# taz.de -- Nato-Staaten treffen sich mit Russland: Zweifel an der Isolationsst… | |
> Erstmals seit 2014 gibt es Gespräche zwischen der Nato und Russland. Es | |
> wächst die Einsicht, dass die Isolation Russlands nicht weiterhilft. | |
Bild: Gefährliche nahe: Ein russisches Kampfflugzeug überfliegt ein Schiff de… | |
GENF/BERLIN taz | Es gab offenbar eine Menge zu bereden: Zwei Stunden | |
später als geplant trat Jens Stoltenberg am Mittwoch vor die Presse und | |
berichtete von seinem Vormittag. Er komme gerade aus einem „offenen und | |
ernsthaften Meeting“, sagte der Nato-Generalsekretär in Brüssel. An den | |
Meinungsverschiedenheiten zwischen seiner Organisation und Russland habe | |
sich zwar nichts geändert. Immerhin habe man aber „Ansichten ausgetauscht | |
und einander zugehört“. | |
Erstmals nach fast zweijähriger Unterbrechung waren zuvor die Botschafter | |
des Nato-Russland-Rats zusammengekommen. Als Reaktion auf den Ukrainekrieg | |
hatte die Nato die Beratungen des Gremiums im April 2014 ausgesetzt. | |
Im Vorfeld der Ratssitzung am Mittwoch hatten sich beide Seiten gegenseitig | |
beschuldigt, durch Truppenverlegungen und Manöver an den Landgrenzen, im | |
Luftraum sowie in der Ostsee die militärischen Spannungen zu verschärfen. | |
In den letzten Wochen waren sich russische Kampfflugzeuge und | |
US-amerikanische Kriegsschiffe gefährlich nahe gekommen. Diese Aktivitäten | |
und das wachsende Risiko eines direkten Zusammenstoßes waren eines der | |
Hauptthemen der Sitzung. „Die Nato-Alliierten haben ihre Sorge über diese | |
Zwischenfälle zum Ausdruck gebracht“, sagte Stoltenberg im Anschluss. | |
Mit dem Treffen wollte die Nato nach offiziellen Angaben den „politischen | |
Dialog mit Moskau fortsetzen“. Das Bündnis betonte im Vorfeld aber auch, es | |
werde „keine Rückkehr zur Normalität geben, bis Russland wieder | |
internationales Recht respektiert“. | |
## Bedenken aus Osteuropa | |
Hinter diesen Formulierungen verbirgt sich der Streit der Nato-Mitglieder | |
über eine Wiederbelebung des Rats. Entschiedenste Gegner sind Polen und die | |
baltischen Staaten, stärkster Befürworter ist Deutschland. | |
In Berlin und anderswo ist in den letzten Monaten die Einsicht gewachsen, | |
dass die Isolationsstrategie gegen Russland und die in diesem Zusammenhang | |
verhängten Wirtschaftssanktionen in der Ukrainepolitik nicht mehr | |
weiterhelfen. Zudem wird Russland zur Beendigung des Syrienkrieges | |
gebraucht. | |
In der Großen Koalition befürworten daher längst nicht mehr nur die relativ | |
russlandfreundlichen Sozialdemokraten eine Annäherung. Auch Konservative | |
wie CDU-Fraktionsvize Franz Josef Jung bezeichnen die Wiederbelebung des | |
Nato-Russland-Rats jetzt als „sinnvoll“. | |
Entsprechend ist der Termin vom Mittwoch für ihn nur ein erster Schritt. | |
„Zu meiner Zeit als Verteidigungsminister habe ich immer darauf gedrängt, | |
dass sich der Nato-Russland-Rat nicht nur auf Botschafter- und Beamtenebene | |
trifft, sondern auch auf Ministerebene“, sagte Jung der taz. Solche | |
Gespräche trügen dazu bei, dass sich Konflikte nicht hochschaukeln. | |
Diese Ansicht wird zumindest von Polen und den drei baltischen Staaten | |
nicht geteilt. „Russland ist eine existenzielle Bedrohung“, erklärte der | |
polnische Außenminister Witold Waszczykowski vergangene Woche. | |
Um die Bedenken in Warschau und den drei baltischen Hauptstädten zu | |
überwinden, verband die US-Regierung ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme des | |
Dialogs mit Moskau mit der Ankündigung, sie werde bis Ende 2017 drei | |
zusätzliche Brigaden mit 4.200 Soldaten und 250 Panzern nach Osteuropa zu | |
verlegen, die zwischen den dortigen Nato-Mitgliedsstaaten rotieren sollen. | |
## Mehr Stärke an der Ostgrenze | |
Diese Ankündigung aus Washington hat zwar Polen und Balten dazu bewogen, | |
ihre anfangs strikte Ablehnung einer Wiederbelebung des Nato-Russlands-Rats | |
aufzugeben. Doch die Verlegung der drei US-Brigaden und die bereits vom | |
letztes Jahr auf dem Nato-Gipfel in Wales beschlossenen Aufstellung | |
schneller Eingreiftruppen für Osteuropa reicht ihnen nicht aus. Sie fordern | |
die dauerhafte Stationierung von Truppen und schweren Waffen im Osten. | |
Mit Blick auf den kommenden Nato-Gipfel im Juli in Warschau forderte | |
Außenminister Waszczykowski am Dienstag vor einem Treffen mit seinem | |
deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier: „Wir wollen einen | |
‚Warschauer Paket‘ zusätzlicher Maßnahmen.“ Polen erwarte, dass | |
Deutschland, die USA, Kanada und andere Nato-Partner mehr militärische | |
Stärke an der Ostgrenze zeigten. | |
Die dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen in Osteuropa wäre jedoch ein | |
klarer Verstoß gegen die 1997 vereinbarte „Grundakte über gegenseitige | |
Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nato und der | |
Russischen Föderation“, in deren Rahmen 2002 der ständige Nato-Russland-Rat | |
etabliert wurde. Mit der Grundakte wollte die Nato die Bedenken Moskaus | |
gegen die damals beschlossene Osterweiterung der westlichen Militärallianz | |
ausräumen. Denn die Osterweiterung war ein Bruch des Versprechens, das | |
Bundesregierung und USA im Februar 1990 dem damaligen sowjetischen | |
Präsidenten Michail Gorbatschow gegeben hatten, um Moskaus Zustimmung zur | |
deutschen Wiedervereinigung zu erlangen. | |
So bleibt mehr als genug Gesprächsstoff für zukünftige Sitzungen des | |
gemeinsamen Rats. Stoltenberg sagte am Mittwoch, er gehe davon aus, das man | |
sich demnächst wiedertreffe. Einen Termin hätten die Beteiligten aber noch | |
nicht vereinbart. | |
20 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
Tobias Schulze | |
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