| # taz.de -- dpa-Chef Gösmann über „Lügenpresse“: „Da wird viel nachgep… | |
| > Seit zwei Jahren ist Sven Gösmann Chefredakteur der Nachrichtenagentur | |
| > dpa. Ein Gespräch über Vertuschungsvorwürfe und soziale Medien. | |
| Bild: Freunde simpler Nachrichten: Pegida-Demonstranten in Dresden | |
| taz: Herr Gösmann, Journalisten wird immer häufiger Vertuschung | |
| vorgeworfen. Die Übergriffe in Köln trieben zuletzt diese Debatte. Wenn es | |
| darum geht, Entwicklungen aus dem Regionalen ins Überregionale zu hieven, | |
| spielt dpa eine wichtige Rolle. Lief bei Ihnen etwas schief? | |
| Sven Gösmann: Wir können bei solchen Ereignissen nicht immer selbst am Ort | |
| sein. Man erfährt oder ahnt nicht immer, dass etwas Außergewöhnliches | |
| stattfinden wird. Also fragen wir am nächsten Tag die Institutionen, die | |
| uns normalerweise gut und verlässlich informiert haben – zumindest glaubten | |
| wir das bis zu dem Tag. Dazu gehörte unter anderem die Kölner Polizei. Die | |
| verlogene Pressemitteilung der Polizei hat ja auch zu personellen | |
| Konsequenzen im Kölner Polizeipräsidium geführt – wie ich finde, zu Recht. | |
| Da sind Journalisten belogen worden und damit die deutsche Öffentlichkeit. | |
| Das geht so nicht! Außerdem scannen wir natürlich die sozialen Medien. Und | |
| da ist uns im Kölner Netzwerk der erste Post in der Masse nicht | |
| aufgefallen. | |
| Nicht nur im Zusammenhang mit Köln ist von „Lügenpresse“ die Rede. Trifft | |
| Sie das? | |
| Unsere Gründerväter – allen voran der erste Chefredakteur Fritz Sänger – | |
| haben erklärt: „Nie wieder Hugenberg, nie wieder Goebbels!“ Das ist für u… | |
| Verpflichtung. Insofern trifft es uns natürlich immer, wenn unsere Arbeit | |
| kritisiert wird. Wir nutzen das, um uns kritisch zu überprüfen. Viele | |
| dieser Anwürfe sind aber auch haltlos. Das muss man ganz klar sagen: Da | |
| wird viel nachgeplappert, da wird viel hochstilisiert – auch in dem | |
| Echoraum der sozialen Medien. | |
| Werden dpa-Journalisten angegriffen? | |
| Es gab eine Attacke, die wir auch öffentlich gemacht haben: In Dresden sind | |
| beim Aufbau der Zeltstadt einer unserer Fotografen niedergeschlagen und | |
| seine Kamera beschädigt worden. Besonders fatal daran war, dass es Beifall | |
| gab aus der umstehenden Menge. Das hat uns sehr betroffen und nachdenklich | |
| gemacht. Ich sage meinen Kollegen: Keine Nachricht ist so wichtig, dass wir | |
| dafür unser Leben und unsere Gesundheit riskieren sollten. | |
| Jenseits dieser Probleme: Wie haben Sie als Chefredakteur die dpa | |
| verändert? | |
| Wir sind heute stärker in den „Randzeiten“ aufgestellt, bieten | |
| elektronischen Medien und dem Radio mehr am Morgen. Außerdem versuchen wir, | |
| unser Programm dann auszubauen, wenn unsere Kundenredaktionen schwächer | |
| besetzt sind, also am Wochenende und in der Nacht. Gleichzeitig verzichten | |
| wir hier und da auf eine reine Chronistenpflicht und „spotten“ mehr. Das | |
| heißt, wir liefern kurze Meldungen fürs Mobile statt die dritte oder vierte | |
| Zusammenfassung zum Thema. Und ein kleiner Kulturwandel ist: Es gibt auch | |
| wieder eine Chance für den langen, vertiefenden Text, wenn er es schafft, | |
| neue Informationen intelligent zu transportieren. Das machen wir. | |
| Es heißt, dpa gehe es immer so gut wie ihren Kunden. Den Zeitungen geht es | |
| schlecht, dpa also auch? | |
| Meine Kollegen haben das Geschäft in kluger Vorausschau diversifiziert. | |
| Deshalb hustet nicht gleich die ganze dpa, wenn einer unserer Kunden | |
| Schnupfen hat. Wir halten das wie viele zukunftsorientierte Medienhäuser in | |
| Deutschland, die ihr Geschäft so ausrichten, dass sie zur Not | |
| Qualitätsjournalismus auch aus anderen Bereichen subventionieren können. | |
| Das ist im Grunde auch unser Gedanke. | |
| Wie sehr bedroht Sie das Internet oder eine Plattform wie Twitter? Könnten | |
| Ihre Kunden nicht irgendwann sagen: „Wir brauchen nur ein paar Leute, die | |
| ins Netz gucken, keine teure Agentur“? | |
| Die aktuelle Debatte zeigt, dass das nun wirklich nicht stimmt: Das Netz | |
| ist voller Lügen, voller interessengeleiteter Kommunikation und | |
| Bürgerjournalisten mit Scheuklappen, die nur ihre Agenda verfolgen. Da | |
| braucht es jemanden, der verifiziert, erklärt und einordnet. Das kann und | |
| muss auch eine Nachrichtenagentur sein. Und: Das, was unsere Kunden | |
| twittern, facebooken, instagrammen, snapchatten, ist ja oft auch | |
| dpa-Material. | |
| Und die Konzentration auf dem Zeitungsmarkt? Zusammenschlüsse wie das | |
| Redaktionsnetzwerk von Madsack und die Zentralredaktion der Funke-Gruppe | |
| nehmen langsam die Größe von Nachrichtenagenturen an. | |
| Für uns ist das eher eine Chance: Auch in diesen neuen Produktionseinheiten | |
| sind die Ressourcen endlich. Wir können also ergänzen. Die Zahl unserer | |
| Adressaten ist mit den Zusammenschlüssen kleiner, deren Wünsche sind damit | |
| klarer geworden als früher. | |
| Wer eine hohe Auflage repräsentiert, kann aber auch stärker auf den Tisch | |
| hauen. | |
| Diese Kunden hatten die wirtschaftliche Größe und Potenz ja auch schon, | |
| bevor sie sich in neuen Redaktionsformen organisiert haben. Deshalb ist das | |
| für uns eigentlich kein Unterschied. Unser Produkt muss aber stimmen, damit | |
| die Kunden weiterhin sagen „Ja, das ist es mir wert.“ Daran arbeite ich mit | |
| meinen Kolleginnen und Kollegen. | |
| 2 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bouhs | |
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