# taz.de -- Angela Merkel in der Türkei: Deutscher Einsatz vor Europas Grenze | |
> Merkel hat in Ankara versprochen, den Türken beim Schutz ihrer Grenze zu | |
> helfen. Die russisch-syrische Offensive um Aleppo verurteilte sie. | |
Bild: Enger Kontakt: Angela Merkel während ihres Besuchs bei Recep Tayyip Erdo… | |
ISTANBUL taz | Angela Merkels Prioritäten bei ihrem Besuch in Ankara am | |
Montag waren eindeutig: Die Bundeskanzlerin will die Flüchtlingszahl an der | |
EU-Außengrenze begrenzen. Dazu soll die deutsche Polizei künftig vor Ort | |
die türkischen Kollegen unterstützen, um Schlepper festzusetzen. Die | |
EU-Grenzschutzagentur Frontex soll aufgestockt werden, und zusätzlich | |
wollen die Türkei und Deutschland die Nato dazu auffordern, Kriegsschiffe | |
in die Ägäis zu entsenden. | |
Zu den drei Milliarden Euro, die für die bessere Versorgung syrischer | |
Flüchtlinge in der Türkei bereitstehen, betonte Merkel erneut ihre | |
Forderung nach Flüchtlingskontingenten, die die EU-Staaten der Türkei | |
abnehmen sollten. Dieses Thema dürfte auf dem EU-Gipfel am kommenden | |
Freitag eine Rolle spielen, denn noch weigern sich die meisten EU-Partner | |
Flüchtlingskontingente aufzunehmen. | |
Im Gegenzug versprach der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu, dass | |
die Türkei nun ernsthaft mit Griechenland über die Rücknahme von | |
nichtsyrischen Flüchtlingen verhandeln werde, die es über die Ägäis nach | |
Griechenland geschafft haben. | |
Zwar existiert bereits ein entsprechendes Abkommen mit Athen, das aber | |
bislang nicht umgesetzt wird. Lediglich eine Handvoll Flüchtlinge hat die | |
Türkei im letzten Jahr von Griechenland zurückgenommen. | |
## Elf Vier-Augen-Gespräche in drei Monaten | |
In letzter Zeit, so ein Bonmot am Rande der Gespräche in Ankara, trifft | |
Merkel sich häufiger mit Davutoğlu als mit ihrem Koalitionspartner Sigmar | |
Gabriel. Insgesamt elfmal hat die Kanzlerin mit dem türkischen | |
Ministerpräsidenten in den letzten drei Monaten unter vier Augen | |
gesprochen, zuletzt bei der Syrien-Geberkonferenz in London vor wenigen | |
Tagen. | |
Merkel scheint davon überzeugt, dass dieses enge persönliche Verhältnis die | |
Voraussetzung dafür ist, dass aus der viel beschworenen intensiven | |
Zusammenarbeit tatsächlich auch reale Ergebnisse entstehen. | |
Dabei kam ihr in den letzten Tagen vor allem die Kriegspolitik des | |
russischen Präsidenten Wladimir Putin in Syrien in die Quere. Der | |
Großangriff auf Aleppo, mit dem Russland und Syriens Diktator Baschar | |
al-Assad offenbar glauben, den Krieg beenden zu können, führt dazu, dass | |
erneut mehrere zehntausend Flüchtlinge in die Türkei drängen. | |
Während die EU forderte, die Türkei solle ihre Grenze für die Flüchtlinge | |
öffnen, war Merkel da vorsichtiger. Sie sei „entsetzt über Russlands | |
Bombardements auf Zivilisten“, sagte sie und bot der Türkei an, deutsche | |
Katastrophenhelfer zum Aufbau von Flüchtlingslagern auf der syrischen Seite | |
der Grenze zu schicken. Schließlich konnte sie schlecht verlangen, dass die | |
Türkei ihre Grenze an der einen Stelle öffnet, um sie dann in Richtung | |
Griechenland dicht zu machen. | |
## Anti-Merkel-Demo in Diyarbakır | |
Die Flüchtlingsfrage scheint Merkel wichtiger als Fragen der Menschenrechte | |
in der Türkei. Obwohl just bei ihrer Ankunft türkische Spezialeinheiten in | |
der kurdischen Stadt Cizre Dutzende Aufständische töteten, bügelte die | |
Bundeskanzlerin jede Frage in diese Richtung ab. | |
Die Enttäuschung bei Kurden und anderen Oppositionellen darüber ist groß. | |
In Diyarbakır gab es am Montag im Stadtzentrum eine | |
Anti-Merkel-Demonstration. Die türkische Zeitung Cumhuriyet, deren | |
Chefredakteur im Gefängnis auf ein Verfahren wartet, titelte auf Deutsch: | |
„Journalisten sind im Gefängnis. Wissen Sie es nicht?“ | |
Merkel weiß es sehr wohl, aber sie hat jetzt andere Prioritäten. Davutoğlu | |
und Erdoğan sollen helfen, die offenen Grenzen innerhalb Europas und ihre | |
Kanzlerschaft zu retten. | |
8 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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