# taz.de -- Reaktionen auf kritische Medienberichte: Post aus Polen | |
> Seitdem die PiS regiert, erhalten deutsche Redaktionen massenhaft Briefe | |
> aus dem Nachbarland. Auch der Botschafter schaltet sich ein. | |
Bild: DemonstrantInnen in Prag sorgen sich um freie polnische Medien | |
Die neue polnische Regierung sorgt sich offenbar nicht nur um die Medien im | |
eigenen Land, sondern auch um die in den Nachbarländern. Nach dem | |
umstrittenen neuen Mediengesetz und der Beschneidung des | |
Verfassungsgerichtes steht die allein regierende Partei „Recht und | |
Gerechtigkeit“ (PiS) massiv in der Kritik. Die Europäische Union prüft | |
Strafen gegen Polen, deutsche Journalisten schreiben kontinuierlich über | |
ihre Sorge um den polnischen Rechtsstaat. | |
Dafür erhalten die Redaktionen in den vergangenen Tagen ungewöhnlich viele | |
Leserbriefe. „Sehr geehrte Damen und Herren, Wir möchten Sie mit diesem | |
Brief beruhigen“, beginnt ein Großteil der Zuschriften, die alle ähnlich | |
klingen. „Die Demokratie in Polen ist (trotz alarmierender und | |
furchterregender Medienberichte) keinesfalls in Gefahr.“ Dann folgt eine | |
lange Auflistung, wann die liberalkonservative Vorgängerregierung unter | |
Führung der Bürgerplattform (PO) den Rechtsstaat ausgehöhlt habe, in dem | |
sie polnische Redaktionen und die Wohnungen von Journalisten durchsucht | |
hat. | |
Weiter heißt es, dass die „Mainstream-Medien“ (also offenbar jene, die von | |
der früheren Koalition unter Druck gesetzt wurden) von dem Sieg der | |
PiS-Partei geschockt gewesen wären und diesen Schock nun als Angriff auf | |
die Demokratie und Freiheit interpretierten. Komisch nur: Wenn sie so sehr | |
unter Druck gestanden hätten wie in dem Brief behauptet, wieso bejubeln sie | |
den Sieg der PiS dann nicht? | |
Stefan Kornelius, Leiter des Auslandsressorts der Süddeutschen Zeitung, | |
schätzt, dass seine Redaktion jeden Tag zwischen 12 und 15 solcher Briefe | |
bekommt – alle per Post, klassisch auf Papier. Begonnen hätten die | |
Zuschriften erst in der Regierungszeit der PiS. | |
## Bekannte Strategie | |
Dass Redaktionen mit gleichlautender Post überschüttet werden, ist nicht | |
neu. Auch zum Thema Ukraine kamen über Monate hinweg Post und E-Mails, die | |
im Wortlaut ähnlich waren. Stefan Kornelius vermutet hinter den Zuschriften | |
zur Ukraine oft staatlich gesteuerte Trolle. „Bei denen zu Polen habe ich | |
eher den Eindruck, dass da wirklich normale polnische Bürger schreiben, | |
allerdings nach Aufforderung.“ Auf einigen Briefen könne man eine | |
Ausschneide-Markierung erkennen. Deswegen glaubt er , dass es Vordrucke für | |
die Briefe gab. | |
Ganz eindeutig lässt sich die Aufforderung, an deutsche Redaktionen zu | |
schreiben, aber auf der nationalkonservativen Webseite Niezależna | |
nachlesen. Sie ist Teil eines Netzwerks von verschiedenen rechten und | |
rechtsextremen Medien. Auf der Webseite steht wortwörtlich der Text, der | |
nun in Briefform die Redaktionen erreicht – auf Polnisch, Deutsch, | |
Englisch, Französisch und Spanisch. | |
Danach folgt eine lange Liste mit Adressen von Redaktionen und | |
EU-Abgeordneten, an die die Briefe zu richten seien. Darunter sind deutsche | |
Medien wie Zeit, Spiegel, Süddeutsche, ARD und ZDF, aber auch | |
internationale Medien wie der Guardian, der Standard oder die New York | |
Times aufgelistet. Ob die Absender, die die Briefe unterschreiben, alle | |
real existierende Personen sind, ist unklar. | |
In anderen Briefen ist der Absender klarer: Auch die polnische Botschaft in | |
Deutschland schreibt an Redaktionen. Anders als die vorgedruckten Briefe | |
kommentiert sie die Berichterstattung aber in eigenen Worten. taz und FAZ | |
erhielten Briefe, in denen es hieß, „die Meinung […] zur gegenwärtigen | |
Situation in Polen wurde von vielen Polen mit Unbehagen aufgenommen. […] | |
Die neue Regierung wurde in freien Wahlen gewählt, deren Rechtmäßigkeit von | |
Niemandem in Frage gestellt wurde und hat dadurch ein starkes | |
demokratisches Mandat bekommen.“ | |
FAZ-Redakteur Reinhard Veser sagt allerdings, die Reaktion bewege sich „in | |
dem Rahmen, in dem auch Botschaften anderer EU-Länder manchmal auf einzelne | |
Artikel reagieren.“ Sie sei nichts im Vergleich zu denen von Ländern wie | |
etwa Aserbaidschan. | |
Stefan Kornelius von der Süddeutschen liest die Leserbriefe, lässt sich von | |
ihnen aber nicht beunruhigen. „Ich halte nichts von gesteuerter Aufhetzerei | |
und werde mich von ihr auch nicht daran hindern lassen, zu schreiben, dass | |
ich mich um die Rechtsstaatlichkeit in Polen sorge“, sagt er. | |
9 Oct 2023 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Ronny Müller | |
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