| # taz.de -- Medienlandschaft in Polen: Bedrohte Vielfalt | |
| > Nie war die Medienlandschaft in Polen diverser als heute. Doch mit dem | |
| > geplanten Journalistengesetz der PiS-Partei könnte sich das ändern. | |
| Bild: Ob ein Journalistengesetz der PiS-Partei umgesetzt wird, entscheidet sich… | |
| In Polen fürchten regierungskritische JournalistInnen um ihre Jobs. Denn | |
| die [1][nationalkonservative Regierungspartei PiS] schlägt in ihrem | |
| Programm für die Parlamentswahl vor, ihren Beruf zu regulieren. Sie will | |
| einen Selbstverwaltungsrat der Journalisten einberufen, der sich um die | |
| „ethischen und beruflichen Standards“ kümmert. An sich ist eine | |
| Selbstverwaltung keine schlechte Idee. Aber die vergangenen vier Jahre | |
| unter PiS haben die MedienmacherInnen misstrauisch gemacht. | |
| Wie in Deutschland ist der Beruf der JournalistInnen in Polen nicht | |
| geschützt. Einheitliche Presseausweise gibt es nicht und auch kein | |
| nationales Register wie in Frankreich, Belgien und der Schweiz. Das neue | |
| Gesetz, heißt es [2][im PiS-Programm] für die Wahl am Sonntag, würde | |
| „Lösungen einführen, die denen in anderen Berufen mit öffentlicher Relevanz | |
| ähneln, etwa auf dem Feld der Anwälte oder Ärzte.“ Ziel sei ein Rat, der | |
| sich selbst reguliere und die Journalistenausbildung gestalte. | |
| „Den Selbstverwaltungsrat könnte die Regierung gesetzlich einführen, aber | |
| ich halte das für eine schlechte Idee“, sagt Janusz Adamowski, | |
| Medienwissenschaftler an der Universität Warschau. „Journalisten haben sich | |
| zuletzt stark polarisiert, so ein Selbstverwaltungsrat würde den Hass nur | |
| vertiefen, weil er als politisierte Institution interpretiert würde.“ Schon | |
| jetzt teilen sich JournalistInnen in zwei Gewerkschaften auf: | |
| Regierungsnahe JournalistInnen treten dem Verband Polnischer Journalisten | |
| bei, regierungskritische der Journalistischen Gesellschaft. | |
| Jolanta Hajdasz ist stellvertretende Vorsitzende des Verbands Polnischer | |
| Journalisten und leitet das Institut zur Beobachtung der Pressefreiheit. | |
| „Heute kann sich in unserem Land jeder, der publiziert, Journalist nennen, | |
| auch wenn er seine Informationen nicht verifiziert oder nur seine Meinung | |
| veröffentlicht“, sagt Hajdasz. Sie befürwortet deshalb den Vorschlag der | |
| Regierung. „Die Medienfreiheit wird nur dann bedroht, wenn Politiker | |
| entscheiden, wer den Beruf des Journalisten ausüben darf und wer nicht“, | |
| sagt sie, „Und das wird nicht passieren.“ | |
| Vereinnahmt durch die PiS | |
| Regierungskritische ExpertInnen und JournalistInnen sind skeptisch. Zwar | |
| versicherte der stellvertretende Ministerpräsident Piotr Gliński, dass ein | |
| Selbstverwaltungsrat nur mit Zustimmung des gesamten Berufsfelds eingeführt | |
| würde. Doch PiS kündigt seit Jahren Änderungen des Medienmarkts an, die in | |
| erster Linie ihr selbst dienen. Parteichef Jarosław Kaczyński macht | |
| [3][private Medien] für die Niederlage seiner Regierungskoalition im Jahr | |
| 2007 verantwortlich. Als seine Partei 2015 die Parlamentswahl gewann, | |
| versprach er eine „Repolonisierung“ der Medien. | |
| PiS stört, dass polnische Medien zu großen Teilen ausländischen | |
| Unternehmern gehören – auch, weil diese Medien eher linksliberal orientiert | |
| sind. Sie hat mit der Idee gespielt, Anteile ausländischer Investoren am | |
| Medienmarkt gesetzlich zu deckeln. Das würde zum Beispiel Polska Press | |
| einschränken, eine Gruppe der Verlagsgruppe Passau: Polska Press gibt | |
| [4][20 Regionalzeitungen heraus] und betreibt Onlineportale. Eine | |
| Deckelung der Marktanteile würde die Freiheit des Kapitals verletzen, die | |
| innerhalb der EU gilt. PiS konkretisierte diese Pläne deshalb nicht. | |
| Stattdessen stärkte sie in den vergangenen Jahren den | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk und wandelte ihn in einen Werbekanal für | |
| die eigene Regierung um. „PiS hat die Öffentlich-Rechtlichen zu | |
| Staatsmedien gemacht“, kritisiert Medienwissenschaftler Adamowski. | |
| Mittlerweile stört die einseitige Berichterstattung sogar PiS-WählerInnen. | |
| Schon immer berichteten die öffentlich-rechtlichen Medien in Polen | |
| regierungsnah, auch unter den linksliberalen Vorgängern. „Aber das Ausmaß | |
| war ein anderes“, sagt Adamowski, „Diese Medien sind gesetzlich dazu | |
| verpflichtet, ausgewogen zu berichten, aber sie erfüllen dieses Kriterium | |
| nicht mehr.“ | |
| ## Druck auf regierungskritische Medien steigt | |
| Mit strukturellen Veränderungen machte PiS die öffentlich-rechtlichen | |
| Medien von sich abhängig. Bis Ende 2015 besetzte der Landesrundfunk- und | |
| Fernsehrat die Führungspositionen der öffentlich-rechtlichen Medien. Der | |
| Präsident und das Parlament wählten die Mitglieder dieses Rats. Im Dezember | |
| 2015 verabschiedete PiS [5][ein neues Mediengesetz]. Der Schatzminister, | |
| ein Regierungsmitglied, entscheidet seither, wer die Posten erhält. Seit | |
| Januar 2016 ist Jacek Kurski Chef des Senders TVP, ein Politiker, der mit | |
| PiS sympathisiert. Einige JournalistInnen haben den Sender seither | |
| verlassen, anderen wurde gekündigt. | |
| PiS half auch finanziell nach. Im Jahr 2017 erhielt TVP vom | |
| Reprivatisierungsfonds, der für die Verstaatlichungen nach 1945 | |
| entschädigen soll, einen Kredit von umgerechnet [6][185 Millionen Euro]. | |
| Ende 2017 veranlasste die Ministerpräsidentin Beata Szydło, dass weitere | |
| [7][227 Millionen Euro] an die öffentlich-rechtlichen Medien flossen. Auch | |
| private, regierungsnahe Medien verfügen über mehr Geld als zuvor: Zwischen | |
| 2017 und 2018 stiegen die Einnahmen der regierungsnahen Gazeta Polska aus | |
| [8][staatlicher Werbung um 124 Prozent], obwohl ihre Verkaufszahlen zur | |
| selben Zeit um 21 Prozent sanken. | |
| Regierungskritische Medien geraten währenddessen in finanzielle | |
| Schwierigkeiten. „Agora und das linksliberale Wochenmagazin Polityka drohen | |
| auszutrocknen, weil die Anzahl staatlicher Werbeschaltungen, etwa aus | |
| Energiekonzernen, deutlich zurückgehen“, sagt Adamowski. Überleben könnten | |
| auf lange Sicht nur Medien, die starken Konzernen wie Axel Springer | |
| gehörten. „Aber Axel Springer ist keine karitative Organisation, sondern | |
| ein Unternehmen“, sagt Adamowski, „so ein Konzern wird keine defizitären | |
| Medien halten.“ | |
| Es stimmt schon: Nie zuvor war der polnische Medienmarkt so divers wie | |
| heute. „Ich denke, die vergangenen vier Jahre waren eine wirklich gute Zeit | |
| für den Journalismus und die Meinungsfreiheit in Polen“, sagt Jolanta | |
| Hajdasz deshalb. „Menschen mit konservativen Ansichten bekommen Jobs in der | |
| Medienbranche, vor 2015 war das sehr schwierig.“ RegierungskritikerInnen | |
| fürchten allerdings, dass der Pluralismus bald verschwinden kann. Vor allem | |
| dann, wenn PiS die nächste Regierung erneut allein bilden kann. | |
| 11 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Regierungsumbildung-in-Polen/!5600941 | |
| [2] http://pis.org.pl/files/Program_PIS_2019.pdf | |
| [3] /Medien-in-Polen/!5470348 | |
| [4] https://polskapress.pl/pl/o-polskapress/o-firmie | |
| [5] /EU-diskutiert-Mediengesetz-in-Polen/!5265302 | |
| [6] https://www.wirtualnemedia.pl/artykul/tvp-otrzymala-800-mln-zl-pozyczki-ze-… | |
| [7] https://businessinsider.com.pl/media/tv-radio/pieniadze-z-budzetu-dla-telew… | |
| [8] https://www.wirtualnemedia.pl/artykul/panstwowe-spolki-najwiecej-na-reklamy… | |
| ## AUTOREN | |
| Olivia Kortas | |
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