# taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Werben für den faschistischen Staat | |
> Die extreme Rechte ist politisch im Aufwind. Sie ist dabei, zu einem | |
> wesentlichen Einfluss-, wenn nicht gar Machtfaktor zu werden. | |
Bild: Björn Olaf Höcke (Mitte) von der AfD kann mit dem „christlich-jüdisc… | |
Zweifel sind kaum noch möglich: Die extreme Rechte ist politisch im | |
Aufwind, sie ist dabei, im Bereich der Europäischen Union zu einem | |
wesentlichen Einfluss-, wenn nicht Machtfaktor zu werden. Davon zeugen | |
nicht nur die neuen parlamentarischen Mehrheiten in Ungarn und Polen, | |
sondern auch der wachsende Zuspruch, den in Frankreich der Front National | |
unter Marine Le Pen gewinnt. | |
Und Deutschland? Hier werden der AfD gute Chancen ausgerechnet, nicht nur | |
in den ostdeutschen Ländern, sondern auch in Baden-Württemberg, eventuell | |
sogar in Rheinland-Pfalz in ein Landesparlament zu kommen. | |
Das ist soziologisch allemal erklärbar; zu klären ist freilich, ob man sich | |
auch der politischen und philosophischen Denke von Personen zuwenden soll, | |
die als „Rechtsintellektuelle“ gelten. Dabei geht es nicht um die dumpfen | |
Ressentiments von Dresdner Pegida-Demonstranten (denen zu „christlich“ kaum | |
mehr einfallen dürfte als die erste Strophe von „O Tannenbaum“), sondern um | |
jenes Spektrum von Personen und Medien, die (angefangen von der | |
rechtsreformistischen Wochenzeitung Junge Freiheit über die Bücher des | |
Antaios Verlages, die Publikationen des Instituts für Staatspolitik, die | |
Jugendzeitschrift Blaue Narzisse bis hin zur Sezession im Netz) darum | |
bemüht sind, rechtes Denken zu rehabilitieren. | |
AutorInnen dieser Publikationsorgane sehen sich dem verpflichtet, was sie | |
als „Metapolitik“ bezeichnen, also einer sich philosophisch gebenden | |
Staatslehre, die jedoch so kommuniziert werden soll, dass sie als | |
„Gramscianismus von rechts“ kulturelle Kommunikationsmuster bereits im | |
vorpolitischen Raum verändert, um so die Bereitschaft zur Hinnahme von | |
nationaler Schließung, autoritärer Unterordnung und ethnischer Homogenität | |
zu fördern. | |
## Heidegger nickt Evola ab | |
Dabei sind die Grenzen zum historischen Faschismus schnell überschritten: | |
zeitgeistige Kommunikationsformen wie etwa ein Blog der Identitären | |
Bewegung, „Metapolitika“, propagieren den unzweifelhaft faschistischen | |
Philosophen Julius Evola. Diese hierzulande bisher eher unbekannte Gestalt | |
wurde – wie neuerdings zu erfahren war – auch von einem der wichtigsten | |
Philosophen des 20. Jahrhunderts, von Martin Heidegger, zustimmend | |
rezipiert. | |
Martin Heidegger ... Es ist kein Zufall, dass die Debatte über diesen Mann | |
nicht endet, der seine Mitgliedschaft in der NSDAP niemals aufgab, der (wie | |
die seit 2013 bekannten „Schwarzen Hefte“ unwiderlegbar beweisen) ein | |
überzeugter Antisemit war und den Juden ihre Ermordung selbst zurechnete. | |
Denn an der Debatte über Heidegger, zumal nach dem Bekanntwerden von dessen | |
„Seinsgeschichtlichem Antisemitismus“ (Peter Trawny) wird sich erweisen, ob | |
ein der Aufklärung, den Menschenrechten, dem Individualismus und der | |
liberalen Demokratie feindliches Denken (wie es etwa der russische | |
Philosoph Alexander Dugin pflegt) überhaupt noch eine Chance hat. | |
## Neue Rechte und Judentum | |
Das gilt auf jeden Fall für Deutschland, wo jedes rechte Denken mit der | |
Schwierigkeit zu kämpfen hat, sich der Nähe zum Nationalsozialismus zu | |
erwehren, und zeigt sich etwa im Verhältnis zu Judentum und Antisemitismus. | |
Während eine sich antiimperialistisch gebärdende Linke den Staat Israel und | |
seine Politik nicht nur kritisiert, sondern dämonisiert, wendet sich die | |
Neue Rechte dem Judentum zu. | |
Sei es, dass Karlheinz Weißmann vom Institut für Staatspolitik den | |
evangelischen Theologen Slenczka (er diskutiert, ob das jüdische Alte | |
Testament in den christlichen Kanon gehört) verteidigt. Sei es, dass der | |
rassistische Dampfplauderer Björn Olaf Höcke zu Protokoll gibt, mit dem | |
Begriff des „christlich-jüdischen Abendlandes“ nichts anfangen zu können: | |
Der Distanz zum Judentum wegen wird sogar die für Abwehr des Islam | |
gebrauchte Formel vom „christlich-jüdischen Abendland“ geopfert und ein | |
„christlicher Staat“ propagiert. | |
Womit man wieder beim anfangs erwähnten Ungarn wäre, das in diesen Frage | |
tatsächlich eine Vorreiterrolle gespielt hat und weiterhin spielt. Die in | |
Budapest im April 2011 neu beschlossene Verfassung beschwört die | |
christliche Nation noch vor der Würde des Menschen und enthält Punkt für | |
Punkt jenes Programm, dem sich die Neue Rechte in Europa verschrieben hat. | |
Daher überlasse man 2016 den Dschihadismus und seine ebenso gefährlichen | |
wie verwirrten jungen Männer und Frauen den Geheimdiensten, dem Militär | |
sowie der Sozialarbeit und wende sich der Ideologie, den Institutionen und | |
Medien der Neuen Rechten zu: Sie dürften mittelfristig weitaus gefährlicher | |
sein als alle Salafisten zusammen. | |
5 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Micha Brumlik | |
## TAGS | |
Schwerpunkt AfD | |
Marine Le Pen | |
Neue Rechte | |
NDR | |
Terroranschlag | |
Peter Sloterdijk | |
Neue Rechte | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Telemediengesetz | |
Schwerpunkt AfD | |
Islam | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kritik am Sachbuch des Monats: „Votum gegen den Zeitgeist“ | |
Die Auswahl eines rechten Buches sorgt bei NDR und „SZ“ für einen Eklat. | |
Ein Journalist verlässt die Jury, doch der Bucherfolg ist nicht zu stoppen. | |
Kolumne Gott und die Welt: Ein Gefühl namens Europa | |
„Unbehagen“, „Gespür“, „Stimmung“ oder eben doch „Gefühl“? In… | |
Terror und Flüchtlingskrise fehlen Europa-Analytikern die Worte. | |
Kolumne Gott und die Welt: Vielvölkerstaat Deutschland | |
Verschwörungstheorien haben Konjunktur – auch in der Zeitschrift „Cicero�… | |
Dort sinniert Gertrud Höhler über Merkels „Masterplan“. | |
NGO für Rechte in Deutschland: Wie Greenpeace, nur rechts | |
Mit der Initiative „Ein Prozent für unser Land“ versuchen Rechte seit | |
Wochen, den Anti-Asyl-Protest zu vernetzen. Nun stehen auch Demos an. | |
AfD-Dreikönigstreffen in Stuttgart: Auftakt mit Demo | |
Bei ihrem Wahlkampfauftakt in Stuttgart präsentierte sich die | |
rechtspopulistische AfD optimistisch. Vor der Tür gab es Protest. | |
Forderung der SPD: AfD soll überwacht werden | |
Die SPD-Fraktion will die AfD vom Verfassungsschutz beobachten lassen. | |
Derweil gab es beim Wahlkampfauftakt der AfD in Mainz Proteste. | |
Polnischer Außenminister zu EU-Kritik: „Verständnis wäre wünschenswert“ | |
Die PiS greift mit Gesetzen in Justiz und Medien ein, die EU droht mit | |
Konsequenzen. Polens Außenminister fordert nun Solidarität – vor allem von | |
Deutschland. | |
Parteiinterne Kritik an AfD-Mann Höcke: „Eindeutig rassistisch“ | |
Hamburgs AfD-Fraktionschef Kruse fordert einen „öffentlichen Aufruhr“ gegen | |
Björn Höcke. Kritik kommt auch von Bayerns AfD-Chef Bystron. | |
Islamfeindlichkeit in Europa: Die Macht des Ressentiments | |
Die Angst vor einer vermeintlichen Islamisierung Europas treibt | |
Rechtspopulisten die Wähler zu. Rechte Hetzblogs liefern dazu die | |
Ideologie. |