltikums hat sich die Truppe aber auch schon
vorher beteiligt.
Was sich deutlich geändert hat, ist das Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung
und damit auch die Akzeptanz von Investitionen in Sicherheit und
Verteidigung. Deswegen haben Forderungen wie die des Wehrbeauftragten auch
recht gute Chancen. „2016 kann und sollte für die über Gebühr geschrumpfte
Bundeswehr personell, materiell und finanziell das Wendejahr werden“,
verlangt er.
26 Jan 2016
## LINKS
[1] http://u.epd.de/h3q
## AUTOREN
Michael Fischer
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