# taz.de -- Philosophisch ins neue Jahr: Die Heiterkeit zur rechten Zeit | |
> Ausgerechnet Arthur Schopenhauer als Lebensberater für das lauernde Jahr: | |
> Seine Einsichten machen uns nicht glücklich, aber gelassener. | |
Bild: „Aber alles, was ist, ist im nächsten Augenblick schon gewesen.“ | |
Jedes Jahr beginnt mit dem gleichen öden Schauspiel. Es ist der Januar, der | |
uns da droht, ein unangenehm langgezogener Monat. Den man, auch weil er | |
jede Menge Abbuchungen bringt, mit schlechter Laune angeht, so dass fast | |
alle Prognosen, zu denen man sich aufrafft, ungünstig ausfallen. Selbst | |
versierte Optimisten sind Anfang Januar nicht in Topform, können es auch | |
gar nicht sein, weil das Jahr, das vor ihnen liegt, etwas Lauerndes hat. | |
Gegen den Jahresanfangsblues muss man angehen, schon aus Selbstschutz. | |
Dabei kann ausgerechnet ein Philosoph helfen, der als einer der | |
Gründerväter des Pessimismus gilt: Arthur Schopenhauer, von dem sich viel | |
sagen lässt, nur nicht, dass er philosophischen Frohsinn verbreitet hätte. | |
Schopenhauer, von finanziellen Sorgen unbehelligt, weshalb er auch soziale | |
Fragen souverän zu ignorieren wusste, ist ein Mann für alle Fälle; er | |
könnte als Erfinder einer Altersweisheit durchgehen, für die man nicht alt | |
sein muss, wohl aber skeptisch, was inzwischen ja mehrheitsfähig geworden | |
ist. | |
Die Einsichten des Dr. Schopenhauer machen nicht glücklich, lassen uns | |
jedoch gelassener werden. Zudem kann man sich seiner Philosophie bedienen, | |
ohne ihre Grundannahmen teilen zu müssen. | |
Unter den Philosophen war Schopenhauer der entschiedenste Gegenwartsfreund; | |
sein Loblied auf die Gegenwart ist einer Erkenntnis geschuldet, die sich | |
unmittelbarer Wirklichkeitserfahrung verdankt: „Was gewesen ist, das ist | |
nicht mehr; ist ebensowenig wie das, was nie gewesen ist. Aber alles, was | |
ist, ist im nächsten Augenblick schon gewesen. Daher hat vor der | |
bedeutendsten Vergangenheit die unbedeutendste Gegenwart die Wirklichkeit | |
voraus; wodurch sie zu jener sich verhält wie etwas zu nichts.“ | |
Die Gegenwart zeigt sich als Momentaufnahme mit wechselnden Inhalten, die | |
genauso schnell gehen, wie sie kommen, und von uns, wenn überhaupt, nur | |
beiläufig zur Kenntnis genommen werden. Dabei hätte jeder Augenblick, der | |
uns zuteil wird, eigentlich Andacht und Respekt verdient: er ist nämlich | |
ein Unikat, nicht wiederholbar und schon gar nicht zu kopieren: „Jedem | |
Vorgang unseres Lebens gehört nur auf einen Augenblick das Ist; sodann für | |
immer das War. Jeden Abend sind wir um einen Tag ärmer. Wir würden | |
vielleicht beim Anblick dieses Ablaufens unserer kurzen Zeitspanne rasend | |
werden; wenn nicht im tiefsten Grunde unseres Wesens ein heimliches | |
Bewußtsein läge, dass uns der nie zu erschöpfende Born der Ewigkeit gehört, | |
um immerdar die Zeit des Lebens daraus erneuern zu können.“ | |
Wer es sich wie Schopenhauer, der als Privatgelehrter ein überschaubares | |
Pflichtenprogramm zu bedienen hatte, leisten konnte, die schnelllebige | |
Gegenwart in eine vorübergehende Halteposition zu bringen, wird darauf | |
gebracht, dass man sich dabei zu einer kühnen Theorie aufschwingen kann: | |
„In der Vergangenheit hat kein Mensch gelebt, und in der Zukunft wird nie | |
einer leben, sondern die Gegenwart allein ist die Form alles Lebens, ist | |
aber auch sein sicherer Besitz, der ihm nie entrissen werden kann. Die | |
Gegenwart ist immer da, samt ihrem Inhalt; beide stehn fest, ohne zu w | |
anken: wie der Regenbogen auf dem Wasserfall.“ | |
Unter dem Deckmantel der Zeit rücken wir alle, notgedrungen, enger | |
zusammen. Das ist, je nach dem Menschenbild, das einer pflegt, entweder als | |
solidaritätssteigernd oder als ultimative Form der Belästigung zu | |
begreifen. | |
Wie dem auch sei – am Ende kommt der massenhafte Auftrieb des | |
Menschengeschlechts zur Ruhe, wird überschaubar und schrumpft auf | |
Familienfeierformat: „So sehr auch auf der Bühne der Welt die Stücke und | |
die Masken wechseln, so bleiben doch in allen die Schauspieler dieselben. | |
Wir sitzen zusammen und reden und regen einander auf, und die Augen | |
leuchten, und die Stimmen werden schallender: ganz ebenso haben andere | |
gesessen, vor tausend Jahren: es war dasselbe, und es waren dieselben: | |
ebenso wird es sein über tausend Jahre.“ | |
## Zu viel Gegenwart | |
Wem im Lauf der Zeit etwas zu viel Gegenwart zugemutet wurde, wird eines | |
Tages feststellen müssen, dass er alt geworden ist. Das ist in der Regel | |
keine erfreuliche Erkenntnis, lässt sich aber nicht vermeiden. Früher oder | |
später trifft es jeden. Der Sinn des Alterns erschließt sich nur dem | |
positiv Denkenden: Wer ohnehin bereit ist, das Gute im Menschen zu sehen, | |
bietet das Alter, das inzwischen ja die Tendenz hat, sich immer mehr | |
hinzuziehen, also immer zäher zu werden, einen beträchtlichen Zugewinn an | |
Zeit und möglicher Lebensfreude. | |
Wer im Alter Bilanz zieht, tut dies im Bewusstsein, den größten Teil seines | |
Lebensweges zurückgelegt zu haben. Dabei ist manches auf der Strecke | |
geblieben, Wichtiges und Unwichtiges; am Ende sind in der eigenen | |
Personalakte unzählige Verlustmeldungen abgelegt, die bestenfalls | |
registriert, nicht aber verfolgt oder erfolgreich bearbeitet werden können. | |
Was man auf der Verlustseite noch am ehesten verschmerzen kann, sind die | |
Illusionen, die einem auf dem unspektakulären Weg ins Alter abhanden | |
kommen. Um sie ist es nicht schade, im Gegenteil: „Der Lebensmut unserer | |
Jugend beruht zum Teil darauf, daß wir bergauf gehend, den Tod nicht sehen, | |
weil er am Fuß der anderen Seite des Berges liegt. Haben wir aber den | |
Gipfel überschritten, dann werden wir den Tod, welchen wir bis dahin nur | |
vom Hörensagen kannten, wirklich ansichtig, wodurch, da zu derselben Zeit | |
die Lebenskraft zu ebben beginnt, auch der Lebensmut sinkt; so daß jetzt | |
ein trüber Ernst den jugendlichen Übermut verdrängt und dem Gesichte sich | |
aufdrückt.“ | |
## Solange wir jung sind, halten wir das Leben für endlos | |
Allerdings sind auch der Altersweisheit Grenzen gesetzt: Sie kann dazu | |
beitragen, dass wir eine unseren Jahren angemessene Ökonomie des Denkens | |
und Handelns entwickeln, die dabei hilft, unseren Lebensweg in Würde zu | |
Ende zu gehen. Zurückbringen kann uns die Altersweisheit nichts, schon gar | |
nicht die Jugend in ihrer Echtzeit. Das aber muss auszuhalten sein: | |
„Solange wir jung sind, man mag uns sagen, was man will, halten wir das | |
Leben für endlos und gehen danach mit der Zeit um. Vom Standpunkte der | |
Jugend aus gesehn, ist das Leben eine unendlich lange Zukunft; vom | |
Standpunkte des Alters aus eine sehr kurze Vergangenheit.“ | |
Im Rückblick, den das Alter gewährt, meint man auf einmal auch den | |
Durchblick zu haben: Es fügt sich zusammen, was vielleicht nie | |
zusammengehört hat, nun aber, im Schaulaufen der Erinnerung, auf einmal | |
eine Ordnung annimmt, die, in unserer ganz persönlichen Sicht, überzeugend | |
anmutet. Das gilt nicht nur für Begebenheiten, sondern auch für die | |
Akteure, die daran beteiligt waren: „Gegen das Ende des Lebens nun gar geht | |
es wie gegen das Ende eines Maskenballs, wenn die Larven abgenommen werden. | |
Man sieht jetzt, wer diejenigen, mit denen man, während seines | |
Lebenslaufes, in Berührung gekommen war, eigentlich gewesen sind. Denn die | |
Charaktere haben sich an den Tag gelegt, die Taten haben ihre Früchte | |
getragen, die Leistungen ihre gerechte Würdigung erhalten, und alle | |
Trugbilder sind zerfallen. Zu diesem allem nämlich war Zeit erfordert.“ | |
Wer im Alter zum Prüfungsgespräch in eigener Sache bittet, kann auch | |
deswegen mit vergleichsweise eindeutigen Ergebnissen rechnen, weil der | |
überschaubare Erfahrungsschatz, den man mit sich führt, von einem | |
Grundtatbestand getragen wird, auf den Schopenhauer wiederholt hinweist: | |
Der Kern unseres Wesens bleibt gleich, er bewahrt Haltung, auch wenn es um | |
ihn herum hektisch und verwirrend zugeht. Das ist gut zu wissen, gerade im | |
Alter: „Wenn man auch noch so alt wird, so fühlt man doch im Innern sich | |
ganz und gar als denselben, der man war, als man jung, ja, als man noch ein | |
Kind war.“ | |
Die Zeichen des Alterns sind eindeutig. Wir altern vor uns hin, meist eher | |
unauffällig, aber es gibt auch Einschnitte: Dann wird das Alter endgültig | |
unhöflich, schiebt die verbliebene Jugendlichkeit zur Seite und macht sich | |
so rigoros an uns zu schaffen, dass es unangenehm auffällig wird. Und der | |
damit verbundene Trübsinn wird noch dadurch gestärkt, wenn wir an wenig | |
einfühlsame Zeitgenossen geraten, die unverblümt bestätigen, was sich uns | |
gerade als ungute Vermutung aufdrängt. | |
Neben den äußeren Anzeichen des Alterns gibt es innere Alarmsignale, die | |
wir wachsam registrieren, aber, im eigenen Wohlbefindlichkeitsinteresse, | |
nicht überbewerten sollten. Schließlich können auch jüngere Leute | |
erstaunlich vergesslich sein, die Orientierung verlieren oder neben sich | |
stehen. Das Alter verlangt nach einem einprägsamen Bild: „Wie man auf einem | |
Schiffe befindlich, sein Vorwärtskommen nur am Zurückweichen und demnach | |
Kleinerwerden der Gegenstände auf dem Ufer bemerkt, so wird man sein Alt- | |
und Älterwerden daran inne, dass Leute von immer höheren Jahren einem jung | |
vorkommen.“ | |
Je länger man lebt, desto mehr denkt man an Abgang. Das ist kein erhebender | |
Gedanke, er lässt sich jedoch nicht verdrängen. Bevor es so weit ist, dass | |
man tatsächlich in den finalen Ruhestand tritt, möchte man die letzte | |
Lebensspanne möglichst unbeschadet überstehen: Die Altersbeschwerden | |
sollten erträglich sein, der Geist zumindest so wach, dass er sich noch an | |
wärmenden Erinnerungen erfreuen kann und für schöne Momente des Tages | |
empfänglich bleibt. Alte Leute, sagt Schopenhauer, sind im Übrigen nicht so | |
ungeschickt, wie man meint: „Im Alter versteht man die Unglücksfälle zu | |
verhüten; in der Jugend, sie zu ertragen.“ | |
## Die Einschläge kommen näher | |
Absolut wünschenswert ist es zudem, im Alter nicht allein zu sein. Man | |
sollte dankbar sein für jeden Weggefährten, der einem geblieben ist, denn | |
ab einem bestimmten Zeitpunkt, darauf weist auch eine gängige Redensart | |
hin, kommen die Einschläge näher. So klammert man sich an die Menschen, die | |
noch da sind – sie stehen für das schwindende Leben, von dem man sich | |
langsam, aber sicher zu verabschieden hat: „Jede Trennung gibt einen | |
Vorgeschmack des Todes – und jedes Wiedersehen einen Vorgeschmack der | |
Auferstehung. Darum jubeln selbst Leute, die einander gleichgültig waren, | |
so sehr, wenn sie, nach zwanzig oder gar dreißig Jahren, wieder | |
zusammentreffen.“ | |
Vielleichthat man ja auch, kurz vor dem irdischen Ladenschluss, noch die | |
unbescheidene Hoffnung, das Rätsel des Lebens gelöst zu bekommen. Ein | |
solches Abschiedsgeschenk wird es jedoch, abseits von Glaubenswahrheiten, | |
nicht geben. Und auch danach, wenn einem denn tatsächlich das letzte | |
Stündlein schlägt, sollte man nicht darauf spekulieren, verbindliche | |
Gewissheiten zugeteilt zu bekommen: „Wenn inzwischen ein Philosoph etwa | |
vermeinen sollte, er würde im Sterben einen ihm allein eigenen Trost, | |
jedenfalls eine Ablenkung, darin finden, daß dann ein Problem sich löste, | |
welches ihn so häufig beschäftigt hat, so wird es ihm vermutlich gehen wie | |
einem, dem, als er eben das Gesuchte zu finden im Begriff ist, die Laterne | |
ausgeblasen wird.“ | |
Eines Tages wird uns tatsächlich die Laterne ausgeblasen. Dann ist Schluss. | |
Wirklich Schluss? Das Leben nach dem Tode ist eine hartnäckige, | |
buchstäblich nicht totzukriegende Menschheitsidee, der wir, mögen wir uns | |
auch noch so glaubensfern und ernüchtert geben, in dezenten Privatvisionen | |
nachhängen. Einmal ins Leben befördert, mögen wir nicht mehr davon lassen, | |
auch wenn es uns zwischenzeitlich sauer ankommen mag und oft mehr Belastung | |
als Freude bedeutet. Da erscheint uns der Tod als natürlicher Feind. Wir | |
mögen ihn nicht, auch wenn er gelegentlich als verkappter Wohltäter | |
auftritt, der uns von schwerem Leiden befreit oder einen Ausweg weist, vom | |
dem wir nicht wissen, ob er wirklich ein Ausweg ist. | |
Schopenhauer sieht den Tod, dem keiner gern begegnet, freundlicher, als man | |
vermuten würde: „Wie kann man nur beim Anblick des Todes eines Menschen | |
vermeinen, hier werde ein Ding an sich selbst zu nichts? Daß vielmehr nur | |
eine Erscheinung in der Zeit, dieser Form aller Erscheinungen, ihr Ende | |
finde, ohne daß das Ding an sich selbst dadurch angefochten werde, ist eine | |
unmittelbare, intuitive Erkenntnis jedes Menschen; daher man es zu allen | |
Zeiten, in den verschiedensten Formen und Ausdrücken … auszusprechen bemüht | |
gewesen ist.“ | |
## Unser irdischer Geschäftsbetrieb | |
Die Wahrscheinlichkeit, dass es mit uns weitergeht, in welcher Form auch | |
immer, ist für Schopenhauer größer als die Annahme des Gegenteils, dem er | |
nicht viel abgewinnen kann; er sträubt sich dagegen, dass die Einstellung | |
unseres irdischen Geschäftsbetriebs das endgültige Aus bedeuten könnte, und | |
weiß sich mit dieser Vermutung auf der Mehrheitsseite: „Jeder fühlt, daß er | |
etwas anderes ist als ein von einem andern einst aus Nichts geschaffenes | |
Wesen. Daraus entsteht ihm die Zuversicht, daß der Tod wohl seinem Leben, | |
jedoch nicht seinem Dasein ein Ende machen kann. Der Mensch ist etwas | |
anderes als ein belebtes Nichts – und das Tier auch. Wer da meint, sein | |
Dasein sei auf sein jetziges Leben beschränkt, hält sich für ein belebtes | |
Nichts: denn vor dreißig Jahren war er nichts und über dreißig Jahre ist er | |
wieder nichts.“ | |
Weiter geht es immer, ist Schopenhauers Überzeugung, man sollte das nur | |
nicht persönlich nehmen. Die Gewinn-und-Verlust-Rechnung geht auf, | |
allerdings nur in der Gesamtbilanz und weniger bei den unzähligen | |
Einzelposten, hinter denen sich individuelle Schicksale und Lebensläufe | |
verbergen. Für den Einzelnen, der sich an die Werthaltigkeit der eigenen | |
Person gewöhnt hat und ein Vertrauensverhältnis zu sich selbst pflegt, das | |
er nicht missen möchte, ist das keine erhebende Aussicht; sie lässt sich | |
jedoch auch als beruhigend, ja als tröstlich begreifen: „Wie durch den | |
Eintritt der Nacht die Welt verschwindet, dabei jedoch keinen Augenblick zu | |
sein aufhört; ebenso scheinbar vergeht Mensch und Tier durch den Tod, und | |
ebenso ungestört besteht dabei ihr wahres Wesen fort … Demnach können wir | |
jeden Augenblick wohlgemut ausrufen: ‚Trotz Zeit, Tod und Verwesung sind | |
wir noch alle beisammen.“ | |
Keiner geht uns verloren, auch die Leute nicht, die wir noch nie leiden | |
konnten; ein zusätzlicher Grund dafür, dass wir, allen Beruhigungsmaßnahmen | |
zum Trotz, letztlich nicht allzu erwartungsfroh ins Jenseits vorausschauen. | |
Wir halten uns insgesamt lieber ans Leben, da meinen wir zu wissen, was wir | |
haben. | |
Der Tod kommt uns wie ein unheimlicher Türsteher vor, der Einlass in ein | |
Etablissement gewährt, in das man gar nicht hinein will. Es hat keinen | |
guten Ruf, ist finster, und wer drinnen die Geschäfte führt, wissen wir | |
nicht. Dennoch ist der Pessimist Schopenhauer, (nicht nur) in seiner | |
Sterbephilosophie, erstaunlich optimistisch: Mag unser Weiterleben nach dem | |
Tode, wenn es denn überhaupt stattfindet, auch rätselhaft bleiben, so muss | |
man für den Fall der Fälle nicht schwarzsehen. | |
## Noch aber sind wir nicht tot. Gut so. | |
Wer daran glaubt, dass es für uns mehr geben muss als ein einmaliges | |
Gastspiel auf Erden, macht sich Mut und bringt Licht ins Dunkel: „Wir | |
schaudern vor dem Tode vielleicht hauptsächlich, weil er dasteht als die | |
Finsternis, aus der wir einst hervorgetreten und in die wir nun zurück | |
sollen. Aber ich glaube, daß, wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in | |
einem Licht stehn, von welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist.“ | |
Noch aber sind wir nicht tot. Gut so. „Solange der Ausgang einer | |
gefährlichen Sache nur noch zweifelhaft ist“, schreibt der Lebensberater | |
Dr. Schopenhauer, „solange nur noch die Möglichkeit, daß er ein glücklicher | |
werde, vorhanden ist, darf an kein Zagen gedacht werden, sondern bloß an | |
Widerstand – wie man am Wetter nicht verzweifeln darf, solange noch ein | |
blauer Fleck am Himmel ist.“ Wobei es, nicht zu vergessen, eine Sache gibt, | |
die wichtiger ist als jede Philosophie und jedes Wetter: „Überhaupt aber | |
beruhen neun Zehntel unseres Glücks allein auf der Gesundheit.“ | |
Schopenhauer hat sein gut bewachtes Weltanschauungsgebäude immer mal wieder | |
verlassen, um sich ins Freie zu begeben. Dort befiel ihn, wenn er sich | |
nicht zur Ordnung rief und seine Philosophie unbeaufsichtigt ließ, eine | |
Stimmung, die wenig von sich hermacht, dafür jedoch um so wertvoller ist: | |
„Der Heiterkeit, wann immer sie sich einstellt, sollen wir Tür und Tor | |
öffnen: denn sie kommt nie zur unrechten Zeit, weil nur sie unmittelbar in | |
der Gegenwart beglückt …“ | |
1 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Otto A. Böhmer | |
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