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# taz.de -- AfD will Bremerhaven-Mandat: Für eine Handvoll Stimmen
> AfD-Kandidat Thomas Jürgewitz aus Bremerhaven hat es nicht in die Bremer
> Bürgerschaft geschafft. Dagegen kämpft er vor Gericht.
Bild: AfD braucht zusätzliche Stimmen: die sollen bei erneuter Zählung auftau…
Bremen taz | Bremerhaven muss möglicherweise die Bürgerschaftswahl 2015
erneut auszählen. Das zeichnete sich bei der Sitzung des Bremer
Wahlprüfungsgerichts am gestrigen Mittwoch ab: Die wurde am Mittwoch nach
acht Stunden schließlich auf kommenden Montag, den 21. Dezember vertagt.
Verhandelt wurden Einsprüche der [1][AfD und ihres Spitzenkandidaten im
Wahlbereich Bremerhaven]: Thomas Jürgewitz war erst kurz bevor er als
Spitzenkandidat in den Wahlkampf einstieg wieder [2][aus einem Dorf im
Kreis Cuxhaven in seine Heimatstadt gezogen]: Noch hat er die Hoffnung auf
ein Bürgerschaftsmandat nicht aufgegeben.
Daran war er am 10. Mai denkbar knapp vorbeigeschrammt: Zwar hatte die
rechtspopulistische Partei, die sich mittlerweile in ein gemäßigtes und ein
extremeres Lager gespalten hat, in der Stadt Bremen schließlich die
Fünfprozenthürde übersprungen. Im Wahlbezirk Bremerhaven jedoch blieb sie
mit 4,97 Prozent unter dem Quorum. Rechnerisch fehlten ihr nur 48 Stimmen
zum Einzug in die Bürgerschaft, oder anders formuliert: Die Voten von nicht
einmal zehn WählerInnen, schließlich haben die jeweils fünf Stimmen.
Eine Unregelmäßigkeit, wie sie wohl bei jeder Auszählung vorkommt, fällt
rechtlich dann ins Gewicht, wenn sie sich direkt auf die Sitzverteilung
auswirkt. Die Chancen für Jürgewitz stehen insofern nicht schlecht:
[3][Gravierende Unregelmäßigkeiten], ja sogar einen Fall von Wahlfälschung
hatte es mindestens bei der gleichzeitig und betreut von denselben
WahlhelferInnen ausgetragenen Stadtverordnetenwahl gegeben: Ein Zähler
hatte 45 zusätzliche Stimmen für die Piratenpartei generiert.
Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft, also zum Landtag, haben Jürgewitz
und Konsorten nach so krassen Vorkommnissen offenbar vergeblich gesucht.
Also verfolgen sie eine Kartätschen-Taktik: Zählfehler, Widersprüche in den
Protokollen, Lücken in der Dokumentation, Zweifel an den WahlhelferInnen
und Beschwerden von Wahlwilligen führen sie an, die – mal, weil sie keinen
Ausweis, mal, weil sie keine Wahlbenachrichtigung mitgeführt hatten, in
ihren Wahllokalen keine Stimmzettel bekommen hatten.
Wer Streumunition benutzt, der muss auch irgendwann mal etwas treffen.
Nachdem die AfD-ler fast die Hälfte der Bremerhavener Stimmzettel neu
ausgezählt hatten, behaupteten sie, 46 zusätzliche Stimmen zusammengekratzt
zu haben.
Immerhin 34 davon hält das Gericht für nachvollziehbar. Andere Vorhalte
hingegen verpuffen: Schüler zum Beispiel sind Jürgewitz erkennbar suspekt,
und dass sie zum Auszählen herangezogen wurden, damit kann er nicht viel
anfangen. Aber seine Hinweise auf eine unzureichende Schulung bleiben zu
unspezifisch, um das Wahlprüfungsgericht beeindrucken zu können.
Dass in acht Übergabeprotokollen die Uhrzeit fehlt und auch mal auf einem
Formular nicht angekreuzt ist, dass eine mit Stimmen gefüllte Urne
versiegelt im Wahlzentrum eingetroffen ist, ist auch ein eher schwaches
Indiz. Richtig viel versprochen hatte sich Jürgewitz offenkundig bei der
Auswertung der von ihm und anderen AfD-lern für ungültig befundene
Stimmzettel, durch die sich das Proporz zu seinen Gunsten verschieben soll.
Der Vorsitzende, Gerichtspräsident Peter Sperlich, hatte indes nur einen
Bruchteil der monierten Stimmhefte in einer Vorprüfung als zweifelhaft
erkannt. Jürgewitz beharrt auf seiner Sicht. Die Folge: Eine dreistündige
Wahlzettelexegese, die in der Sache unergiebig bleibt.
Aber sie lässt in dieser formalen Auseinandersetzung plötzlich auch
tiefsitzende Überzeugungen zutage treten. Dass die Leute beim Wählen auch
mal die Kreise ausmalen, mal Tipp-Ex nutzen oder, wie in Bremerhaven, ihren
Willen durch taz-Stempel kenntlich machen, das mag der AfD-ler nicht
tolerieren. „Wenn da statt Kreuzchen fünf Smileys gemacht werden“,
thematisiert er einen konkreten Fall, „ist das für mich ein Witz und keine
Stimmabgabe.“
Für andere aber schon: „Wir dürfen nicht vergessen“, sagt der Präsident …
Bremer Verwaltungsgerichts Peter Sperlich, „wie unterschiedlich die
Menschen sind – und wie bunt die Welt sein kann.“ Auch und gerade bei
Wahlen.
16 Dec 2015
## LINKS
[1] http://afd-bremerhaven.de/
[2] /Hagen-oder-Bremerhaven/!5017180
[3] /Kommunalwahl-Ergebnis/!5252157
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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