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# taz.de -- Landes-Agrarminister über Antibiotika: „Es geht um die Gesundhei…
> Christian Meyer, Landwirtschaftsminister aus Niedersachsen, warnt vor
> gefährlichen Antibiotika im Stall. Er fordert Aufklärung über illegales
> Güllespritzen.
Bild: Von Antibiotika haben diese KollegInnen mehr als genug
taz: Herr Meyer, auf der Grünen Woche wird viel über Landwirtschaft
geredet. Sollten die Agrarminister nicht viel mehr über Gesundheit
sprechen?
Christian Meyer: Die Gefahren des hohen Einsatzes von Antibiotika,
insbesondere in der industriellen Tierhaltung, sind enorm. Im Dezember hat
eine britische Regierungskommission gewarnt, dass mit Millionen Toten zu
rechnen ist, wenn nichts passiert. Allein in Deutschland sterben 15.000
Menschen jährlich an resistenten Keimen, die laut dieser Kommission
zunehmend aus der Landwirtschaft stammen. Es geht bei der Agrarwende nicht
nur um Ethik und um Tierschutz, sondern auch um die Zukunft der
menschlichen Gesundheit.
Sie warnen vor dem „Post-Antibiotika-Zeitalter“. Was heißt das?
Das ist ein Zustand, in dem uns Antibiotika nicht mehr schützen können.
Wissenschaftler haben Keime gefunden, die gegen Colistin resistent sind –
dem bei manchen Keimen letzten wirksamen Antibiotikum für den Menschen. Und
vor wenigen Wochen hat der Bund mitgeteilt, dass diese gefährliche
Resistenz auch in Darmbakterien von Mastgeflügel in Deutschland weit
verbreitet ist. 2014 wurden 107 Tonnen Colistin überwiegend in der
deutschen Geflügelhaltung verbraucht. Mediziner sind in großer Sorge, dass
das letzte Reserveantibiotikum durch übermäßige Nutzung in der
Massentierhaltung wirkungslos wird.
Warum wird darüber kaum geredet?
Das sind ja auch wirtschaftliche Interessen: Eine Halbierung des
Antibiotika-Einsatzes halbiert den Umsatz der Pharmakonzerne in diesem
Bereich. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) macht seinen Job nicht
und geht dieses Problem nicht an. Er schafft nicht mal den Mengenrabatt für
die Pharmafirmen ab, die am massenhaften Einsatz in der Tierhaltung
verdienen. Allein in Niedersachsen wird eine Pute im Schnitt alle sechs
Tage mit Antibiotika behandelt. Es darf nicht sein, dass Antibiotika dazu
dienen, schlechte Haltungsbedingungen zu kaschieren und vorsorglich bei
Hunderttausenden von Tieren eingesetzt werden. Die Bundesländer haben schon
lange einstimmig vom Bund gefordert, die Reserveantibiotika für die
menschliche Gesundheit zu reservieren und sie nicht aus ökonomischen
Gründen in der Tierhaltung zu verwenden. Aber in Berlin rührt sich nichts.
Ist Massentierhaltung ohne Antibiotika überhaupt möglich?
Je mehr Tiere auf engem Raum stehen, desto höher ist der Einsatz von
Antibiotika. Mehr Tierschutz bedeutet auch weniger Antibiotika. Wenn
Schweine und Hühner 20 bis 30 Prozent mehr Platz hätten, würden viele
Probleme entschärft: Bei Antibiotika, den Gülle-Überschüssen sowie den
Mehrkosten für Wasserverbände und Krankenhäuser.
Niedersachsen legt als erstes Land einen „Nährstoffbericht“ vor. Wo geht
der Dreck denn hin?
Von den etwa 10 Millionen Schweinen und mehr als 100 Millionen Hühnern und
Puten und aus Biogasanlagen müssen etwa 60 Millionen Tonnen Gülle, Gärreste
und Mist auf dem Acker verteilt werden. Die Überdüngung aus der Tierhaltung
hat zwar abgenommen, aber sie ist immer noch so hoch, dass rechnerisch
41.000 Hektar Fläche mit Phosphat überdüngt werden. Um zu ermitteln, welche
Betriebe überdüngen, müssen wir wissen, wo die Höfe ihren Gülleüberschuss
lassen. Wir fordern vom Bund, endlich diese Datenauswertung im novellierten
Düngegesetz zu ermöglichen.
Trauen Sie Ihren Bauern nicht über den Weg?
Wir haben Erfolge, aber es gibt wenige schwarze Schafe, die große Probleme
verursachen, das sehen auch Landwirtschaftskammer und Bauernverband so.
Bauern, die sich ans Gesetz halten, haben kein Interesse, dass diejenigen,
die sich nicht ans Düngerecht halten, unentdeckt bleiben.
Eine neue Düngeverordung ist ewig verschleppt worden. Warum?
Der Bund hat zu lange getrödelt. Womöglich war der Einfluss von Lobbyisten
zu groß. Die Länder drängen seit Jahren, die EU hat sogar ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, und auf Druck
von Kommunen, Bürgerinitiativen, Wasserverbänden und Umweltorganisationen
sollen Düngegesetz und Düngeverordnung jetzt endlich novelliert werden.
Sie sind seit fast drei Jahren Agrarminister. Was ist das größte Hindernis
auf dem Weg zu einer gesunder Landwirtschaft?
Das größte Problem ist, dass der Bund nicht mitzieht. Beim Tierschutz geht
Niedersachsen voran, wir verbieten etwa das Schnabelkürzen bei Legehennen
und bieten Bauern Prämien, wenn sie Schweinen die Schwänze nicht kürzen.
Aber der Bundesagrarminister favorisiert die unverbindliche Freiwilligkeit,
er wagt es nicht, sich mit der Agrar- oder der Pharmaindustrie anzulegen.
Tierschutzgesetz und Düngeverordnung sind Bundesrecht und deshalb für
Bundesländer schwer zu regeln. Die Gesellschaft will die Agrarwende, sogar
die CDU in Niedersachsen. Die Zeit ist reif für eine Tierschutzwende. Das
sollte auch der Bund erkennen.
15 Jan 2016
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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