# taz.de -- Konferenz der Höhenwindkraftforscher: Fliegende Windkraftwerke | |
> Energiedrohnen und -drachen könnten in Zukunft die Branche um einige | |
> Variante bereichern. Forscher hoffen auf Marktreife in wenigen Jahren. | |
Bild: Rund 25 Meter Spannweite hat der von der Google-Tochter Makani entwickelt… | |
Freiburg im Breisgau taz | Windkraftwerke müssen nicht zwingend aus Rotoren | |
und Türmen bestehen – sie können auch wie Drachen oder Segelflieger | |
aussehen und dann in deutlich größeren Höhen als heute üblich Energie | |
ernten. Noch ist zwar ungewiss, ob sich diese alternative Technik eines | |
Tages durchsetzen wird. Doch nachdem in jüngster Zeit Wissenschaftler und | |
einschlägige Unternehmen große Fortschritte erzielt haben, sind die | |
Vertreter dieser in gewisser Weise abgehobenen Windkraft optimistisch, | |
binnen weniger Jahre entsprechende Maschinen zur Marktreife bringen zu | |
können. | |
Den Stand der Dinge präsentierte die weltweite Szene der Höhenwindkraft | |
Anfang Oktober auf der 7. Airborne Wind Energy Conference an der | |
Universität Freiburg. | |
Es sind beeindruckende Kennziffern, die die Ingenieure vortragen. Eine | |
Flugwindkraftanlage könne pro Quadratmeter Flügelfläche so viel Strom | |
erzeugen wie ein Solarfeld mit 800 Quadratmeter Photovoltaik, sagt Moritz | |
Diehl, Professor für Regelungstechnik an der Universität Freiburg. | |
Zugleich ist von Materialeinsparung in Höhe von bis zu 95 Prozent die Rede, | |
verglichen mit den heute üblichen Windkraftanlagen, weil keine Türme nötig | |
und die Flügel deutlich kleiner sind. „Wir reduzieren das Windrad auf die | |
Flügelspitze“, sagt Diehl. | |
Die Forscher am Freiburger Institut für Mikrosystemtechnik entwickeln | |
Algorithmen, mit denen die Fluggeräte auf ihrer optimalen Flugbahn gehalten | |
werden können. Das ist angesichts der Turbulenzen in der Luft nicht immer | |
einfach. Die Südbadener arbeiten an Verfahren, die sie „prädiktive | |
Regelung“ nennen: Ein Computer errechnet 100 Mal pro Sekunde, wie sich das | |
Fluggerät in der folgenden Sekunde bewegen wird, und steuert sofort gegen, | |
wenn die zu erwartende Bahn nicht jenem Optimum entspricht, das maximale | |
Energieausbeute garantiert. | |
## Flugdrachen und Energiedrohnen | |
Während die Gastgeber der Konferenz sich mit ihrer ausgefeilten | |
Steuerungstechnik noch im Bereich der Grundlagenforschung bewegen, haben | |
einige Hersteller bereits den Markt im Blick. Ein vergleichsweise weit | |
gediehenes Projekt stellte die Firma Enerkite in Freiburg vor: einen | |
Flugdrachen, der sich bei Wind in die Höhe schraubt, und dabei über eine | |
Seilwinde einen Generator am Boden antreibt. Ist das Seil komplett | |
abgewickelt, geht der Drachen in eine Art Sturzflug, sodass das Seil mit | |
geringem Kraftaufwand wieder eingeholt und der Zyklus von vorne starten | |
kann. | |
Andere, wie etwa die Schweizer Firma Twingtec, nutzen einen Flieger, der | |
wie eine Drohne aufsteigen kann, um in ähnlicher Weise seine Kreise zu | |
ziehen. | |
Die Technik am Boden wird jeweils in einem Normcontainer untergebracht. Die | |
Firma Enerkite mit Sitz in Berlin und einem Testfeld in Brandenburg zeigt | |
sich optimistisch: Bereits im Jahr 2019 soll es einen Prototypen mit 100 | |
Kilowatt geben, im Jahr 2020 soll das Modell auf den Markt kommen. Selbst | |
Preise werden bereits genannt: Eine knappe halbe Million Euro soll eine | |
solche Anlage kosten. | |
## Googles Energieflieger | |
Eine gänzlich andere Technik stammt aus dem Hause Google: Die Firma Makani, | |
eine Tochter der Forschungsabteilung des Internetkonzerns, hat eine Art | |
Segelflugzeug mit 25 Meter Spannweite mit Propellern ausgestattet. Indem | |
dieses Kreisbewegungen vollführt, entstehen an den Rotoren | |
Strömungsgeschwindigkeiten, die erheblich höher sind als die | |
Windgeschwindigkeiten. | |
Die Generatoren mit 600 Kilowatt Leistung befinden sich an Bord des | |
Fliegers; der Strom wird über eine in das Halteseil integrierte | |
Hochspannungsleitung zur Erde geführt. | |
Die Einsatzhöhen der Energieflieger liegen zwischen 200 und 500 Metern. | |
Weil sie kaum sichtbar sind, hoffen die Entwickler auf hohe Akzeptanz in | |
der Bevölkerung, zumal die Flieger auch nur dann in den Lüften sind, wenn | |
ausreichend Wind weht. | |
Die Wissenschaftler und natürlich auch die Unternehmen sind zuversichtlich, | |
die Kosten der Fluggeräte auf das Niveau der heutigen Rotorentechnik senken | |
zu können. „Diese Perspektive ist Voraussetzung für unsere Forschung“, sa… | |
Diehl. Für den Anfang setzen Forscher und Entwickler jedoch auf netzferne | |
Anwendungen. Also für Standorte, an denen die Anlagen Dieselgeneratoren | |
ersetzen, deren Kilowattstunden erheblich teurer sind als Netzstrom. Auch | |
zur Notversorgung in Katastrophengebieten seien solche Containerlösungen | |
nutzbar, weil die Anlagen einfach dort abgeladen werden können, wo sie | |
benötigt werden. | |
Die größte Herausforderung ist noch der Dauerbetrieb. „Die Fluggeräte | |
müssen automatisiert starten und landen können, und sie müssen zuverlässig | |
ohne Wartung über Monate funktionieren“, sagt Roland Schmehl, Professor für | |
Windenergie an der Fakultät für Raumfahrttechnik im niederländischen Delft. | |
Das heißt, es müssen einerseits die richtigen Materialien gefunden werden, | |
und andererseits braucht man hochleistungsfähige Steuersysteme. In beiden | |
Punkten komme man gut voran, sagt der Ingenieur und ist überzeugt: „Man | |
wird in den nächsten Jahren noch viel von dieser Technik hören.“ | |
29 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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