# taz.de -- Neuauszählung der Kommunalwahl: Schüler benachteiligen Rot-Grün | |
> Bremerhavens Stadtrat bleibt unverändert, obwohl sich bei der | |
> Neuauszählung Fehler fanden. Experten fordern mehr Zeit fürs Zählen. | |
Bild: Legen wert auf richtige Zahlen: Schüler | |
BREMEN taz | Alles bleibt beim Alten, in Bremerhavens Stadtparlament. Das | |
ist das Ergebnis einer Neuauszählung der Kommunalwahl vom Mai. Zwar wurden | |
886 der 34.525 Stimmzettel in der einen oder anderen Weise als „fehlerhaft“ | |
bewertet, insgesamt kamen aber 370 gültige Stimmen hinzu. An der | |
Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung ändert sich aber nichts: | |
Die Fehler verteilen sich quer über alle Listen. | |
„Zwar scheint die Zahl der Fehler hoch“, sagte Magistratsdirektor und | |
Stadtwahlleiter Claus Polansky – doch für das Endergebnis der Wahl seien | |
sie „nicht relevant“. Die rechtspopulistische Gruppe „Bürger in Wut“ u… | |
Timke, deren Einspruch zur Nachzählung geführt hatte, musste sogar | |
Stimmenverluste hinnehmen, während SPD und Grüne am meisten profitierten. | |
„Damit ist der geäußerte Verdacht eindeutig widerlegt, dass Schüler bei der | |
Auszählung systematisch oder vorsätzlich Ergebnisse manipuliert hätten“, | |
sagt Polansky. Der Landeswahlleiter Jürgen Wayand sieht das ähnlich: „Aus | |
meiner Sicht zeigt die Nachzählung vor allem, dass die festgestellten | |
Fehler keine Absicht oder grobe Fahrlässigkeit erkennen lassen.“ | |
Die Urnenwahl wurde in Bremerhaven ausschließlich von wahlberechtigten | |
GymnasiastInnen ausgezählt. Das muss sich ändern, findet Timke: Die Schüler | |
seien „in der Masse nicht in der Lage, die Wahl gewissenhaft auszuzählen“. | |
Als Beweis dienen ihm die Ergebnisse der Briefwahl, die nicht von Schülern | |
ausgezählt wurden. Dort sei die Fehlerquote „um ein vielfaches niedriger“ | |
als bei der Urnenwahl. Zudem bestehe in zwei Wahlbezirken der Verdacht der | |
Wahlfälschung. „Das geht einfach nicht“, so Timke, hier habe die | |
gegenseitige Kontrolle der AuszählerInnen „überhaupt nicht funktioniert“. | |
Die stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Irene von Twistern (CDU) | |
nahm die SchülerInnen hingegen in Schutz: Es habe keine Mängel in der | |
Schulung gegeben und man könne auch nicht sagen, dass die SchülerInnen | |
„oberflächlich“ gearbeitet hätten. Zwar seien die Fehler „ärgerlich“… | |
einige davon auch „sehr auffällig gewesen“ – das Gros der Stimmzettel ab… | |
war „völlig in Ordnung“. | |
Auch der Grünen-Politiker Wilko Zicht verteidigte die GymnasiatInnen. Er | |
hat das aktuelle Wahlrecht maßgeblich beeinflusst und sitzt im | |
Wahlprüfungsgericht. Dass nur SchülerInnen die Wahl ausgezählt hätten, sei | |
„nicht das Problem“, sagt Zicht. Zwar sei die Fehlerquote „auf jeden Fall | |
zu hoch“, so Zicht, sie ließe sich seiner Ansicht nach aber entscheidend | |
senken, wenn alle Stimmzettel von vornherein zwei Mal ausgezählt würden. | |
Das würde seinen Berechnungen nach die Zahl der fehlerhaften Stimmzettel im | |
konkreten Fall auf deutlich unter 100 senken und so „in den allermeisten | |
Fällen ein hinreichend genaues Ergebnis“ liefern. Eine obligatorische | |
dritte Auszählung lohne aber den Aufwand nicht, so Zicht. Auch Timke | |
plädiert dafür, langsamer auszuzählen und den Wahlvorständen „mehr Luft�… | |
verschaffen. „Es besteht grundsätzlich die Gefahr, dass Zeitdruck mit | |
Qualitätseinbußen verbunden ist“, sagt auch Landeswahlleiter Wayand. Es | |
sprächen einige Gründe dafür, den zeitlichen Druck von der Auszählung zu | |
nehmen. | |
Ähnlich wie Zicht argumentiert der Wahlforscher Lothar Probst von der Uni | |
Bremen. „Es sollte ein Doublecheck-Verfahren geben, auch wenn das | |
zeitaufwendiger ist“, sagt der Politikwissenschaftler, „das minimiert | |
zumindest die Fehlerquote.“ Im Einsatz von SchülerInnen bei der Abrechnung | |
der Wahl sieht er aber „nicht grundsätzlich“ ein Problem. | |
Die Fehlerquote, so Probst, „hat natürlich auch ein bisschen mit dem | |
5-Stimmen-Wahlsystem zu tun“. Gerade deshalb solle genaues Zählen Vorrang | |
haben vor einer „vorschnellen Verkündigung des amtlichen Endergebnisse“. | |
Über mögliche Änderungen am Wahlrecht soll nun ein eigener Ausschuss der | |
Bürgerschaft debattieren, der laut Zicht zumindest „noch in diesem Jahr“ | |
seine Arbeit aufnehmen soll. | |
Das Ergebnis der Neuauszählung der Kommunalwahl in Bremerhaven könnte auch | |
für das dortige Ergebnis der Landtagswahl Auswirkungen haben. Dort hatte | |
das Wahlprüfungsgericht beschlossen, dass Thomas Jürgewitz von der AfD ein | |
Sitz im Landtag zusteht, zu Lasten der SPD. Nachdem sich die AfD das Recht | |
erkämpft hatte nachzuzählen, wies sie Unregelmäßigkeiten nach. | |
Es sei davon auszugehen, dass es auch bei der Landtagswahl in Bremerhaven | |
Fehler gegeben habe, so Probst. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich das | |
auf die Mandatsverteilung auswirken würden, sei „zumindest sehr hoch“. Im | |
Sinne der Fairness sei es geboten, hier auch eine Nachzählung zu | |
veranlassen – auch ohne dass das durch eine Anfechtungsklage durchgesetzt | |
werde. | |
29 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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