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# taz.de -- Wolfgang Herles und die Lügenpresse: Was heißt hier Ansage?
> Auch der Ex-ZDF-Journalist Wolfgang Herles sagt, es gebe Anweisungen von
> oben für die Öffentlich-Rechtlichen. Das befeuert die
> Lügenpresse-Debatte.
Bild: Wer bestimmt, was reinkommt?
Die Lügenpresse-Fraktion hat einen neuen Messias gefunden: Wolfgang Herles.
Der Ex-Leiter des ZDF-Studios Bonn und Exmoderator der ZDF-Kultursendung
„aspekte“ hat ausgepackt.
In einer Gesprächsendung im Deutschlandfunk sagte er am vergangenen
Freitag: „Es gibt tatsächlich […] Anweisungen von oben. Auch im ZDF sagt
der Chefredakteur: Freunde, wir müssen so berichten, dass es Europa und dem
Gemeinwohl dient. Und da braucht er in Klammern gar nicht mehr dazusagen:
Wie es der Frau Merkel gefällt.“ Solche Anweisungen habe es auch zu seiner
Zeit beim ZDF gegeben: „Es gab eine schriftliche Anweisung, dass das ZDF
der Herstellung der Einheit Deutschlands zu dienen habe.“
Bäm! Das sitzt. Endlich sagt es mal einer, freuen sich die Lügenpressianer.
Zwei Tage später behauptet Herles im Interview mit der Wochenzeitung
Freitag [1][das Gegenteil:] Auf die Frage, ob die Öffentlich-Rechtlichen
Infos unterdrückten, weil diese politisch nicht opportun seien, sagt
Herles: „Nein, das glaube ich nicht.“ Und später: „Nein, das bestreite i…
vehement, da ist nichts von oben befohlen.“
Medienjournalist Stefan Niggemeier hat bereits aufgedröselt, auf welche
„schriftlichen Anweisungen“ [2][sich Herles bezieht:] den Staatsvertrag des
ZDF. Dort fand sich zu Zeiten der deutschen Teilung der Hinweis, dass das
ZDF „auch der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit“
dienen soll. Heute heißt es dort: „Die Sendungen sollen […] der
gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der
Verständigung unter den Völkern dienen.“
Nun könnte man bösartig vermuten, Herles liege etwas daran, Aufmerksamkeit
auf sein aktuelles Buch zu lenken, in dem er nach seinem Abschied vom ZDF
mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk abrechnet. Denn er spielt damit all
denen in die Hände, die seit Monaten „Lügenpresse“-Schilder in die Luft
halten. So sind es auch vor allem deren liebste Medienorgane, die Herles
derzeit genüsslich ausschlachten: RT Deutschland, PI-News und andere
Verwirrten-Blogs.
Am Dienstag meldet er sich erneut [3][in einem Blog zu Wort] und geht auf
die Kritik an seinen Äußerungen ein. Eine individuell freie
Berichterstattung im ZDF sei wegen Staatsverträgen und Programmrichtlinien
nicht immer möglich. „In besonderen Zeiten wird das ZDF zum
Gesinnungssender.“ Und die Flüchtlingskrise ist für Herles eine „besondere
Zeit“.
## Kritik an Aufsichtsgremien
Die Medien hätten im Sinne der Willkommenseuphorie kaum kritisch berichtet,
behauptet er einfach. Dabei berichten Medien schon seit Monaten immer
wieder kritisch über Probleme der Integration – das allerdings wird gern
übersehen, wenn es in die Argumentation passt. Und wie häufig war
eigentlich die AfD in den vergangenen Monaten Gast in Talkshows?
Auch über solche Pauschalisierungen hinaus geht in Herles' Blogpost einiges
durcheinander. Programmrichtlinien, Anweisungen von oben und
„vorauseilendes Einschwenken auf die Tendenz“.
Durchaus berechtigt ist seine Kritik, dass Politiker in Aufsichtsgremien
der Rundfunkanstalten sitzen und häufig direkt Einfluss nehmen – etwa auf
die Personalpolitik. Herles selbst wurde Anfang der Neunziger als Leiter
des ZDF-Studios abberufen – auf Drängen von Helmut Kohl, dem er zu unbequem
war. Fragwürdiges Vokabular – im Blogpost schreibt Herles vom „Regiment der
Leisetreter und der Duckmäuser in den Sendern“ – plus Pauschalisierung
ergeben allerdings das Bild eines beleidigten Nestbeschmutzers.
Mal spricht Herles von einer „Anweisung von oben“ (Deutschlandfunk), mal
ist „nichts von oben befohlen“ (Freitag). Das erinnert an die Äußerungen
der WDR-Journalistin Claudia Zimmermann. Sie hatte im niederländischen
Fernsehen vor wenigen Wochen gesagt, die Öffentlich-Rechlichen hätten die
Vorgabe, positiv über Flüchtlinge zu berichten. Später distanzierte sie
sich davon – um dann erneut vom selbst auferlegten „Maulkorb“ zu sprechen.
Wenn selbst aktive wie ehemalige Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen mit
solchen gravierenden Vorwürfen um sich werfen und sie dann wieder zu
relativieren, befeuert das vor allem undifferenziertes Misstrauen gegen
etablierte Medien. Eine Debatte über die teilweise berechtigte Kritik ist
damit kaum mehr möglich.
2 Feb 2016
## LINKS
[1] https://www.freitag.de/autoren/jaugstein/das-diktat-der-quote
[2] http://uebermedien.de/1433/enthuellt-die-schriftlichen-anweisungen-von-oben…
[3] http://www.rolandtichy.de/daili-es-sentials/meinungsfreiheit-anordnung-zur-…
## AUTOREN
Paul Wrusch
## TAGS
Schwerpunkt „Lügenpresse“
öffentlich-rechtliches Fernsehen
Nachrichtenagentur
Schwerpunkt AfD
Politik
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