# taz.de -- Sinkende Rohstoffpreise: Bankrott durch billiges Öl | |
> Der niedrige Ölpreis treibt Staaten an den Rand der Pleite. Weltbank und | |
> Währungsfonds springen mit Notkrediten ein. | |
Bild: Die Ölförderung ist Aserbaidschans wichtigster Wirtschaftzweig. | |
Berlin taz | Der niedrige Ölpreis bedroht nicht nur die Bilanzen der | |
Ölfirmen, sondern zunehmend auch die Finanzen einiger Staaten: Derzeit | |
stehen Aserbaidschan und Nigeria deshalb vor dem Staatsbankrott. In der | |
vergangenen Woche waren Vertreter von Weltbank und Weltwährungsfonds (IWF) | |
in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, um über einen Kredit von 4 | |
Milliarden Dollar zu verhandeln. Gleichzeitig bat Nigeria, die größte | |
Volkswirtschaft Afrikas, bei Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank um | |
3,5 Milliarden Dollar Hilfe. | |
Der Preis für ein Fass Öl (159 Liter) ist seit anderthalb Jahren von über | |
100 auf 30 Dollar gefallen. Aserbaidschans Exporte bestehen zu 95 Prozent | |
aus Öl, in Nigeria kommen 70 Prozent der Staatseinnahmen aus dem | |
Energiesektor. | |
Hält der Preisverfall an, werden weitere Länder in ähnliche Schwierigkeiten | |
kommen, ist Anna Pegels vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in | |
Bonn überzeugt. Länder, die wie Venezuela, Äquatorial-Guinea, Ecuador, | |
Angola oder der Kongo stark auf Erdölexporte setzen, müssen riesige | |
Haushaltslöcher stopfen. „Vor allem, wenn sie in guten Zeiten keine | |
Reserven aufgebaut haben, haben sie jetzt Probleme“, sagt Pegels. | |
Eine Staatspleite von Aserbaidschan oder Nigeria könnte weitere Länder in | |
den Abgrund reißen. Ein Staatsbankrott würde die Finanzierungsmöglichkeiten | |
für Erdölexporteure drastisch verschlechtern, sagt Pegels. Mögliche | |
Geldgeber würden auch deren Pleite fürchten, entsprechend teuer würden | |
Finanzierungen. | |
## Weltbank und IWF als Teil des Problems | |
Zumindest für Aserbaidschan sind die Aussichten gut, Hilfen von den | |
Geldgebern zu bekommen. „Dort gibt es eine gute Fiskalpolitik, der | |
Währungskurs wird als Puffer eingesetzt“, lobt IWF-Chefin Christine Lagarde | |
die Regierung in Baku. Die Währung wurde stark abgewertet. Die Folge sind | |
extreme Preissteigerungen im Land. | |
Weltbank und IWF sollten Notkredite gewähren, sagt Knut Vöcking von der auf | |
Finanzinstitutionen spezialisierten NGO Urgewald. „Sonst müssen die Ärmsten | |
der Armen darunter leiden.“ Die Frage sei aber, mit welchen Auflagen die | |
Geldgeber die Hilfe verbinden. In die jetzige Krise seien Nigeria und | |
Aserbaidschan auch geraten, weil sie genau das getan haben, was Weltbank | |
und IWF von ihnen verlangten, sagt Vöcking: Ausrichtung der | |
Volkswirtschaften auf Rohstoffexporte, anstatt ihre Industrien zu | |
diversifizieren. Ein Ende der Exportorientierung „passt Weltbank und IWF | |
aber ideologisch nicht“. Für sie seien Freihandel und Stärkung der | |
Exportwirtschaft Allheilmittel. | |
Wenn sich die Regierungen an diese Losungen halten, seien den westlichen | |
Institutionen die politischen Verhältnisse gleichgültig. „Aserbaidschan ist | |
eines der repressivsten Länder der Welt und eine Art Familiendiktatur“, | |
sagt Vöcking Die Weltbank müsse sicherstellen, dass Nothilfen nicht in | |
dubiosen Kanälen versickern. | |
Allerdings: Vielen Menschen nützt der Preisverfall. „Mehr als 70 Prozent | |
der Armen weltweit leben in Ländern, die mehr Öl importieren als | |
ausführen“, sagt Pegels. Länder wie Äthiopien, Bangladesch oder Südafrika | |
profitieren. „Niedrige Öl- und Energiepreise haben mittelfristig | |
Auswirkungen auf andere Preise, zum Beispiel für Nahrungsmittel“, sagt | |
Pegels. Nach Berechnungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sinken | |
bei einem Rückgang des Ölpreises um 45 Prozent die Preise für | |
landwirtschaftliche Güter um 10 Prozent. Trotz widersprüchlicher Effekte | |
geht die KfW davon aus, dass der Ölpreisverfall insgesamt die Armut | |
lindert. | |
8 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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