Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Proteste in Polen: „Freie Medien – freies Polen“
> Zehntausende gehen in Warschau und anderen Städten auf die Straße. Die
> regierende PiS stört das weniger als die zunehmende Kritik aus der EU.
Bild: Die EU-Flagge ist auch ein Zeichen Richtung Brüssel: Demonstrantin in Wa…
Warschau taz | Die vielen EU-Flaggen auf den Freiheits-Demonstrationen in
ganz Polen sind ein Appell an die Politiker in Brüssel und Straßburg:
„Helft uns“. Und so wehen die EU-Fahnen auch am Samstag wieder auf dem
Platz der Aufständischen in Warschau. Tausende Polen skandieren „Freie
Medien – freies Polen“, brüllen „Freiheit, Freiheit“ und tröten in ih…
mitgebrachten Vuvuzelas. Es ist ein ohrenbetäubender Lärm.
Die Bürgerrechtsbewegung „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD)
organisierte die Demonstrationen in ganz Polen gegen das neue Mediengesetz,
das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter direkte Regierungskontrolle
stellt. Trotz eisiger Kälte demonstrierten nicht nur in Warschau zwischen
10.000 und 20.000 Polen gegen die befürchtete Partei-Propaganda in Radio
und Fernsehen. Auch in 18 weiteren Städten gingen Tausende auf die Straße,
schwangen polnische und EU-Flaggen und forderten lautstark „freie Medien“.
[1][Dem „kleinen Mediengesetz“], mit dem bereits das gesamte
Führungspersonal von Fernsehen und Rundfunk ausgetauscht werden konnte,
soll demnächst das „große Mediengesetz“ folgen, das den bisher als
Handelsgesellschaft organisierten Öffentlichen Rundfunk in mehrere
„nationale Kulturinstitute“ umgestalten soll. Die Folge wird sein, dass
nicht nur die Chefs von Radio und Fernsehen direkt vom Schatzminister
ernannt werden, sondern auch alle Journalisten entlassen und – nach einer
„Verifikation“ – entweder neu eingestellt werden, oder aber demnächst auf
der Straße stehen und zusehen müssen, wo sie unterkommen.
Noch ist die Protestbewegung schwach. Die Bühne für die Redner ist viel zu
niedrig, die Lautsprecher schlecht aufgestellt, so dass die begeisterten
Demonstranten auch während der Reden vor dem Fernsehsender TVP Info ständig
in ihre Vuvuzelas blasen. Vielleicht hören die neuen Mächtigen ja den
Protestlärm, scheinen sie zu denken.
## Unangenehm sind die Meinungen aus der EU
Doch Ewa Wanat, die einstige Chefredakteurin des öffentlich-rechtlichen
Radios RDC, ist sich klar, dass „wir nur ein Zeichen setzen und uns
gegenseitig unserer Solidarität versichern können“. Jaroslaw Kaczynski, den
Parteivorsitzenden der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS), der
seit den Wahlen im Oktober 2015 den Regierungskurs in Polen bestimmt,
werden die Proteste nicht beeindrucken. Im Gegenteil, die
Anti-Regierungs-Demonstrationen sind für ihn ein „Beispiel für die gut
funktionierende Demokratie in Polen“.
Unangenehm für die mit absoluter Mehrheit im Parlament regierende PiS sind
weniger die Proteste im eigenen Land, sondern die Mahnungen aus der EU und
der UN. Als EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nun in der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung Polens Regierung erneut vorwarf, gegen
demokratische Grundsätze zu verstoßen, protestierte sogleich eine ganz
Phalanx PiS-treuer Journalisten, die auf neue Jobs im Staatsrundfunk
hoffen. „Die polnische Regierung“, so Schulz im FAS-Interview, „betrachtet
ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen
Partei unterzuordnen, inhaltlich und personell“. Dies sei eine „gelenkte
Demokratie nach Putins Art, eine gefährliche Putinisierung der europäischen
Politik“.
Zwar ist das in Polens politischer Landschaft kein neues Argument, werfen
sich doch hier Regierung wie Regierungsgegner gleichermaßen vor, mit Putin
unter einer Decke zustecken, alte Bolschewisten oder linke
Vaterlandsverräter zu sein. Doch wenn ein Ausländer so etwas sagt, noch
dazu ein EU-Politiker, müssen sich Polens Politiker tatsächlich damit
auseinandersetzen. Und auch die EU-Flaggen auf Polens Straßen werden weiter
wehen.
10 Jan 2016
## LINKS
[1] /Neues-Mediengesetz-in-Polen/!5263779
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Medien
PiS
Demonstrationen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Telemediengesetz
Europäische Union
Polen
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Reaktionen auf kritische Medienberichte: Post aus Polen
Seitdem die PiS regiert, erhalten deutsche Redaktionen massenhaft Briefe
aus dem Nachbarland. Auch der Botschafter schaltet sich ein.
PiS-Herrschaft in Polen: Zurück in die Diktatur
Das Verfassungsgericht erklärt eine Justizreform für verfassungswidrig, die
Regierung ignoriert das. Vor allem junge Leute treibt das auf die Straße.
Zensur in Polen: Gesetz zum Schutz des guten Rufes
Die rechtsnationale polnische Regierung droht Wissenschaftlern, die
Antisemitismus in Polen erforschen, mit einer Haftstrafe.
Vergangenheitsbewältigung in Polen: Spitzelvorwürfe gegen Lech Wałęsa
Der polnische Ex-Präsident soll für den kommunistischen Geheimdienst
gearbeitet haben. Er bestreitet das: Eine angebliche Personalakte sei
gefälscht.
Essay Polen im Umbruch: Das ungezogene Kind
Deutsche Überheblichkeit beim Blick auf Kaczyński ist keine Hilfe. Die
Polen können, wollen und müssen ihre Probleme selbst lösen.
Rechtsstaatsverfahren der EU: Bloß keine Polemik gegen Polen
Die Europäische Kommission löst erstmals ein neues Prüfverfahren gegen
Polen aus. Von Sanktionen ist vorerst keine Rede.
Kommentar Politischer Kurs in Polen: Die PiS und der Blitzkrieg
Noch findet keine ernsthafte Diskussion über PiS statt. Die Gegner im
Inland verlacht die Partei nur. Deshalb braucht es Intervention von außen.
Polen und die Kölner Silvesternacht: Schadenfreude und Häme
Die Ereignisse sind für viele ein gefundenes Fressen, um so richtig vom
Leder zu ziehen: gegen Migranten und „unschuldige deutsche Frauen“.
Polnischer Außenminister zu EU-Kritik: „Verständnis wäre wünschenswert“
Die PiS greift mit Gesetzen in Justiz und Medien ein, die EU droht mit
Konsequenzen. Polens Außenminister fordert nun Solidarität – vor allem von
Deutschland.
EU-Maßnahmen gegen Polen: Verschärfter Dialog
EU-Kommissar Oettinger überlegt, die neue rechte Regierung in Polen unter
Aufsicht zu stellen. Das ist nach EU-Recht möglich, dauert aber.
Protest gegen umstrittenes Mediengesetz: Rücktrittswelle in Polens Fernsehen
Vier bekannte Fernsehmacher haben ihren Rücktritt erklärt. Sie protestieren
gegen das neue Mediengesetz, das der Politik mehr Macht über das Fernsehen
gibt.
Neues Mediengesetz in Polen: Die Gleichschaltung der Glotze
Der reaktionäre Durchmarsch der PiS-Partei trifft nun auch die Medien. Das
Fernsehen wird ab sofort der Regierung unterstellt. Basta!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.