Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Viele Grüße aus der DDR: Früher war mehr Schießbefehl
> Die AfD fordert den Einsatz von Schusswaffen an den deutschen Grenzen –
> nicht die einzige erfolgreiche DDR-Politik, die man recyceln könnte.
Bild: Auf der Suche nach Populismen einfach mal im Fotoalbum blättern
Die Wogen der Grenzsicherungsdebatte schlugen am Wochenende so hoch wie die
des Mittelmeers, das gerade ein Flüchtlingsboot verschlingt. Als gelte es,
sich endgültig von überkommenen Rollenklischees zu verabschieden, forderten
zwei gewaltfantasierende AfD-Frauen, an der Grenze auf Flüchtlinge zu
schießen.
Immerhin zeigen die beiden mit ihrem Wunsch nach dem Schießbefehl
Traditionsbewusstsein. Es war ja schließlich nicht alles schlecht in der
DDR. Sicher, das mit den Autobahnen ging ein bisschen weit (so rumpelig,
wie die waren), aber dafür konnte man sich als Frau abends noch allein auf
die Straße trauen (es gab schließlich keine Muslime im Osten).
Eine der verbindenden Wahnvorstellungen der neurechten Menschenhasser von
Pegida, AfD und „Achse des Guten“ lautet, Angela Merkel hätte die
Bundesrepublik in eine DDR 2.0 verwandelt. Interessanterweise verstehen sie
das als Vorwurf, dabei sind sie ideologisch längst bei der DDR 3.0
angekommen.
Die weitgehende Abschottung gegen außen, die sich die AfD so sehr wünscht,
war in der DDR bekanntlich erfolgreich verwirklicht. Die paar Ausländer,
die auch so aussahen, waren fein säuberlich wegkaserniert. Wer genervt hat,
wurde abgeschoben – ein feuchter Traum von Höcke und Co. Wenn dann der
Gutmenschenchor einwirft, viele dieser Muslime hätten schließlich einen
deutschen Pass, findet sich im DDR-Fundus ebenfalls das passende
Instrument: die Ausbürgerung. Was gegen eine renitente Nervensäge wie Wolf
Biermann hilft, wird erst recht für eine islamernde Lusche wie Cem Özdemir
gut sein.
Auch der Trick, andere Meinungen und missliebige Argumente als Lügenpresse
zu diffamieren, war beliebt. Und: Eine Frisur, wie Beatrix von Storch sie
öffentlich aufträgt, hat sich vor ihr nur Margot Honecker zu zeigen
getraut.
## Peppige Verachtung christlicher Werte
Natürlich will die AfD die DDR nicht eins zu eins wieder errichten. Manches
ist schließlich nicht so gut gelaufen. Die Freundschaft zu Russland und den
Brudervölkern war damals ja eher von oben befohlen. Hier ist man heute
einen großen Schritt weiter: Die Lobeshymnen auf Putin, Orbán und diesen
polnischen Kartoffelkopf entspringen aufrichtiger Sympathie und
Bewunderung.
Auch die Verachtung christlicher Werte wirkt heute peppiger und moderner:
Mussten die Kirchen in der DDR noch verkniffen in die Ecke gedrängt und
heimlich unterwandert werden, kapern die Neurechten sie jetzt einfach,
indem sie selbst mit Kreuzen herumlaufen und Glaubenssätze noch etwas
flexibler auslegen als traditionell ohnehin üblich.
Nächstenliebe zu allen Mitmenschen? Klar, solange wir definieren, wer als
Mitmensch zu gelten hat (diese Muslime jedenfalls nicht). Unfehlbarkeit des
Papstes, immerhin ein Grunddogma des Katholizismus? Für AfD-Katholiken kein
Problem: Gilt nur, solange der Papst dasselbe will wie wir. Unter solchen
Bedingungen hätte sogar die DDR als Kirchenstaat durchgehen können.
Die einzige Gefahr droht wie immer aus Amerika. Dabei sind in Sachen
Antiamerikanismus der alte SED-Staat und die neudeutschen Wutbürger so sehr
auf einer Linie, dass selbst eingefleischten Linkspartei-Altkadern Tränen
der Rührung in die Augen steigen. Aber was, wenn sich jetzt Donald Trump
durchsetzt?
Ein Mann, der glatt als AfD-Vorsitzender durchgehen könnte. Da droht doch
das gute alte Amiland-Feindbild der Bewegung vollständig zusammenzubrechen.
Man stelle sich vor: Beatrix von Storch und Donald Trump, Seite an Seite
als Führer der neuen westlichen Welt – zwei Frisuren für ein Halleluja.
Gott stehe uns bei. Und Allah bitte auch.
2 Feb 2016
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Schwerpunkt AfD
DDR
Frauke Petry
Beatrix von Storch
Schießbefehl
Jung und dumm
Schwerpunkt Flucht
Ungarn
Grenze
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt „Lügenpresse“
Schwerpunkt AfD
Nachrichtenagentur
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Kurzfilm
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Jung und Dumm: Adenauer lebt
Nachbarn sind böse, Pakete bedrohlich und nachts knirschen die Zähne doch.
Unser Kolumnist hat – dem ZDF sei dank – ein kleines Trauma.
Amerika-Hass in der Flüchtlingsdebatte: George ist schuld
Fluchtursachen sind komplex. Doch Linke und Rechte suchen einfache
Erklärungen im Antiamerikanismus. Das ist falsch.
Zäune gegen Flüchtlinge: Es ist ihm nicht egal
Als Ungarn bei ihm Natodraht gegen Flüchtlinge kaufen wollte, weigerte sich
der Metallhändler Talat Deger und wurde gefeiert. Und heute?
Aus Le Monde diplomatique: Grenzen abschaffen und laufenlassen
Staatsgrenzen sind in Europa noch nicht lange normal. Sie sollten geöffnet
werden und Geflüchtete neue Städte bauen. Ein Entwurf.
AfD-Vize nach Schusswaffenäußerung: Von Storch spricht von einem „Fehler“
„Niemand will auf Menschen schießen“, sagt AfD-Politikerin Beatrix von
Storch. Ihre Aussage zum Schießen auf Flüchtlinge tue ihr Leid.
Wolfgang Herles und die Lügenpresse: Was heißt hier Ansage?
Auch der Ex-ZDF-Journalist Wolfgang Herles sagt, es gebe Anweisungen von
oben für die Öffentlich-Rechtlichen. Das befeuert die Lügenpresse-Debatte.
Ex-AfD-Chef über seine alte Partei: Lucke sieht lauter Ausländerfeinde
Nach Waffenfantasien gegen Flüchtlinge: Der Gründer der Alternative für
Deutschland zeigt sich überrascht von der „Radikalisierung“ der Partei.
dpa-Chef Gösmann über „Lügenpresse“: „Da wird viel nachgeplappert“
Seit zwei Jahren ist Sven Gösmann Chefredakteur der Nachrichtenagentur dpa.
Ein Gespräch über Vertuschungsvorwürfe und soziale Medien.
Anerkannte Asylsuchende in NRW: Kraft fordert Residenzpflicht
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will Asylsuchenden, die anerkannt sind,
die freie Wohnplatzwahl untersagen. Denn: „Das würde NRW besonders
belasten.“
Kommentar Umgang mit der AfD: Macht endlich eine Ansage!
Fast alle wollen Flüchtlinge an der Einreise hindern, nur die AfD sagt wie.
Regierungs- und Oppositionsparteien drücken sich um den entscheidenden
Punkt.
Flüchtlinge an deutschen Grenzen: Petry für Schusswaffeneinsatz
„Zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt“, sagte die
AfD-Vorsitzende dem „Mannheimer Morgen“. Sie liegt damit auf der Linie
ihres Lebensgefährten Pretzell.
Kurzes aus der Region: Die Niedersachsen-Kurzfilm-Rolle
Zum zweiten Mal wurde mit den „Nord Shorts“ ein etwa 90 Minuten langes
Programm mit Kurzfilmen aus der Region zusammengestellt, das jetzt in die
Kinos kommt.
Kommentar Kritik an Flüchtlingspolitik: Konsequenz Schießbefehl
Wer jetzt mit allen Mitteln die Grenzen Europas wieder schließen will,
sollte zuerst mal über die möglichen Folgen nachdenken.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.