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# taz.de -- Alternative Windenergie: Energie von oben, ganz oben
> Ingenieure entwerfen Lenkdrachen und anderes Fluggerät, um Strom aus
> großen Höhen zu gewinnen. Mit dabei: Skysails aus Hamburg. Und Google.
Bild: Der Drache macht zwar kein Strom, dafür Spaß.
Freiburg taz | Schon Kinder kennen die Kräfte des Lenkdrachens: Wenn das
Fluggerät in der Höhe seine Bahnen zieht, ist mächtig Zug auf der Leine.
Warum die Kräfte auch zur Stromerzeugung nutzen? Das Prinzip hat was von
einem Jo-Jo: Ein Lenkdrachen schraubt sich in die Höhe. Er hängt an einem
Seil am Boden, das sich von einer Winde abwickelt; die Winde dreht sich und
treibt einen Generator an. Ist die Schnur entrollt, gleitet der Drachen zu
Boden und steigt erneut auf.
Seit einigen Jahren nehmen sich nüchterne Ingenieure des Themas an, sei es
in Universitäten oder auch in Unternehmen. Offensiv in die Öffentlichkeit
drängt die Firma [1][Enerkite] aus Brandenburg, was sie schon allein
deswegen tun muss, weil sie Crowdfunding betreibt; 350.000 Euro hat sie auf
diese Weise bereits eingesammelt.
Etwas zurückhaltender nach außen hin agiert die Hamburger Firma
[2][SkySails], die durch ihren Drachenantrieb für Frachtschiffe bekannt
wurde, aber längst auch die stationäre Stromerzeugung im Blick hat.
Und international schaut die Höhenwindbranche vor allem auf die Tests der
Google-Tochter [3][Makani] mit ihrer 600-Kilowatt-Anlage. In der
Konstruktion gibt es unterschiedliche Ansätze: klassische Drachen,
halbstarre Fluggeräte mit bespannten Rahmen sowie stabile Konstruktionen,
die eher einem kleinen Flugzeug ähneln.
Unabhängige Experten, die bereit sind, sich zu den Entwicklungen zu äußern,
sind allerdings rar. Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und
Energiesystemtechnik, das derzeit für das Bundeswirtschaftsministerium
unter dem Projektnamen „Onkites II“ Flugwindanlagen analysiert, zeigt sich
zugeknöpft: Die Untersuchungen seien „vertraulich“, die „Simulationsläu…
noch nicht abgeschlossen“.
Offener spricht man an der Universität im holländischen Delft, die sich in
Europa zum akademischen Zentrum der Höhenwindkraft entwickelt hat. Bisher
seien zwar alle Unternehmen der Branche „noch weit davon entfernt, Umsätze
zu generieren“, sagt Professor Roland Schmehl, doch habe die Höhenwindkraft
das Potenzial, die heutige Windtechnik preislich zu unterbieten:
„Kilowattstundenpreise unter 5 Cent sind drin, womöglich kommt man bis an 2
Cent heran.“
## Oben herrscht eine steife Brise
Möglich werden soll das, weil die Drachen Wind in Höhen ernten, die
klassische Rotoren nicht erreichen. Die meisten Techniker kalkulieren mit
Höhen um 300 Meter, maximal seien 500 Meter sinnvoll, sagt Schmehl. Sonst
werden die Seile zu lang, ihr Luftwiderstand führt zu größeren Verlusten.
Im Jahresmittel, rechnet der Ingenieur vor, könnten die Flugdrachen rund 70
Prozent der Leistung bringen, die mit durchgängig perfektem Wind möglich
wäre. Heutige Windkraftanlagen auf See kommen auf 40 bis 50 Prozent, an
Land auf 20 bis 30 Prozent.
Bis zur Marktreife gibt es aber noch viele Fragen. Von der erforderlichen
Zuverlässigkeit sind die Systeme noch weit entfernt. Auch ihre Lebensdauer
ist noch unklar. Technisch problematisch ist zudem noch das automatische
Starten und Landen der Drachen, es hapert bisher am Zusammenspiel von Hard-
und Software.
## Nicht in meinem Luftraum
Denn praktikabel sind die Anlagen erst, wenn kein Mensch sie mehr steuern
muss, wenn sie bei Flaute oder aufziehendem Gewitter automatisch eingeholt
werden und später genauso eigenständig wieder starten können.
Abseits der Technik gibt es noch gesellschaftliche Fragen: Wie wird es um
die Akzeptanz stehen? Wie wird man die Genehmigungsverfahren angesichts
absehbarer Konflikte mit der Flugsicherung regeln?
Aber vielleicht stellen sich solche Fragen auch erst im zweiten Schritt.
Denn als mögliche Standorte benennt die Höhenwindbranche immer zuerst die
Regionen der Welt, in denen das nächste Stromnetz weit entfernt ist.
Dort konkurrieren sie oft mit teuren Dieselgeneratoren; die Kilowattstunde
Strom aus den Aggregaten kostet rund 50 Cent. Das zu unterbieten sollten
die Lenkdrachen-Kraftwerke schaffen. Allerdings ist in sonnenreichen
Ländern längst die Photovoltaik unschlagbar günstig. Daran heranzukommen
wird für den Höhenwind schwieriger.
12 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.enerkite.de/
[2] http://www.skysails.info/
[3] https://www.google.com/makani/
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Windkraft
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