# taz.de -- Kommentar Erdoğans Syrienpolitik: Strategie der geschlossenen Tür | |
> Die Türkei hat an der Grenze zu Syrien de facto eine Schutzzone | |
> geschaffen. Erdoğan behält sich so einen militärischen Eingriff bewusst | |
> vor. | |
Bild: Flüchtlinge an der türkischen Grenze. Dienen sie als Faustpfand für ei… | |
Rund 50.000 Flüchtlinge aus Aleppo campieren im Moment auf einem Streifen | |
zwischen der türkischen Grenze und der belagerten Stadt. Entgegen | |
internationalen Forderungen lässt die türkische Regierung die vielen | |
Flüchtlinge der letzten Tage nicht ins Land, sondern versorgt sie mehr | |
schlecht als recht auf syrischem Territorium. Damit entsteht de facto eine | |
Schutzzone in Syrien, wie sie Erdoğan immer gefordert, von den USA und der | |
Nato aber nie bewilligt bekommen hat. | |
Die offizielle Begründung der Erdoğan-Regierung für ihre Politik der | |
geschlossenen Tür lautet: Die Türkei sei mit zweieinhalb bis drei Millionen | |
syrischen Flüchtlingen im Land bereits überlastet. Weitere Hunderttausende | |
Syrer, die bei einem Fall Aleppos erwartet werden, könne das Land beim | |
besten Willen nicht mehr tragen. | |
Dieses Argument ist plausibel, da weder Europa noch andere Länder bereit | |
sind, der Türkei Flüchtlinge in nennenswertem Umfang abzunehmen. Doch das | |
ist nicht der wahre Grund, warum Erdoğan die syrischen „Brüder und | |
Schwestern“, von denen er gern spricht, jetzt buchstäblich im Regen stehen | |
lässt. | |
Die Aufnahme der Flüchtlinge aus dem Nachbarland war nie nur ein | |
humanitärer Akt, sondern immer auch ein Instrument, dessen sich die | |
türkische Regierung bei einer späteren Mitgestaltung Syriens bedienen | |
wollte. Und obwohl es im Moment so aussieht, als würde Assad dort mit Hilfe | |
Russlands und des Iran wieder die Oberhand gewinnen, will Erdoğan einen Fuß | |
in der syrischen Tür behalten. | |
Dazu dienen jetzt die Flüchtlinge aus Aleppo. Solange sie in Syrien sind, | |
müssen sie nicht nur dort versorgt, sondern im Zweifelsfall auch geschützt | |
werden. Je weiter diese Schutzzone zu einem Flüchtlingscamp ausgebaut wird | |
und umso mehr Menschen noch kommen, desto weniger kann man diese Zone | |
ungeschützt lassen. Das werden im Zweifel auch die USA zähneknirschend | |
akzeptieren müssen. | |
10 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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