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# taz.de -- Grenzkontrollen in Skandinavien: Schweden testet CSU-Rezept
> Asylsuchende dürfen nicht mehr ohne Ausweis nach Schweden einreisen.
> Dänemark hat ähnliche Pläne. Betroffen sind vor allem Minderjährige.
Bild: Transitflüchtlinge steigen in Rostock in einen Bus, der sie zur Fähre n…
Stockholm taz | Rund 250.000 Asylsuchende sind 2015 in die nordischen
Länder eingereist. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegen Schweden,
Finnland, Norwegen und Dänemark zusammengerechnet damit in Europa an der
Spitze – gefolgt von Deutschland. In diesem Jahr könnte sich der Zustrom
nach Norden kräftig vermindern.
Ab 4. Januar will Schweden Asylsuchende nicht mehr ins Land einreisen
lassen, wenn sie keine gültigen Ausweispapiere vorweisen können. Sie hätten
dann auch keine Möglichkeit mehr, dort einen Asylantrag zu stellen.
Dänemark dürfte bald mit einer ähnlichen Massnahme folgen. Für eine
Mehrheit der Flüchtlinge mit Ziel Skandinavien würde die Reise dann schon
in Deutschland enden.
Wobei die Einführung von ID-Kontrollen im Bahn-, Bus- und Fährverkehr je
nach Herkunftsland sehr unterschiedlich treffen wird. Von den 163.000
Personen, die im vergangenen Jahr allein in Schweden Asyl beantragten,
konnten vier Fünftel keinen Ausweis vorlegen. Während dabei fast die Hälfte
aller Flüchtlinge aus Syrien ein Ausweispapier präsentieren konnte, lag
diese Zahl bei Menschen aus Afghanistan, Eritrea oder Somalia nahe Null.
„Wohnst du in einem kleinen afghanischen Dorf, hast du keinen Pass“, sagt
Jenny Anderberg. Sie ist Projektleiterin beim „Ensamkommandes Förbund“,
einer Interessenorganisation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Über
35.300 hat Schweden davon 2015 aufgenommen – eine Verfünffachung gegenüber
dem Vorjahr. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Asylsuchenden stieg binnen
eines Jahres von weniger als einem Zehntel auf mehr als ein Fünftel an.
Zwei Drittel aller „Ensamkommanden“ kamen aus Afghanistan.
## Panikgesetzgebung oder Atempause?
Menschen aus dieser Flüchtlingsgruppe haben oft einen besonders großen
Schutzbedarf, brauchen viel Unterstützung, benötigen umfassende personelle
Fürsorge und damit auch mehr finanzielle Ressourcen. Als mehrere
schwedische Institutionen im November vor einem „Systemkollaps“ warnten,
worauf hin die rot-grüne Regierung die Notwendigkeit einer „Atempause“
verkündete und sich zu einer Panikgesetzgebung wie den jetzigen
Identitätskontrollen veranlasst sah, ging es nicht zuletzt um die
Kapazitäten bei der Versorgung der sprunghaft gestiegenen Zahl
unbegleiteter Minderjähriger.
Hat Stockholm deshalb ganz bewusst Einreiseverschärfungen beschlossen, die
gezielt diese Flüchtlingsgruppe treffen? Ein Sprecher von
Migrationsminister Morgan Johansson bestreitet dies. Ziel der Einführung
von ID-Kontrollen sei zwar tatsächlich, die Anzahl neu ins Land kommender
Asylsuchender zu vermindern: „Die keinen Ausweis haben, sollen Asyl in
einem anderen Land beantragen“. Diese Regelung gelte aber für alle, „die
ID-Forderung richtet sich nicht an eine bestimmte Gruppe“.
## Keine Ausnahme für Minderjährige
Mit solcher Argumentation mache es sich die Regierung reichlich bequem,
meint Katarina Nyberg: Praktisch treffe man nun eben vermutlich in erster
Linie Minderjährige. Nyberg ist Sprecherin der „Riksföreningen gode män“,
einer Organisation der mit einer Vormundschaft betrauten Ehrenamtlichen.
Einen Vormund bekommt beispielsweise sofort jeder der unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge, die ins Land kommen.
Und in Nybergs Augen ist die Art der jetzigen Einreiseverschärfungen „ein
ganz bewusster Beschluss“. Es wäre ein leichtes gewesen, Minderjährige von
der Ausweisforderung auszunehmen. Doch das sei nicht geschehen. „Ich schäme
mich, dass unsere Politiker so etwas machen.“ Das Asylrecht für
Minderjährige sei nun in hohem Masse nicht mehr gewährleistet.
## Dänemark wird Schweden folgen
Formal behaupte Stockholm, das Grundrecht auf Asyl zu garantieren, doch
praktisch sei man nicht bereit, diese Garantie auch einzulösen, sagt der
schwedische Migrationsforscher Joakim Ruist. Letztendlich treibe Stockholm
die Flüchtlinge in die Hände von Menschenschmugglern und veranlasse sie
dazu, sich gefährlichere Routen für ihre Flucht zu suchen.
Das befürchtet auch Johanna Jönsson, migrationspolitische Sprecherin des
liberalen „Zentrum“, der neben den Linken einzigen Parlamentspartei, die
die neuen Kontrollen ablehnt: „Man zwingt sie in lebensgefährliche
Situationen, wie in Boote oder Verstecke in LKW‘s.“ Besonders problematisch
sei: „Es ist zu erwarten, dass andere Länder dem schwedischen Beispiel
folgen.“
Auf Dänemark muss man vermutlich nicht lange warten. „Wir wollen keine
Asylsuchenden mehr auf den Autobahnen sehen. Wir wollen Ruhe. Wir wollen
Ordnung“, kündigte Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen in seiner
Neujahrsbotschaft an. Das deutet anders als die schwedischen Kontrollen
öffentlicher Verkehrsmittel auf Pläne für lückenlose Kontrollen an der
deutsch-dänischen Grenze hin.
3 Jan 2016
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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